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ganz persönliches Wort sprechen. Ich glaube, daß sich diejenigen, die nicht
zur Enquete-Kommission gehören, das noch ganz gut mit anhören können.
Wir begrüßen einen unter uns besonders herzlich, nämlich Dr. Faulenbach.
Wir sind froh darüber, daß er wieder da ist. (Beifall)
Wir steigen nun in die erste Reihe von Referaten ein. Es werden jetzt also drei
Referate hintereinander folgen. Danach werden wir eine erste Diskussionrunde
durchführen. Das erste Referat wird Professor Dr. Manfred Wilke aus Berlin
zum Thema „Konzeptionen der KPD-Führung 1944/45 für das Parteiensystem
in der SBZ und der Beginn ihrer Umsetzung“ halten. Bitte, Herr Professor.
Prof. Dr. Manfred Wilke: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren! Der „Aufruf des Zentralkomitees der KPD“ vom 11. Juni 1945
verneinte ausdrücklich die Absicht der Partei, „Deutschland das Sowjetsystem
aufzuzwingen“. Die KPD forderte eine antifaschistische parlamentarisch-
demokratische Republik. Die SMAD ließ am 10. Juni mit dem berühmten
„Befehl Nr. 2“ vier antifaschistisch-demokratische Parteien zu. Am 14. Juli
bereits wurde der von der KPD geforderte Block der antifaschistisch-
demokratischen Parteien – das waren die Sozialdemokraten, die Liberalen,
die Christdemokraten und die KPD – gegründet. Ich halte es für wichtig,
daß wir uns noch einmal diese allgemein bekannte Tatsache ins Gedächtnis
zurückrufen.
Die Blockpolitik der KPD 1945 lag auf der Linie der antifaschistischen
Einheitsfront-Politik, die für alle kommunistischen Parteien nach dem Überfall
auf die Sowjetunion durch Hitler im Jahre 1941 galt. In ganz Europa traten
die kommunistischen Parteien als Organisatoren des nationalen Widerstandes
gegen die deutsche Okkupationspolitik auf. Das Programm der sozialistischen
Revolution trat zugunsten des Kampfes für eine antifaschistische Demokratie
in den Hintergrund.
Als 1943 in Moskau die „Kommunistische Internationale“ aufgelöst wurde
– und damit die kommunistischen Parteien formal unabhängige nationale
Parteien wurden, was sie ja vorher nicht waren; davor waren sie Sektionen
einer Weltpartei –, rechtfertigte Stalin diesen Schritt mit den Erfordernissen
der antifaschistischen Bündnispolitik im Krieg.
Wenn man die KPD-Programme und Deklarationen nach 1945 liest, dann
halte ich es auch für geboten, uns diese Sprachregelung des „großen
Generalissimus“ aus dem Jahre 1943 ins Gedächtnis zurückzurufen:
„Die Auflösung der ’Kommunistischen Internationale’ ist richtig, denn a) sie
entlarvt die Lügen der Hitler-Leute, daß ’Moskau’ angeblich beabsichtige,
sich in das Leben anderer Staaten einzumischen und sie zu ’bolschewisieren’.
Dieser Lüge ist nunmehr ein Ende gemacht worden.
b) Sie entlarvt die Verleumdung seitens der Gegner des Kommunismus in
der Arbeiterbewegung, daß die kommunistischen Parteien der verschiedenen
Länder angeblich nicht im Interesse ihres eigenen Volkes, sondern auf Befehl
von außen handeln. Dieser Verleumdung ist nunmehr ebenfalls eine Ende
gemacht worden.
c) Sie erleichtert die Arbeit der Patrioten der freiheitsliebenden Länder zur
Vereinigung der progressiven Kräfte ihrer Länder – unabhängig von deren
Parteizugehörigkeit und religiöser Überzeugung – zu einem einheitlichen
nationalen Freiheitslager zwecks Entfaltung des Kampfes gegen den Faschis-
mus.“
Die interalliierten Konferenzen von Teheran 1943 und Jalta 1945 hatten bereits
die machtpolitischen Gegensätze zwischen den Mächten in bezug auf die
europäische Nachkriegsordnung offenbart. Aber die kommunistischen Parteien
blieben bei ihrer antifaschistischen Blockpolitik, um die gesellschaftspolitische
Neuordnung des befreiten Europas durchzusetzen. Wie wir alle wissen, ist
1947 mit der Bildung des Kominform und der Planung für den Marshallplan
die Grundlage für diese Politik entfallen.
Vor 1989 war es nach den Worten des Tübinger Historikers Dietrich Geyer
eine strittige Frage, „ob die Einheitsfront- und Blockpolitik nach Kriegsende
jemals mehr war als eine fadenscheinige Camouflage des sowjetischen
Willens zur Macht, mehr als ein Mittel, um die verbündeten Parteien, voran
die Sozialdemokratie, stillzustellen und die kommunistische Diktatur nach
Maßstäben und Zeitbegriffen durchzusetzen, die dem sowjetischen Interesse
und den jeweiligen Gegebenheiten angemessen waren.“
Nach Öffnung der SED-Archive läßt sich diese gewichtige Streitfrage, die
auch die deutsche Nachkriegspolitik betrifft, entscheiden.
In diesem Vortrag möchte ich die Kommission über erste Ergebnisse meines
Forschungsvorhabens „Die Gründung der SED, dargestellt aus den Akten der
KPD“ informieren. Unser Projekt wird im „Forschungsverbund SED-Staat“ an
der FU Berlin seit wenigen Monaten betrieben und vom Bundesministerium
des Inneren dankenswerterweise gefördert.
Im Zentralen Parteiarchiv der SED haben wir uns zunächst auf das Material
der in der Moskauer Emigration befindlichen Führung der KPD aus den Jahren
1944/45 konzentriert. Schon die erste Sichtung der Vorstellungen und perspek-
tivischen Pläne zum Sturz Hitlers durch eine deutsche Volksbewegung machen
deutlich: Diese KPD-Funktionäre besaßen nur über den Moskauer Sender
eine operative Beziehung zu den kommunistischen Widerstandsgruppen in
Deutschland. Genaue Kenntnisse über die im Reich existierenden Gruppen
oder gar organisatorische Verbindungen zu ihnen waren nicht vorhanden. Im-
mer wieder wurde darüber diskutiert, Kuriere nach Deutschland zu schicken.
Aber die Debatte über die auszulösenden Volksaktionen zum Sturz Hitlers
blieben formelhaft abstrakt. Und sie waren ja auch folgenlos.
Dieses Urteil gilt nicht für die in der Sowjetunion zu dieser Zeit stattfindenden