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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 18 und 19
18
Protokoll der 37. Sitzung

Juristische Staatsexamen, das sog. Assessorexamen, sollte feststellen, „ob der
Gerichtsreferendar in gesellschaftlicher und fachlicher Hinsicht in der Lage
ist, eine verantwortungsvolle Funktion zu versehen“. Es bestand nur noch aus
einer Klausurarbeit, die beispielsweise den Titel hatte „Die Lehren aus dem
Slansky-Prozeß“, und einem anschließenden Gespräch von Justizfunktionären
mit dem Prüfling über politische Fragen. Am 31.3.1953 wurde das Asses-
sorexamen ganz abgeschafft und die Referendarzeit durch eine viermonatige
Praktikantenzeit ersetzt.

Aber die politische Führung begnügte sich nicht mit einer Reform des
Jurastudiums. Bereits 1945 wurden in Schnellkursen von sechs Monaten
sog. „Volksrichter“ ausgebildet, wenn der Ausdruck „Ausbildung“ für diese
Schnellkurse überhaupt verwendet werden kann. Es ging darum, die übernom-
mene Richterschaft schnellstens mit linientreuen Justizfunktionären zu durch-
setzen, die gleichzeitig eine Überwachungsfunktion übernehmen konnten. Die
Volksrichterlehrgänge wurden 1946 auf acht Monate und 1947 auf ein Jahr
verlängert; seit 1952 dauerten sie immerhin zwei Jahre. Die SMAD bestimmte,
daß hierfür „bewährte Antifaschisten“ mit abgeschlossener Volksschulbildung
zugelassen werden sollten; jeder Bewerber mußte eine Befürwortung einer der
antifaschistischen Parteien beibringen. Seit 1948 erfolgte die Auswahl jedoch
allein unter dem Gesichtspunkt der sozialen Herkunft und des Parteibuchs;
Abiturienten und Bewerber mit mittlerer Reife wurden zurückgewiesen. Schon
Ende 1949 waren von damals 1.022 Richtern 427, d. h. 47 %, Volksrichter.
1952 stieg der Prozentsatz auf 73, 1953 auf 92 %.

1954 war einerseits die Besetzung der Justiz mit „Volksrichtern“ und „Volks-
staatsanwälten“ fast vollständig erreicht; andererseits war die akademische
Ausbildung erfolgreich auf eine Ausbildung im Sinne der politischen Ziele der
Machthaber umgestellt. Die Volksrichterlehrgänge wurden daher eingestellt;
die „Volkrichter“ mußten an der „Deutschen Akademie für Staats- und Rechts-
wissenschaften ’Walter Ulbricht’“ das Juristische Staatsexamen nachholen.

Nach der berüchtigten „Babelsberger Konferenz“ von 1958 wurde das Jura-
studium erheblich umgewandelt. In der Einleitung zu dem neuen Studienplan
von 1959 heißt es:

„Die Juristischen Fakultäten haben Staatsfunktionäre auszubilden, die der
Arbeiterklasse treu ergeben und fähig sind, die Ziele und Aufgaben der
Arbeiter- und Bauernmacht auf höchstem wissenschaftlichem Niveau zu
verwirklichen. Deshalb ist es erforderlich, alle Gebiete der Staats- und
Rechtswissenschaft mit dem dialektischen und historischen Materialismus
zu durchdringen und den Studenten die Gesetzmäßigkeit des Übergangs
vom Kapitalismus zum Sozialismus in allen Ländern als den Hauptinhalt
unserer Epoche zu vermitteln. Die Studenten müssen die Juristischen Fakul-
täten als begeisterte und befähigte Kämpfer für die Sache der Arbeiterklasse
und ihrer Verbündeten verlassen und bereit sein, ihre Kräfte vorbehaltlos

19
Umwandlung der Justiz in den Anfangsjahren

für die erste deutsche Arbeiter- und Bauernmacht einzusetzen. Die Ausbil-
dung muß die Studenten vor allem in die Lage versetzen, verantwortliche
Aufgaben in den Staatsorganen als den Hauptwaffen im Kampf um die
Sicherung des Friedens und den Sieg des Sozialismus in der Deutschen
Demokratischen Republik erfolgreich durchführen zu können. Auf den
Gebieten der rechtswissenschaftlichen Ausbildung gilt es, die Staatsfrage in
den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen, um damit die bewußte sozialistische
Umgestaltung aller gesellschaftlichen Verhältnisse vorantreiben zu helfen.
Entsprechend den künftigen Schwerpunkten ihres Einsatzes als Justiz- und
Wirtschaftsfunktionäre in Schlüsselstellungen des gesellschaftlichen Le-
bens müssen die Studenten befähigt werden, die wissenschaftlichen Lehren
des Marxismus-Leninismus in ihrem Tätigkeitsbereich schöpferisch anzu-
wenden, die Reinheit der marxistisch-leninistischen Theorie zu wahren,
unduldsam gegen bürgerliche Ideologien zu kämpfen, Erscheinungen des
Revisionismus zu entlarven, bürgerliche und kleinbürgerliche Auffassungen
zu überwinden . . .“.

Alle Studenten wurden in „Studentenkollektive“ und Studiengruppen einge-
teilt. Dazu hieß es:

„Unter Studentenkollektiv verstehen wir eine Seminargruppe, die darum
ringt, eine sozialistische Gemeinschaft zu werden, während sich in den
Studiengruppen 4–6 Studenten zusammenschließen, hauptsächlich um ihr
wissenschaftliches Niveau zu erhöhen“.

Die Bildung der Studentenkollektive und Studiengruppen erfolgte „durch die
FDJ unter Führung der Partei“.

„Von besonderer Bedeutung für die Erziehungsarbeit ist die regelmäßige
Einschätzung des politisch-ideologischen Entwicklungsstandes jedes ein-
zelnen Genossen . . . Die Seminargruppen gehen jetzt dazu über, die ein-
zelnen Studenten schon im Verlauf des Semesters einzuschätzen . . . Jeder
Seminarlehrer müßte sich ein genaues Bild verschaffen über die gesamte
politisch-ideologische Grundhaltung des Studenten, um eine Einschätzung
geben zu können, die über die bloße Beurteilung einer fachlichen Leistung
hinausgeht“.

Die weitere Entwicklung der Rechtsauffassung in der DDR und ihrer
Durchsetzung gehört nicht mehr zum Thema dieses Beitrags. Hier ging es um
die Darstellung der Übernahme der sozialistischen Rechtsauffassung in ihrer
stalinschen Ausprägung in der sowjetischen Besatzungszone und anschließend
der DDR. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Wir setzen unser Vortragsprogramm fort.
Ich bitte jetzt Herrn Prof. Dr. Alexy aus Kiel ums Wort und zwar geht es um
„Walter Ulbrichts Rechtsbegriff“. Bitte!

Prof. Dr. Robert Alexy: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Im