schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 12, Band I, Seiten 90 und 91 (wp12b1_0114)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 12, Band I, Seiten 90 und 91
90
Enquete-Kommission

(Beifall bei der PDS/Linke Liste – Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/
CSU]: Höchst schwach!)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat der Kollege Wolfgang
Mischnick das Wort.

Wolfgang Mischnick (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kollegin-
nen und Kollegen! Es ist schon vieles zum Ausdruck gebracht worden, was
von uns allen gleich gesehen wird: Erfahrungswerte, Notwendigkeiten. Ich
will mich bemühen, ein paar Gesichtspunkte anzufügen, die ergänzend auf
einiges hinweisen sollen.

Ich bin in letzter Zeit sehr viel von Ausländern gefragt worden: Wie war
es eigentlich möglich, daß es nach den Erfahrungen mit der nationalsoziali-
stischen Diktatur so lange gedauert hat, bis in dem, was die DDR war, der
entsprechende Widerstand zur Beseitigung des Systems führte? Es sollte eine
wichtige Aufgabe der Kommission sein, auch die Gesamtzusammenhänge aus
den letzten 40, 45 Jahren mit sichtbar zu machen. Wir müssen uns davor
hüten, daß die Kommission in erster Linie oder ausschließlich den innenpo-
litischen Teil – den ich für den wichtigsten halte – betrachtet. Sie muß sich
vielmehr darüber im klaren sein, daß das Ergebnis dieser Enquete-Kommission
auch international gesehen und beachtet wird. Das bedeutet für mich nicht,
daß die Kommission nun bis in die letzte Einzelheit hinein alles, was in
der Vergangenheit geschehen ist, auch entsprechend aufarbeiten muß. Aber
es muß sichtbar werden, welche internationalen Zusammenhänge mit der
nationalen Entwicklung verbunden waren. Dazu lassen Sie mich ein paar
Bemerkungen machen. Dann wird nämlich auch die Bemerkung, die wir
eben hörten, daß wir bei dieser ganzen Arbeit von Moral und Autorität der
Siegermächte bestimmt seien, in sich zusammenfallen.

Meine Damen und Herren, mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß wir
1945 beginnen müssen, mit den vier Besatzungszonen und ihren unterschied-
lichen Entwicklungen. Wir müssen berücksichtigen, wie der Versuch gemacht
wurde, auch in der sowjetischen Besatzungszone eine demokratische Struktur
aufzubauen. Es ist kein falscher Ansatz, wenn man darauf hinweist, daß der
Zusammenschluß von KPD und SPD 1946 für die beiden anderen politischen
Kräfte, die es damals gab, eine Schwächung bedeutete. Das hat nichts da-
mit zu tun, daß wir davon etwas wegwischen wollen. Im Gegenteil: Wir
müssen natürlich hinzufügen, daß von Kurt Schumacher von der späteren
Bundesrepublik, den damaligen drei Westzonen, aus versucht worden ist,
den Zusammenschluß zu verhindern, daß es Hunderte und Tausende von
SPD-Mitgliedern gab, die das nicht mitgemacht haben, die versucht haben,
woanders Zuflucht zu finden. Aber umgekehrt gab es Tausende und Hundert-
tausende, die in die Einheit gegangen sind und damit die anderen Kräfte, die
damals noch die Hoffnung hatten, ein demokratisches System zu schaffen, in
ihren Bemühungen geschwächt haben.

91
Debatte des Deutschen Bundestages 12.3.1992

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Auch das müssen wir in aller Ruhe untersuchen und uns damit auseinander-
setzen.

(Dr. Elke Leonhard-Schmid [SPD]: Es gab keine Abstimmung darüber! Die
sind unter Zwang hineingegangen!)

– Genau das ist der Punkt, wo die Untersuchungen ansetzen müssen. Man
muß deutlich machen, wo der Ausgangspunkt war.

Es muß dann aber auch Klarheit darüber geben, daß das zu Entwicklungen
führte, die es 1949 leichter machten, den DDR-SED-Staat in dieser Form zu
bilden. Dazu gehört – das halte ich für ein ganz gewichtiges Kapitel –, daß man
den Beginn der Freien Deutschen Jugend 1946 sehr sorgfältig untersucht.
Denn machen wir uns nichts vor: Mit dieser Staatsjugend, die eingeführt
wurde, wurde die Voraussetzung geschaffen, daß man über Jahrzehnte jungen
Menschen das einimpfen konnte, was zumindest zum Dulden, zum Mittragen
geführt hat, zum Glauben daran, daß es doch der richtige Weg sei. Man
muß untersuchen, was es bedeutet hat, daß 1946, als die FDJ gegründet
wurde, HJ-Führer pauschal übernommen wurden unter dem Motto: Entweder
ihr macht mit, oder ihr geht in Haft. Warum sage ich das? Daß man
daraus die Lehren für die Zukunft zieht und sichtbar macht, wo man bei
Weichenstellungen aufpassen muß, die für die künftige Entwicklung vielleicht
gefährlich sein könnten.

Das bedeutet doch, daß man das Erziehungssystem anpacken muß. Ein
einzügiges, ein einheitliches Erziehungssystem birgt immer in sich, daß die
Gefahr größer wird, daß Diktaturen Zugriff auf alle haben. Ein pluralistisches
Erziehungssystem, wie wir es für richtig halten, hat eine größere Chance,
solchen Gefahren zu wehren. Auch das als Erfahrungswert sichtbar zu machen
scheint mir notwendig zu sein.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich gehe auch nicht darüber hinweg, daß man
natürlich die Ministerpräsidentenkonferenz in München untersuchen muß:
daß es damals Einwirkungen von außen gab, um manche Dinge, die man
damals noch versucht hatte zu bewegen, nicht in die richtige Richtung zu
bringen.

Wir war doch die Parole: Die Partei hat immer recht. Ganz nebenbei:
Auch Parteitage haben nicht immer recht. Was will ich damit sagen? Es
muß herausgearbeitet werden, daß in einem freiheitlichen demokratischen
Rechtsstaat die Staatsgewalt nicht von einer einzelnen Gruppierung ausgeübt
werden darf.

(Freimut Duve [SPD]: Das ist die Privatisierung des Staates!)

Hier muß es vielmehr eine Trennung geben. Ganz nebenbei: Daß es bei
absoluten Mehrheiten auch in unserem Bereich manchmal Gefahren gibt,