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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 82 und 83
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Protokoll der 56. Sitzung

Visionen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung oder eines Zeitalters der Ge-
waltfreiheit und der Ächtung des Krieges scheiterten einfach an den politischen
Realitäten.

Vielleicht lag es daran, daß die häufige Rede von der Umkehr von vielen
als Rückkehr zum Ausgangspunkt der getrennten deutschen Geschichte
verstanden wurde. Wahrscheinlicher aber ist, daß die christlich verorteten
Visionen der Dresdner ökumenischen Erklärung zwar die Aufbruchstimmung
geschaffen haben, die den Abgesang des sozialistischen Ancien régime
einleitete; aber für eine eigenständige Umgestaltung der Gesellschaft fehlten
die konkreten Vorstellungen ebenso wie die Machtinstrumente. Insofern
führte der konziliare Prozeß in der DDR zu einer typisch „protestantischen
Revolution“. Die im Protestantismus tief verwurzelte Scheu vor der Macht
ließ es gerade noch zu, die Moderation an ungezählten Runden Tischen zu
übernehmen. Als es um die Besetzung der politischen Ämter ging bei der
Durchsetzung neuer Strukturen und Rechtszustände, da waren die katholischen
Christen viel eher bereit mitzuwirken.

In der Ökumene selbst haben die gesellschaftspolitischen Anregungen aus
den DDR-Kirchen die Vorstellung genährt, man könne zwischen der Scylla
des autoritären Sozialismus und der Charybdis eines Manchester-Kapitalismus
einen dritten Weg zur sustainable society bzw. zur „verantwortbaren Gesell-
schaft“ finden. Von den Vertretern der überwiegend orthodoxen Kirchen aus
den anderen sogenannten sozialistischen Ländern waren solche Überlegungen
aus ihrem theologischen Selbstverständnis heraus nicht zu erwarten. In den
westlichen Ländern, darüber täusche man sich nicht, gab es dagegen viele be-
sonnene Christinnen und Christen, die zwar keine radikale, aber eine graduelle
Veränderung der Wirtschafts- und Sozialordnung durchaus für nötig hielten.
Daß derzeit alle solche Ideen als Illusionen abgetan werden, ist gewiß nicht
das letzte Wort zum Erbe ökumenischer Sozialethik, die zweifellos auch von
den evangelischen Kirchen in der DDR bereichert worden ist. Vielen Dank.
(Beifall)

Gesprächsleiter Markus Meckel (SPD): Ganz herzlichen Dank, Herr Dr.
Planer-Friedrich. Wir schließen unmittelbar an mit Frau Heike Schmoll.

Heike Schmoll: „Die ökumenische Arbeit der Kirchen in der DDR unter
politischen Aspekten“

Ich habe zur Vorbereitung dieses Referats die Akten der Arbeitsgruppe für
Kirchenfragen beim Politbüro der SED benutzt und die Unterlagen des Evan-
gelischen Zentralarchivs; in einem Fall auch eine Akte aus der Behörde des
Bundesbeauftragen bearbeitet. Es handelt sich dabei um die Akte Ulrich von
Brück – IM Zwinger. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, daß die evange-
lische Kirche von der Staatsführung gezielt eingesetzt wurde, um bestimmte
außenpolitische Ziele durchzusetzen. Um dies zu belegen, werde ich mich auf
drei politische Aspekte beschränken: erstens, die Vorbereitung zur Aufnahme

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Haltung der evang. Kirchen zum SED-Staat

in die UN; zweitens, die Bedeutung des Anti-Rassismusprogrammes; drittens,
das Engagement für die Menschenrechte. Vor allem über letzteres könnte man
ein eigenes Referat halten. Ich bin also auch zu Vergröberungen gezwungen.

1. Die Aufnahme der DDR in die Vereinten Nationen:

Nachdem der am 28. Februar 1966 vom Staatsrat der DDR gestellte Antrag
auf Aufnahme in die UN gescheitert war, gelang es der DDR auch nicht, in
einzelne UN-Spezialorganisationen, wie in die WHO, aufgenommen zu wer-
den. Es war nicht nur die politische Großwetterlage, die die völkerrechtliche
Anerkennung der DDR vorbereitete. Es waren auch nicht die Beziehungen
zur dritten Welt, der DDR-Außenhandel, der in jeder Phase die diplomatische
Anerkennung des Staates unterstützen sollte. Vielmehr gab es ganz gezielte
Vorbereitungen von seiten des Staates wie der Kirchen bis zur Aufnahme der
DDR in die Vereinten Nationen am 18. September 1973.

Die Anfänge einer außenpolitischen Orientierung der ökumenischen Verhält-
nisse lassen sich bis in die Zeit der sowjetischen Besatzungszone zurückver-
folgen. Dort heißt es in einer in den Akten der Arbeitsgruppe Kirchenfragen
zu findenden Beschreibung der Verhältnisse der evangelischen Kirche in der
SBZ von 1949 im Blick auf die angelsächsischen Länder: „Die ökumenische
Bewegung (Weltkirchenkonferenzen) wird besonders durch die angelsäch-
sischen Länder gefördert. Die Politik der angelsächsischen Länder bedient
sich der ökumenischen Bewegung zur Förderung ihrer Ziele.“ Die soge-
nannte Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten des ÖRK
(CCIA) war 1946 gegründet worden und unterhielt von Anfang an formelle
Beziehungen zu den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen. Es
gab enge Kontakte zwischen dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf
und den Vereinten Nationen. Die CCIA nimmt auch zu den UN-Erklärungen
Stellung und hat sich etwa 1964 zu der UN-Erklärung über religiöse Intoleranz
geäußert. Die heftigsten Kritiker einer wachsenden Politisierung der Ökumene
bereits in den fünfziger Jahren waren Bischof Dibelius und Propst Asmussen,
später auch Bischof Scharf und der EKD-Ratsvorsitzende Claß. Dies zeigte
eine Analyse über die Politik der Kirchen der DDR, die am 22. Juli 1951
bei Willi Barth einging. Dort heißt es: „Es kann natürlich keinen Zweifel
darüber geben, daß auch Dibelius eindeutig auf der Seite der amerikanischen
Imperialisten steht.“ Schon 1961 schrieb Dibelius in einem Brief an den
damaligen ÖRK-Generalsekretär Visser’t Hooft: „Die Bereitschaft, sich der
Diktatur des Herrn Walter Ulbricht zu unterwerfen und diese Unterwerfung
theologisch zu begründen, fängt allmählich an, eine Ähnlichkeit mit gewissen
deutsch-christlichen Entscheidungen zu gewinnen – nur daß sich die Fronten
vertauscht haben und gerade solche uns jetzt predigen, ’den Kommunismus
totzulieben’, die seinerzeit ihre Existenz daran gesetzt haben, daß Jesus
Christus der Herr sein müsse, nicht nur auf dem ’christlichen Sektor’, sondern
für das ganze Leben der Menschen.“ Propst Asmussen aus der Kirchenleitung