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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 22 und 23
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Protokoll der 18. Sitzung

der deutschen Gesellschaft. Gleichwohl soll mit Hilfe der Blockpolitik der
Versuch unternommen werden, im Rahmen eines künftigen Parteiensystems
den anderen politischen Strömungen den programmatischen Willen der KPD
aufzuzwingen, um die Ostorientierung Deutschlands nach dem Sturz Hitlers
durchzusetzen.- Ich danke Ihnen. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, lieber Herr Professor
Manfred Wilke. Das ist ein doppelter Dank. Einmal ist es Dir gelungen, Dich
im Zeitrahmen zu halten.

Zweitens danke ich dafür, daß es ihm gelungen ist, eben nicht nur heutige
Erkenntnisse zu bündeln; vielmehr hat er uns tatsächlich Neues vermittelt,
was ausgesprochen interessant war.

Ich möchte nun den zweiten Referenten aufrufen. Bei ihm geht es um „Die
Wandlung der SED und ihre Rolle im Parteiensystem“. Bitte, lieber Herr
Professor Weber.

Prof. Dr. Hermann Weber: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren! Manfred Wilke hat eben gezeigt, daß die deutschen Kommunisten
im sowjetischen Exil im wesentlichen an ihren alten Vorstellungen festhielten.
Das heißt, daß auch nach dem Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie,
welches die KPD bei ihrem Gründungsaufruf abgab, in ihren Vorstellungen
die stalinistischen Grundauffassungen – man kann es fast so sagen – natürlich
weiter verwurzelt blieben.

Ein Indiz dafür ist in meinen Augen die Gründung der SED. Dafür spricht auch
die Taktik, welche die Kommunisten dann in der SED verfolgten. Mit Hilfe
der allmächtigen Sowjetischen Militäradministration setzte die KPD in der
Ostzone die Zwangsvereinigung mit den Sozialdemokraten durch. Das heißt,
die gegen die „Einheit“ opponierenden Sozialdemokraten konnten – abgesehen
von West-Berlin – ihre Positionen nirgendwo vorstellen. „Einheitsgegner“
wurden verfolgt. Allerdings machten die Kommunisten andererseits den
Sozialdemokraten Zugeständnisse, um sie in diese Einheitspartei zu bringen.

Deshalb präsentierte sich die SED bei ihrer Gründung noch ohne die
typischen Wesensmerkmale einer kommunistischen Partei. Weder in der
Ideologie noch in der Programmatik gab es Festlegungen auf den Leninismus
und das sowjetische Modell. In der Organisation galt die „paritätische“
Besetzung aller Funktionen durch Vertreter beider Parteien. Die Hegemonie
im Parteiensystem wurde offiziell noch nicht verkündet. Dies alles ist dann
1948/49 verändert worden. In der praktischen Politik der SED bestimmten
freilich die Kommunisten schon vorher.

Als es der Sowjetunion genehm war, nach dem Ausbruch des kalten Krieges
1947/48 einen Umformungsprozeß in Osteuropa durchzusetzen, die Rücksicht
auf die westlichen Alliierten fallenzulassen und den von ihr besetzten Ländern
eine Stalinisierung aufzuzwingen – ich erinnere an den kommunistischen

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Veränderung des Parteiensystems 1945–1950

Putsch in Prag und an die Kominform-Gründung –, war das auch für die
SED ein Signal, sich in eine „Partei neuen Typus“, wie es offiziell hieß,
umzuwandeln. Dies ist insbesondere nach dem Bruch zwischen Stalin und
Tito geschehen.

Der Stalinisierungsprozeß oder der Prozeß, der hin zur „Partei neuen Typus“
führte, ist in der westlichen Forschung vielfach thematisiert worden. Zu fragen
bleibt, inwieweit jetzt neu zugängliche Quellen Veränderungen in bezug auf
das bisherige Bild bringen. Dabei geht es um Sachverhalte, bei denen man
sagen muß: Hier sind neue Einschätzungen nötig.

Ich möchte versuchen, diese Frage zu beantworten, indem ich das Thema
anhand von vier Teilbereichen angehe. Erstens: Ideologie und Programmatik.
Zweitens: Parteistruktur. Drittens: Funktionsbesetzungen, welche eng mit den
Säuberungen verbunden sind. Viertens geht es um die damit angestrebte
führende Rolle der SED im Parteiensystem.

Erstens – Ideologie und Programmatik: Ideologische Leitsätze mußten stets
nach außen vermittelt werden, um die eigenen Funktionäre damit zu indoktri-
nieren. Dieser Bruch war 1948/49 am deutlichsten sichtbar. Der II. Parteitag
der SED im September 1947 hat in seinen Entschließungen noch einmal aus-
drücklich bestätigt, daß die Gründungsdokumente weiterhin gelten. Das heißt,
daß man sich zum Marxismus, aber nicht zum Leninismus bekennt, daß man
einen „deutschen Weg“ zum Sozialismus proklamiert und die „demokratische
Republik“ als Ausgangsposition nimmt.

Doch Wilhelm Pieck resümierte in seinem Schlußwort bereits unmißverständ-
lich: „Die Diskussion war beherrscht von dem Gedanken und dem Willen zur
Einheit der Arbeiterbewegung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus.“
Hier auf diesem Parteitag wird also erstmals der Begriff „Marxismus-
Leninismus“ eingeführt. Ulbricht schließlich hat auf diesem Parteitag erklärt,
„daß wir auf dem Wege sind, eine Partei neuen Typus zu werden.“ Er verlangte
deswegen, die Genossen müßten „von der Lehre des Marxismus-Leninismus
überzeugt sein.“

Auf der einen Seite gab es offiziell in den Deklarationen immer noch ein
Festhalten an den Vereinigungsbedingungen. Aber auf der anderen Seite gab
es hier bereits im Jahre 1947 den Übergang zu neuen Thesen. Ulbricht hat dies
übrigens in einem Artikel im November 1947 noch deutlicher gemacht, indem
er davon sprach, daß nun die Partei nach den Theorien von Marx, Engels,
Lenin und Stalin umgebaut werden müsse. Mit anderen Worten: Die offizielle
Linie wurde zwar erst 1948/49 geändert. Man kann aus den vorliegenden
Dokumenten feststellen, daß dieser Prozeß innerhalb der Partei schon früher
stattfand.

Hinzu kam, daß die Ideologie zunehmend auf die Thesen Stalins zurückgeführt
wurde. In diesem Zusammenhang nenne ich ein Zitat aus dem Jahre 1948: