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SED-Herrschaft führten. In der Asche der DDR-Verhältnisse war eine Glut
erhalten geblieben, die zum geeigneten Zeitpunkt wieder aufflackern konnte.
Aufflackern: es war kein Auflodern, es war ein Aufflackern. Aber gegenüber
der spontanen Bewegung aus dem Volk haben diese Kräfte keine entschei-
dende Rolle gespielt.
Als Historiker stelle ich mir manchmal die an sich sinnlose Frage: Was wäre
geworden, wenn ...? Was wäre geworden, wenn sich die bürgerlichen Parteien
bis zur Konfrontation den Gleichschaltungsversuchen der SED widersetzt
hätten? Man kann die Frage stellen; man kann sie nicht glaubwürdig oder
definitiv beantworten. Aber von dieser Frage ausgehend kann man die Alter-
nativen überlegen, die es gegenüber der Anpassung und der Gleichschaltung
gegeben hätte, wenn man es auf die totale Konfrontation hätte ankommen
lassen. Und da muß man sich fragen, ob es nicht doch besser gewesen
wäre, daß diese Parteien so, wie sie nun einmal waren und sein mußten,
existierten, weil dadurch doch manches bewirkt werden konnte, was unter
anderen Bedingungen nicht hätte bewirkt werden können. Das, was vorhin
Herr Graumann sagte, kann ich nur unterstützen. Wir können die Existenz der
Blockparteien nicht vom Standpunkt von 1989 oder 1992 beurteilen, sondern
wir müssen uns hineinbegeben in die Vorgänge selber und uns fragen, welche
Möglichkeiten, welche Chancen, welche Alternativen gab es damals? Eine
vergangene Zeit kann man nur aus sich selbst heraus verstehen, und darum
geht es mir.
Gesprächsleiter Dirk Hansen (F.D.P.): Vielen Dank an Herrn Professor
Blaschke, der seine Ausführungen gewissermaßen mit Ranke beendet hat. Wir
gehen aber doch übergangslos zu seinem Nachbarn, Herrn Fritz Gerber aus
Bautzen, über, der Geschäftsführer eines CDUD-Bezirksvorstandes gewesen
ist. Vielleicht sagen auch Sie, ich fand das sehr erhellend, ein paar biogra-
phische Daten zusätzlich. Dann kann man das, was Sie anschließend sagen,
sicherlich noch besser verstehen. Sie haben das Wort.
Fritz Gerber: Meine Damen und Herren. Als erstes eine Korrektur: Ich
war nicht Vorsitzender eines Bezirksverbandes, sondern Geschäftsführer
eines Kreisverbandes. Ich habe zu dieser Teilnahme verhältnismäßig schnell
gegenüber meinen sonstigen Gepflogenheiten zugesagt und habe mir bei der
Beschäftigung mit dem Thema immer mehr die Frage vorgelegt: Hast du
richtig gehandelt? Das „Ja“ erfolgte auch unter dem Gesichtspunkt, daß ich
die Herrnhuter Losung zur Hand nahm, um zu sehen, was sie denn für den 11.
dieses Monats sagt. Die Pfarrer werden es wissen. Und das hat mir doch dann
den Mut gegeben: „Liebet eure Feinde!“, ohne daß ich jetzt sagen will, solche
sehe ich hier im Raum. Aber auch das zum persönlichen Werdegang. Mich
begleiten einige Jahrzehnte die Herrnhuter Losungen, und ich bin wohl nie
an einem Morgen aus dem Hause gegangen, ohne darin gelesen zu haben.
Und ich habe 41 Jahre diese Tätigkeit als Kreisgeschäftsführer ausgeübt.
Sie könnten mich also fragen, wie hat er sich denn verhalten, um die 41
Jahre über die Runden zu bringen? Es gibt von mir aus keine Möglichkeit,
Stellen für eine Auszeichnung vorzuschlagen. Gäbe es das, würde ich den
Deutschlandfunk für eine solche Auszeichnung vorschlagen, denn er wurde
im „Tal der Ahnungslosen“, aus dem ich ja komme – ZDF und ARD
gab es nicht im Raum Dresden –, nicht nur bei mir, sondern weithin zur
begleitenden Einrichtung, die einem für manchen Tag Kraft gab, wenn ich
an die Worte zum Tage früh denke. Wenn der Deutschlandfunk Debatten des
Bundestages übertrug, die mir sehr interessant erschienen, mußte meine Frau
stenographieren, damit ich deren Inhalt auch in unsere Ortsgruppen tragen
konnte. Ich bin 1946 im Juni das erste Mal Mitglied der CDU geworden.
Fünf Wochen später erfolgte eine Arbeitsverpflichtung. Das war die Reaktion
des Bürgermeisters auf meinen Eintritt in die CDU. Ich hatte damals meinen
Pfarrer für diesen Eintritt gewonnen. Ich komme aus einem christlich-sozial
denkenden Elternhaus und neigte lange Zeit eigentlich näher der SPD zu als
der CDU. Aber der CDU bin ich dankbar, daß sie all die zurückliegenden
Jahre das „C“ in unserem Lande aufrechterhalten hat und immer wieder für
die Menschen den Anstoß gegeben hat, darüber nachzudenken. Ich war 19
Jahre alt, als mir mein Pfarrer verständlich machte, daß ich jetzt und in
Zukunft kein Laubfroschpolitiker sein dürfe. Damit war gemeint, daß ich nicht
erst in die politische Arbeit einsteigen sollte, wenn die Sonne am Horizont
hochgegangen ist; dann steigt ja bekanntlich der Laubfrosch auf die Leiter,
und man sagt: „Er kündigt schönes Wetter an!“ Vorher konnte er auch nicht
wissen, wie die Dinge liegen. Aber gerade dieser Gedankengang, niemals
Laubfroschpolitiker zu sein, hat mich also aushalten lassen. Nicht nur bis
in die letzten Tage, sondern er hat mir Grundlage dafür gegeben, die Dinge
immer wieder neu zu bedenken und zu durchdenken, um meiner Aufgabe auch
gerecht zu werden. Denn ich habe es sehr ernst genommen, daß die CDU
die Aufgabe erhielt, sich besonders der christlich orientierten Bevölkerung
zuzuwenden. Ich habe das von Anfang an so gehalten: Wer das „C“ aus
dem Namen unserer Partei streicht, der sollte sich die verbleibenden beiden
Buchstaben DU nicht als „Demokratische Union“ übersetzen, sondern als
„dienstuntauglich“. Und ich bin von dieser Seite aus recht gut gefahren. Wie
gesagt, ich habe 1950 die Funktion als Kreissekretär übernommen. 1952/53 –
das soll jetzt kein Lob sein – war es der Kreis Niesky, der als einziger im
Lande Sachsen die Resolution gegen die „verbrecherische Terrororganisation
’Junge Gemeinde’“ nicht unterschrieben hat. Es kam der 17. Juni dazwischen.
Ich weiß nicht, wie lange ich es durchgestanden hätte, diese Unterschrift,
die jedesmal neu im Kreise der Nationalen Front und des Blockes vorlag,
zu verweigern. Aber ich habe auch immer deutlich gemacht, vor allen
Dingen gegenüber meinem Arbeitgeber, daß ich versuche, meine Aufgabe
als Berufung des „C’s“ auszuführen. Und wenn ich glaube, damit eines Tages
nicht mehr hinzukommen, dann also jederzeit bereit sei, zurückzugehen an