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wir gemacht haben, so ernst genommen fühlen, daß dies anerkannt wird als
ein Teil der gemeinsamen deutschen Geschichte. Ich denke, daß dies auch
und ganz besonders eine Aufgabe der Enquete-Kommission ist. Manches ist
nicht wiedergutzumachen, nichts ist wiedergutzumachen, aber wir müssen es
wahrnehmen. Wir müssen die Schicksale ernst nehmen und so ernst nehmen,
daß die Menschen, die sie durchgemacht und die von ihnen gezeichnet sind,
sich ernstgenommen fühlen im gemeinsamen Deutschland, daß sie sich nicht
als Menschen zweiter Klasse fühlen, denen noch einmal die Beine weggehauen
werden. Auch solche Erfahrungen haben wir gehört.
Es ist oft auch eine finanzielle Frage, aber nicht nur. Es ist eine Frage
der Anerkennung, es ist auch eine Frage gezielter Förderung. – Über die
Reflexion, was dies alles bedeutet, soll das nächste Gespräch geführt werden,
das Podiumsgespräch unter Leitung von Martin-Michael Passauer. Wir wollen
damit erst in fünf Minuten beginnen, damit man sich zuvor etwas die Beine
vertreten kann. Jetzt ist es 16.45 Uhr, wir beginnen neu um 16.50 Uhr.
Herzlichen Dank allen, die hier geredet haben.
(Unterbrechung von 16.45 bis 17.01 Uhr)
Gesprächsleiter Martin-Michael Passauer: Meine Damen und Herren, damit
wir nicht noch weiter Zeit verlieren, und Zeit ist ja auch heute ganz besonders
kostbar, wage ich es jetzt, den letzten Teil der öffentlichen Anhörung am
heutigen Tage zu eröffnen.
Die Enquete-Kommission – so hat es vorhin der Vorsitzende schon gesagt –
wird heute abend noch nach Hohenschönhausen fahren. Wir sind dort auch zu
einer bestimmten Zeit angemeldet und wollten eigentlich um 18.30 Uhr von
hier abfahren. Das hieße also, wir hätten jetzt knapp anderthalb Stunden Zeit.
Da auch hier wieder Menschen sitzen, die sich auf diese Anhörung präzise
vorbereitet haben, wäre es gut, wenn wir die Zeit inhaltlich ausschöpfen.
Ich sage nur etwas zur Struktur der Anhörung heute. Wir hatten zu dem
großen Thema „Die SED-Diktatur – politische, geistige und psychosoziale
Unterdrückungsmechanismen“ oder auch „Erfahrungen im Alltag“ mit zwei
theoretischen Vorträgen begonnen, das heißt mit Vorträgen, die sich mit
inhaltlichen Fragen beschäftigt haben. Danach kamen in einem weiteren Schritt
die öffentliche Anhörung und der Bericht von Erlebniszeugen. Etliche haben
gesagt, die Zeit des Gesprächs, die Zeit der öffentlichen Anhörung über dieses
Podium hinaus war zu kurz. Wir wollten uns gerne, so sagten manche, auch
noch melden; das war nicht möglich.
Es ist so, daß wir jetzt in einem dritten Schritt ein Podiumsgespräch – so ist
es jedenfalls vorgesehen – hier mit Einbeziehung des Plenums durchführen
wollen. Wir fünf, die wir hier vorne sitzen, haben uns so geeinigt, daß wir
selber zunächst versuchen, kurz darzustellen, wo wir herkommen – ich sage
gleich noch etwas dazu –, und dann aber schon das Plenum darauf reagieren
kann, so daß wir dem Gespräch mit dem Plenum noch einen größeren Raum
einräumen, als es bisher der Fall gewesen ist. Aber auch bei den einzelnen
Gesprächsbeiträgen im Plenum würde ich Sie sehr herzlich bitten, sich kurz
zu fassen, so daß wir möglichst viele anhören können.
Wir haben bei der Konzeption dieses dritten Teils darauf geachtet, daß jetzt
hier nicht wieder Theoretikerinnen oder Theoretiker sitzen, die sich sehr
intensiv mit den Dingen beschäftigt haben, sondern Menschen wie Sie und
ich, Menschen, die mit ausgesprochenem Herzklopfen hier vorn sitzen, weil
sie von dem erzählen wollen, was in ihnen ist, was sie bewegt, die aber auch
des öffentlichen Redens bisher so nicht kundig sind. Das macht das Gespräch
aus. Es reden also nicht Fachleute, sondern es reden hier vier Menschen, die
wir ausgewählt haben, von ihren eigenen Erfahrungen. Es könnten theoretisch
viele von Ihnen, die heute hier anwesend sind, genauso hier vorn sitzen.
Wir haben uns so geeinigt, daß jede und jeder dann kurz etwas zu seiner
eigenen Biographie sagt, so daß ich sie jetzt nicht näher vorzustellen brauche. –
Es hat sich freundlicherweise Frau Edeltraut Pohl zur Verfügung gestellt. Sie
sitzt rechts von mir. Weiter haben sich zur Verfügung gestellt Frau Jutta
Seidel – sie sitzt links von mir –, Herr Professor Dr. Herbert Wolf – er
sitzt von mir aus links außen – und Herr Michael Beleites – von mir aus
rechts außen. Ich bin Martin-Michael Passauer, Diskussionsleiter, und ein
Sachverständiger dieser Enquete-Kommission, der sich besonders mit dem
Thema Kirchenfragen beschäftigt. Ich bin Pfarrer und Superintendent hier in
Berlin Mitte und Prenzlauer Berg.
Daß sie etwas Biographisches zu sich sagen, daß heißt also ganz kurz erzählen,
wer sie sind und wo und wie sie in der DDR gelebt haben. Nach dieser
ersten kurzen Anhörung, nach dem ersten kurzen Durchlauf wollen wir dann
in einem zweiten Gang jeden bitten, daß er an ein oder zwei Stellen aus
seinem Leben Geschichte erzählt, wo Eingriffe in sein persönliches Leben
passiert sind und wie sie passiert sind, damit wir dann dieses Gespräch auch
unter der Fragestellung, die wir vorhin schon miteinander angedacht haben,
führen können: Haben diese Eingriffe eigentlich aufgehört? Wie wirken sie?
Wirken sie noch? Wirken sie in anderer Form weiter? – Diese Fragen wollen
wir dann weiter auch hier in dem Gespräch ventilieren.
Edeltraut Pohl: Ich bin 1942 geboren, habe drei Kinder, bin verheiratet. Ich
habe eigentlich einen technischen Beruf. Ich komme aus der Projektierung des
Meliorationswesens, und ich habe jahrelang, als meine Kinder klein waren,
zu Hause auf Honorarbasis gearbeitet. Ich wurde dann einmal von einer
Bekannten gefragt, ob ich nicht Lust habe, bei ihnen in der Schule anzufangen.
Sie brauchten da unbedingt dringend jemand.
Ich habe mir das angesehen und gesagt: Nein, das kann ich nicht. Dieser
Schulablauf ist nichts für mich. – Nach einem Jahr habe ich dann doch
dort angefangen, ich habe dort im Büro gearbeitet und die kleineren Kinder