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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 202 und 203
202
Protokoll der 57. Sitzung

hat, ist eigentlich eine sehr weitgehende Sachfrage. Aber darauf würde ich kurz
versuchen zu antworten. Das Ganze, was in den Gruppen gedacht und gemacht
wurde, von der Kirche von unten, von den sozialethischen Gruppen und von
der offenen Arbeit, sind natürlich alternative Lebensformen gewesen. Man hat
insgesamt nach alternativen Lebensformen jenseits dieser verordneten oder in
der DDR gewachsenen vorfindlichen Lebensformen Ausschau gehalten.

Die Goßnersche Mission hat es in der DDR auch gegeben. Die Studenten-
bewegung von 1968 hat zweifellos auch eine Rolle gespielt, aber eine weit
geringere als die Vorgänge in der Tschechoslowakei. Der Prager Frühling von
1967 an hat ganz viele Menschen in der DDR wirklich hoch motiviert und
sehr bewegt. Die anderen Dinge sind auch wahrgenommen worden. Aber für
unsere eigene Lebensbefindlichkeit oder für die Lebensbefindlichkeit vieler in
den Gruppen, denke ich, spielt die CSSR 1968 eine zentrale Rolle.

Auf die Sache mit der Hierarchisierung würde ich ähnlich antworten wie Curt
Stauss. Es hat da immer Gespräche gegeben, aber es hat auch immer Probleme
im Dialog gegeben. Das zu verschleiern wäre einfach eine Unwahrheit, wäre
einfach unsachgemäß.

Gesprächsleiter Stefan Hilsberg (SPD): Wir haben jetzt in den beiden
sehr interessanten einleitenden Vorträgen einen generellen Überblick über das
vorher apostrophierte Dreiecksverhältnis gehört. Es ist deutlich geworden,
daß dieses Dreiecksverhältnis ausgesprochen differenziert zu betrachten ist,
wir vermutlich sogar an manchen Stellen fließende Übergänge haben. Das
Podium soll den Versuch machen, dieses Dreiecksverhältnis, dieses Verhältnis
von Gruppen und Kirche untereinander, auszuschmücken. Uns ist dabei völlig
klar gewesen, daß dies lediglich ein Versuch sein kann, die sehr reichhaltigen
Beziehungen und sehr vielfältigen Arten und Ausprägungen von Gruppen
und kirchlichen Ansätzen, die es gegeben hat, aufzuzeigen. Ich werde mich
selbst sehr stark zurückhalten und den Vertretern neben mir, die sowohl als
Vertreter von Gremien, aber auch als Einzelne eine Bedeutung haben, die
Gelegenheit geben, selbst das zu sagen, was aus ihrer Erfahrung und aus den
beiden einleitenden Vorträgen, die wir gehört haben, wichtig ist. Ich möchte
mit Angelika Schön beginnen, mit ihrem kurzen Statement von fünf bis zehn
Minuten.

Ein ganz kurzer organisatorischer Hinweis noch: Wir machen etwa eine
Eingangsstatementsrunde für jeden einzelnen von fünf bis zehn Minuten. Es
soll dann die Möglichkeit bestehen, hier innerhalb des Podiums, da sind auch
Rudi Pahnke, der jetzt nicht hier ist, und Herr Stauss mit einbezogen, zu einem
Gespräch zu kommen. Wir werden dann das Podium öffnen. Dann wird es
auch noch die Nachfragen, die von Ihrer Seite an alle gemeinsam nötig sind,
geben.

Abg. Meckel (SPD): Kann ich unterbrechen? Es wäre gut, wenn am Anfang
eine kurze Vorstellung erfolgt, damit diese auch im Protokoll enthalten ist.

203
Die Kirchen und die Gruppen

Angelika Schön: Ich heiße Angelika Schön und komme aus Weimar. Wenn
mich jemand fragt, wie ich mich verstehen will, dann als Kirche von unten.
Ich studiere inzwischen Theologie, und zwar seit September 1989. Das hat
sehr viel mit dem zu tun, weswegen ich hierher eingeladen worden bin.
Curt Stauss hat vorhin von den vielen Gruppen erzählt, die es 1988 gab.
Es gab in den Jahren davor auch noch andere, die es 1988 überhaupt
nicht mehr gab. All die Leute, die 1988 meinetwegen noch da waren –
wo sind sie geblieben? Wenn ich hier sitze, dann sitze ich eigentlich nur
deswegen hier und bin auch deswegen hergekommen, weil viele von meinen
Freunden sich weder mit der Kirche noch in dieser Gesellschaft überhaupt
zurechtfinden können. Das hat sowohl mit kirchenstrukturellen Gründen zu
tun als auch mit der Staatssicherheit. Das hängt sehr oft nahe beieinander
bzw. ist an vielen Stellen identisch gewesen. Darauf will ich jetzt aber nicht
unbedingt zuerst eingehen, das können vielleicht die Fragen ergeben. Im
Januar 1992, als wir innerhalb der offenen Arbeit ein bißchen resümiert
haben, haben wir gesagt: „Die Kirche hat nichts gelernt aus den ganzen
Jahren, in denen wir aktiv waren, obwohl der Öffentlichkeitsanspruch des
Evangeliums nach wie vor gilt“, wie wir gestern hier gehört haben. „Wir
alle sind verantwortlich“, haben wir immer gesagt, „für die Umgestaltung
der Sachen, die uns nicht gefallen und die uns selber weh tun“, und wir
haben uns unsere Verantwortlichkeit auch genommen. Wir mußten sie uns
nehmen, weil sie uns weder von der Gesellschaft oder vom Staat noch von
der Kirche zugestanden worden ist. Wir haben gefordert: Glasnost in Staat
und Kirche. Und das hat für mich heute wieder eine neue Relevanz aus ein
paar anderen Gründen, aber die meisten alten sind geblieben. Die Kirche hat
in zwei entscheidenden Punkten nichts gelernt: Einmal hat sie nicht gemerkt,
daß in den Gruppen Mündigkeit gewachsen war, die selbst Verantwortung
übernehmen wollte, sondern hat immer wieder versucht, Fürsorge und
Helfenwollen da auszuüben, wo eigentlich Leute schon mündig genug waren
und selbst Verantwortung übernehmen wollten. Dadurch entstanden Frust und
sehr viele Mißverständnisse, die es nicht hätte geben müssen. Außerdem gab es
innerhalb der Gruppen, zumindest ab Anfang der achtziger Jahre, eine ziemlich
heftige Grunddiskussion darüber, was einzelne in der Gruppe an Leitung
übernehmen können und was nicht. Das hängt mit diesem basisdemokratischen
Grundanspruch zusammen. Genau an dieser Stelle ergaben sich ziemlich viele
Konflikte mit der Kirche, weil dort diese Grunddiskussion oft nicht verstanden
wurde, aus dem alten Amtsverständnis heraus, das immer noch wach ist.
Gruppen als Friedensgruppen, Ökogruppen – da kenne ich mich am besten
aus – wollten politisches Korrektiv sein und gleichzeitig als Alternative zur
Gesellschaft ein Stück von dem vorwegnehmen, wozu Christen „Reich Gottes“
sagen. Das hängt damit zusammen, daß die Verheißung des Reiches Gottes und
der Zuspruch, daß es schon mitten unter uns ist, empfunden und angenommen
wurden. Das befreite uns zum Infragestellen jeglicher vorfindlicher Ordnung,