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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 90 und 91
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Protokoll der 39. Sitzung

Babelsberger Konferenz, zu den differenzierenden Auswirkungen auf die
Rechtswissenschaftler selbst. In vielem bin ich mit Herrn Eckert einer
Meinung. Aber man kann auch diese Situation, in der wir uns damals
befunden haben als Rechtswissenschaftler in der DDR, nicht ganz mit heutigen
Maßstäben vergleichen. Man muß sie auch an heutigen Maßstäben messen,
aber man muß natürlich ebenfalls die Situation begreifen, in der man damals
gestanden hat. Und es ist ja gar nicht so einfach gewesen, es bedurfte schon
eines gewissen Mutes, nach der Babelsberger Konferenz irgendetwas, wenn
auch nur in versteckter Form, in einem Artikel unterzubringen.

Ich hatte hier und da auch manchmal den Versuch gemacht, eine Botschaft zu
übermitteln. Das hat nichts mit Widerstand zu tun. Das hat auch nichts mit
einer Fundamentalkritik zu tun. Aber es ist doch für mich – und da bleibe
ich bei meiner Meinung – damals der Versuch gewesen, daran mitzuwirken,
eine DDR zu schaffen, die eine ganz andere ist. Eine DDR, die anknüpft an
bestimmte humanistische Werte und diese verwirklicht und für Ziele eintritt,
die eben für die Menschen verständlich und vernünftig gewesen wären.

Aus der heutigen Sicht ist es natürlich leicht, so zu tun, Herr Eckert hat das
in seinem Referat nicht getan, als sei alles ein Konformismus gewesen. Nein,
es gab auch nach der Babelsberger Konferenz Auseinandersetzungen, Rich-
tungskämpfe. Sie waren ihrer wissenschaftlichen und politischen Natur nach
aber systemimmanent, nicht systemüberwindend. Vielen Dank. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Prof. Mollnau. Ich
bitte jetzt Herrn Prof. Dr. Soell, das Wort zu nehmen.

Abg. Prof.Dr. Soell (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen. Ich möchte aus der Sicht eines Historikers Be-
merkungen zu den Rahmenbedingungen der Babelsberger Konferenz machen.
Um eine Frage von Herrn Eckert aufzugreifen, wie labil bzw. wie stabil war
das Außen, das Deutschland und das DDR-interne Umfeld?

Ich resümiere nur ganz kurz die außenpolitischen Rahmenbedingungen, weil
sie mir hier allgemein bekannt erscheinen. Die Tatsache, daß die DDR seit
Mitte der 50er Jahre zumindest nach außen hin durch den Vertrag vom
September 1955 souverän war, daß sie integriert war im Warschauer Pakt,
der im Herbst 1955 gegründet worden ist. Auch ihre Streitkräfte sind dort
integriert worden. Ich erwähne das auch deshalb, weil angesichts bestimmter
militarisierender Aspekte ihrer Ideologie natürlich auch der waffentechnische
Fortschritt auf Seiten der Sowjetunion nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Seit der Entwicklung der Wasserstoffbombe im Sommer 1953 und der
ersten Raketendrohung, die die Sowjetunion im Herbst 1956 während des
Suez-Abenteuers gegen Frankreich und England ausgesprochen hat, hat die
Sowjetunion weitere technologische Fortschritte gemacht. Sie hat im Herbst
1957 zum ersten Mal einen Satelliten in den Weltraum geschickt und schien
ab da dem Westen technologisch einige Schritte in diesem Bereich voraus

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Die Babelsberger Konferenz

zu sein. Daraus hat sich natürlich der Versuch entwickelt, politisches Kapital
zu schlagen. Das blieb sicher nicht ohne Rückwirkung auf die psychische
Gesamtverfassung des „sozialistischen Lagers“ und seine Führung. Das zu den
stabileren Elementen dieses Umfeldes, soweit es sich um die internationalen
Beziehungen handelt.

Was die mehr labilen Elemente angeht, muß man noch einmal zurückgreifen
auf die Wirkung der Chruschtschow-Rede auf dem XX. Parteitag der
KPdSU im Februar 1956 und auf diese damals beginnende erste Phase
der Entstalinisierung. Hier hat es in der DDR zunächst mehr eine formale
Distanzierung vom Personenkult und von den terroristischen Methoden Stalins
gegeben, nicht von Stalins Ideologie und Politik.

Auf der dritten Parteikonferenz der SED im März 1956 hat Schirdewan,
damals noch zweiter Mann hinter Ulbricht, die bisherigen Anschauungen
bei der Würdigung Stalins einer Revision unterzogen, allerdings nur in
der Überschrift, nicht im Detail, hat aber gleichzeitig gesagt, die Rolle
der „kampferprobten Führer“ dürfe nicht attackiert werden. Dadurch hat
er die Kritik, die natürlich auch an Ulbricht laut geworden war, versucht
zurückzudrängen.

Im Sommer 1956 hat es dann, insbesondere bei der Intelligenz, die Forderung
nach freimütiger Diskussion gegeben. Das wurde dann auch bei der Sitzung
des Zentralkomitees deutlich. Es hat u. a. die Forderung gegeben, die Einmi-
schung des SED-Apparates in wissenschaftliche Fragen künftig zu verhindern
und den Marxismus von stalinistischen Verfälschungen zu reinigen. Gleich-
zeitig wurden innerparteiliche Gegner Ulbrichts, wie Dahlem, Ackermann,
Jendretzky, Elli Schmidt, rehabilitiert. Max Fechner, der frühere Justizminister,
dem ja vorgeworfen worden war, konterrevolutionäre Bestrebungen unterstützt
zu haben, insbesondere die Sozialdemokratisierung des Rechts, wurde wieder
freigelassen. Ebenso Paul Merker.

Zum ersten Mal sind in diesem Sommer 1956 auch Probleme der Rechts-
sicherheit in größerem Umfang thematisiert worden. Die SED gestand ein,
daß zahlreiche Urteile in der Vergangenheit im Strafmaß zu hoch gewesen
seien, Verhaftungen oft übereilt erfolgt seien. Rechte der Verteidiger sollten
künftig erweitert werden, Staatsorgane überprüften zahlreiche Urteile. Im Juni
1956 sind 11.000 Personen, davon 600 Sozialdemokraten, amnestiert worden.
Bis Oktober 1956 waren insgesamt 21.000 Häftlinge entlassen worden.

Im Zusammenhang mit der Bewegung in Ungarn begann allerdings schon
im Oktober eine neue Verhaftungswelle und gerade das Ende der Bewegung
in Ungarn, die Niederschlagung des Aufstandes hatte natürlich Ulbricht und
seinem Anhang erheblich Oberwasser gegeben. Vor allem gegen Studenten
und Anti-Stalinistische Gruppen innerhalb der SED wurde vorgegangen.

Im Dezember 1956 wurde die Verhaftung der „staatsfeindlichen Gruppe“
um Wolfgang Harich, Steinberger und Hartwig bekanntgegeben, gegen die