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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 28 und 29
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Protokoll der 37. Sitzung

Rechtsbegriff als Variante eines nichtpositivistischen Positivismus einzustufen.
Vielen Dank.

(Beifall).

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Prof. Alexy. Wir
setzen in unserer Reihe fort und hören jetzt Frau Dr. Wilfriede Otto aus Berlin
zur „Entnazifizierung der Justiz in der SBZ“. Bitte, Frau Dr. Otto!

Dr. Wilfriede Otto: Sehr geehrte Damen und Herren. Zu dem wichtigen
Thema „Entnazifizierung in der Justiz der SBZ/DDR“ liegen bereits ei-
nige wesentliche publizierte Untersuchungsergebnisse vor. Als Historiker,
der Mitverantwortung für Vergangenes bekennt und vor allem seit 1989
versucht, Probleme zur DDR-Geschichte, Kontinuitäten und Diskontinuitäten
sowie Strukturelemente sachlich-kritisch zu hinterfragen, wurde ich insbe-
sondere bei meinen Forschungen über die „Waldheim-Prozesse“ auch mit
der Problematik der Entnazifizierung konfrontiert. Einschätzungen der DDR-
Geschichtsschreibung, daß die Entnazifizierung gerade auf justitiellem Gebiet
mit aller Konsequenz erfolgte, habe ich mitgetragen. Meines Erachtens hat
diese Bewertung nach wie vor Bestand. Doch die analytische Auswertung
umfänglicher Archivmaterialien und anderer Quellen führte auch zu der Er-
kenntnis, sich einer Problematisierung zu stellen. So scheint es mir nötig,
z. B. den Begriff „Entnazifizieren“ konkreter auszuleuchten, die Zäsur für den
Abschluß der Entnazifizierung in der SBZ 1948 zu überprüfen, Defizite dieses
politischen und strafrechtlichen Reinigungsprozesses zu benennen.

Bei der knapp bemessenen Zeit meines Vortrages ist es nicht möglich, alle
interessierenden Fragen befriedigend zu beantworten. Dafür ersuche ich um
Verständnis. Ich möchte vier Aspekte herausgreifen, weil sie Generelles
reflektieren werden:

  • Forderungen der Alliierten zur Entnazifizierung der Justiz
  • Inhalt und Rolle der wichtigsten SMAD-Befehle zur Entnazifizierung der
    Justiz
  • realer Verlauf und Hauptergebnisse der Entnazifizierung bis 1947/1948
  • verschärfte Entnazifizierung – machtpolitische Kalküle – ambivalente
    deutsche Handlungsspielräume.

Es ist bekannt, daß sich die Vertreter der alliierten Siegermächte bereits vor der
bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches darüber einig gewesen
waren, „alle nationalsozialistischen und militärischen Einflüsse aus den
öffentlichen Dienststellen sowie dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben
des deutschen Volkes auszuschalten“. Außer allgemeinen Deklarationen,
Direktiven und Gesetzen zur Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens
erließ der Alliierte Kontrollrat in den Jahren 1945/1946 zugleich spezielle
Anweisungen zur Entnazifizierung der Justiz.

Das Gesetz Nr. 1 des Alliierten Kontrollrates vom 20. September 1945 be-

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Umwandlung der Justiz in den Anfangsjahren

stimmte die Aufhebung von Nazigesetzen. Insgesamt 25 Gesetze, Verordnun-
gen und Erlasse politischer Natur aus der Nazizeit wurden aufgehoben und
ihre Anwendung einschließlich Ausführungsbestimmungen unter Androhung
strafrechtlicher Verfolgung verboten. Die Proklamation Nr. 3 des Alliierten
Kontrollrates vom 20. Oktober 1945 verkündete Grundsätze für die Umge-
staltung der Rechtspflege. Sie forderte eine Rechtspflege, die sich auf die
Errungenschaften der Demokratie, Zivilisation und Gerechtigkeit gründete. Zu
diesen Grundsätzen zählten: die Gleichheit aller Bürger ohne Unterschied vor
dem Gesetz, die Gewährleistung der Rechte des Angeklagten, die Abschaffung
der Hitlerschen Ausnahme- und Sondergerichte und die Unabhängigkeit des
Richters. Das Gesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 sah die Umgestaltung des
deutschen Gerichtswesens vor. Es verlangte die Wiederherstellung der Gliede-
rung und Verantwortung der deutschen Gerichte in Übereinstimmung mit dem
Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 in der Fassung vom 22. März
1924. Es legte jene Strafsachen fest, für die nicht die deutschen Gerichte,
sondern die Alliierten verantwortlich zeichneten, und es verfügte im Artikel
IV: „Zwecks Durchführung der Umgestaltung des deutschen Gerichtswesen
müssen alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätig-
keit eingesetzt haben, und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des
Hitlerregimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter und Staatsanwälte
enthoben werden und dürfen nicht zu solchen Ämtern zugelassen werden“.
Umfassende und allgemein formulierte Kategorien beinhaltete das Gesetz
Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates vom 20. Dezember 1945.

Gravierende Wirkungen zeigte die Direktive Nr. 24 des Alliierten Kontrollra-
tes vom 12. Januar 1956, die Detailliertes fixierte. Sie ging von dem Ziel
aus, alle Mitglieder der NSDAP, die ihr aktiv angehört hatten, und alle
diejenigen Personen, die den Bestrebungen der Alliierten feindlich gegen-
überstanden, aus öffentlichen und halböffentlichen Ämtern und aus verant-
wortlichen Stellungen in bedeutenden privaten Unternehmen zu entfernen.
Sie sollten durch solche Personen ersetzt werden, „die nach ihrer politischen
und moralischen Einstellung für fähig erachtet (wurden), die Entwicklung
wahrer demokratischer Einrichtungen in Deutschland zu fördern“. Den Begriff
„Entfernung“ definierte die Direktive als sofortige und unbedingte Entlas-
sung der betreffenden Person. Ausführlich wurden die Ausschlußkategorien
benannt, insgesamt 99, darunter 3 Hauptkategorien mit 35 Unterkategorien
für den Justizbereich. Der Stellenbereich für die Justiz umfaßte: Amtsträger
des NS-Rechtswahrerbundes (NSRB); gehobene Funktionen an der Akademie
für deutsches Recht (Präsident, Vizepräsident, Direktoren); alle Richter, Büro-
direktoren, Oberreichsanwälte und Staatsanwälte des Volksgerichtshofes; alle
Vorsitzenden, ständigen Richter und Staatsanwälte der Sondergerichte; alle
Richter, Staatsanwälte und Amtsträger der Partei-, SA- und SS-Gerichte; alle
vorsitzführenden Richter und Staatsanwälte der Standgerichte. Ein weiterer