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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 348 und 349
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Protokoll der 22. Sitzung

wurde. Sie können selbstverständlich an mich Fragen stellen, die ich aus
meiner Praxis heraus beantworten kann. Dankeschön.

Gesprächsleiter Dirk Hans (F.D.P.): Ja. Vielen Dank, Herr Graumann. Dann
möchte ich gern Herrn Prof. Karlheinz Blaschke aus Friedewald, Historiker,
bitten.

Prof. Dr. Karlheinz Blaschke: Meine Damen und Herren, ich möchte gern
zunächst einige Dinge über meinen biographischen Hintergrund sagen. Ich
bin 1946 als Student in Leipzig in die CDU eingetreten. Das war damals eine
großartige Sache, in eine Partei, die mit dem Werbetext für Freiheit, Recht
und Menschenwürde auftrat, einzutreten. Ich bin 1956 wieder ausgetreten,
als der Parteivorsitzende Otto Nuschke sich in einer empörenden Weise
über den ungarischen Volksaufstand geäußert hatte. Und ich bin 1990 dann
in Dresden wieder eingetreten. Zwischendurch habe ich im Staatsarchiv
Dresden Dienst getan: Ich war dort zwölf Jahre Gewerkschaftsfunktionär
und acht Jahre Betriebsgewerkschaftsleitungs-Vorsitzender. Ich kann mir also
auch ein Urteil erlauben über das, was Gewerkschaft an der Basis in der
DDR gewesen ist. Ich habe auch diese Funktion 1956 niedergelegt, weil
ich sie nicht mehr so ausführen konnte, wie ich sie verstand. Ich bin 1968
wegen der ideologischen Belastungen aus dem staatlichen Dienst ausgetreten
und bin dann als Dozent an der kirchlichen Hochschule in den kirchlichen
Dienst gegangen. Ich habe also ein Viertel Jahrhundert meines Lebens ohne
irgendwelche Chancen im staatlichen Hochschuldienst verbracht. Ich bin
von der SED-Geschichtswissenschaft als bürgerlicher Historiker boykottiert
worden und dann beim Neuaufbau des Freistaates Sachsen 1991 als Leiter des
sächsischen Archivwesens eingetreten in das Innenministerium und nunmehr
mit 65 Jahren auf den Lehrstuhl für sächsische Landesgeschichte an der
Technischen Universität Dresden gelangt. Ich glaube, dieser Hintergrund ist
nicht ganz unwichtig für das, was ich nun sagen möchte.

Ich habe Ihnen das in Form eines Thesenpapiers (Anlage 2) in aller Knappheit
dargelegt, was ich jetzt nicht einfach vorlesen möchte, zu dem ich nur einige
Erläuterungen geben möchte, zumal vieles von dem, was ich zu sagen hatte,
heute bereits gesagt worden ist. Vor allen Dingen muß ich bemerken, daß ich
die beiden ersten Referate nur mit voller Zustimmung zur Kenntnis nehmen
konnte. Dort ist von einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema
genau das gesagt, was ich auch von meinem direkten Erleben her zu sagen
gehabt hätte.

Zum ersten Punkt ist genügend gesagt worden, z. B. daß die Anfänge der
bürgerlichen Parteien mit großen Hoffnungen begleitet gewesen sind, daß sie
getragen waren von der Begeisterung vieler Menschen, die nach zwölf
Jahren Diktatur wieder Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einführen wollen –
man muß davon ausgehen, daß dieser Impetus des Anfangs ja nicht sofort
verloren gegangen ist, sondern daß er in diesen Parteien weiterhin lebendig

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Blockparteien und Massenorganisationen

geblieben ist – wenn auch unter der Asche – und daß am Anfang auch
die sowjetische Militäradministration ein Interesse daran gehabt hat, diesen
Pluralismus darzustellen.

Das zweite hängt zusammen mit der Verschlechterung der weltpolitischen
Lage auf der einen Seite und dem zunehmenden Machtgewinn der deutschen
Kommunisten. Wir hatten in vielfacher Hinsicht, auch etwa vom Standpunkt
der Kirche aus, die Feststellung zu machen, daß die Russen viel zugänglicher
gewesen sind und viel humaner waren als die deutschen Kommunisten, die
dann an die Macht gekommen sind, etwa auch in Fragen der Kirchenpolitik.
Ich habe es selber erlebt, mit welchen gemeinen Methoden die politischen
Köpfe der damaligen Blockparteien, etwa die Minister in den Landesregie-
rungen, in der Öffentlichkeit diffamiert worden sind, mit welchen Mitteln sie
durch die Zeitungen geschmiert worden sind, so daß ihnen dann nichts anderes
übrig blieb, als nach dem Westen zu gehen, wenn sie nicht vorher verhaftet
worden sind. Diese Kampagnen gehören auch zum Erleben der Blockparteien.
Sie haben einen Widerstand geleistet gegen die „Gleichschaltung“. Ich benutze
bewußt das Wort „Gleichschaltung“, das ja eigentlich aus dem Jahre 1933
kommt.

Und so käme ich zum dritten Punkt, wo noch einmal zu unterstreichen
ist, daß wir sehr unterscheiden müssen zwischen den Parteileitungen und
dem Parteivolk. Es war eine Wirkung dieses massiven Druckes auf die
Parteiführungen, daß die Parteien als Institutionen, als Organisationen letzten
Endes gleichgeschaltet worden sind, daß sie auf ein eigenes Programm
verzichten, mit dem sie ja ursprünglich angetreten sind, das sich aber nicht
mehr durchhalten ließ, weil die SED ständig auch die gesamte Personalpolitik
dieser Parteien kontrollierte. Jeder Abgeordnete, der aus einer dieser Parteien
in ein Kreis-, Gemeinde- oder Bezirksparlament eintreten sollte, wurde
überprüft, und es gab Zurückweisungen durch die SED, wenn der Betreffende
ihr nicht gefiel. Zu Herrn Poppe muß ich sagen, daß die Zeitungen, abgesehen
von den beiden ersten Seiten – die waren immer gleichgeschaltet –, sehr wohl
versucht haben, eine eigene Linie durchzuhalten. Und ich kann Ihnen nur mit
größter Anerkennung das Beispiel der Dresdner Tageszeitung „Die Union“
sagen, die bis in die Wende hinein ihre eigenständige Linie gehalten hat, so
daß etwa der Chefredakteur 1988 gemaßregelt und nach Berlin versetzt worden
ist, weil er der SED nicht mehr gefallen hat. Was man in diesen Zeitungen,
abgesehen von der politischen Information, die war natürlich gleichgeschaltet,
lesen konnte über Kultur, Film, Theater und Literatur, das war einfach eine
ganz wichtige Information für die eigene Standortbestimmung und für die
Weiterentwicklung. In dieser Hinsicht sehe ich eine ganz wichtige Funktion
der Tagespresse dieser Parteien, die ständig einer Kontrolle durch die örtlichen
Organe der SED ausgesetzt waren.

Und nun zum vierten Punkt: die Spaltung, die Querspaltung zwischen