schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 12, Band IX, Seiten 24 und 25 (wp12b9_0029)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 12, Band IX, Seiten 24 und 25
24
Protokoll der 13. Sitzung

des StUG oder – wie es in der Behörde des Bundesbeauftragten gesehen
wird – eben diese Bestimmungen des StUG den Zugriff auf vorhandenes
Beweismaterial erschweren und damit gerade die Aufklärung des strafbaren
Unrechts behindern, dem die Bevölkerung der DDR ausgesetzt war.

Im Strafverfolgungsinteresse läge es auch, wenn der Bundesbeauftragte sein
Augenmerk stärker als bisher auf § 27 Abs. 2 StUG richtete. Danach hat er
von sich aus die zuständige Stelle – in diesem Fall die Staatsanwaltschaft – zu
unterrichten, wenn er gelegentlich der Erfüllung seiner Aufgaben eine Straftat
im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes feststellt.
Aus öffentlichen Äußerungen der Behörde geht hervor, daß ihr aus den
Unterlagen die Anordnung von AB-Maßnahmen, d. h. Telefonüberwachung,
Postkontrolle, Abhörmaßnahmen, durch Führungsoffiziere bekannt ist. Die
Mitteilung derartiger Fälle durch die Gauck-Behörde steht noch aus. Nicht
von der Gauck-Behörde, sondern von dem Opfer einer Entführung ist der
Arbeitsgruppe auch der detailliert ausgearbeitete Festnahmeplan des MfS
übergeben worden, den das Opfer anläßlich einer Einsicht in die Stasi-
Unterlagen vorgefunden hatte.

Trotz der nicht optimalen Organisationsform und Personalausstattung, trotz
des schwer handhabbaren rechtlichen Instrumentariums und trotz des ste-
tig anwachsenden Arbeits- und Materialanfalls werden wir unsere Aufgabe
weiterhin beharrlich und unverdrossen wahrnehmen. Dies gebietet nicht nur
das Legalitätsprinzip, sondern dies ist auch eine Verpflichtung gegenüber den
Opfern des SED-Regimes und gegenüber der Geschichte. Der Strafverfol-
gungswille ist vorhanden. Die Strafjustiz wird aber die von vielen gehegte
Erwartung einer erschöpfenden Strafverfolgung allen staatlich begangenen
Unrechts, die auch in schnellen Entscheidungen ihren Ausdruck finden soll,
nicht erfüllen können.

Nicht alles Unrecht, das dieser Staat seinen Bürgern zugefügt hat, ist
strafrechtlich faßbar, ist justitiabel. Nicht jede Tat wird erkannt und aufgeklärt
werden können. Manch ein Täter wird aus biologischen Gründen der irdischen
Gerechtigkeit entgehen.

Aus Gründen der Beschleunigung und Effizienz darf von rechtsstaatlichen
Prinzipien nicht abgewichen werden, darf der Anspruch eines Beschuldigten
auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren nicht außer acht gelassen
werden.

Trotz all dieser Einschränkungen bleibt der Strafjustiz aber ein breites
Betätigungsfeld. Die besonderen Methoden und Mittel der Wahrheitsfindung
in einem geordneten Gerichtsverfahren, das den Erkenntnismöglichkeiten
durch ein Tribunal oder ähnliche Einrichtungen weit überlegen ist, werden
nicht nur die Frage der persönlichen Schuld am zuverlässigsten beantwortet;
sie werden auch zu gesicherten Erkenntnissen über das Funktionieren und
über die Herrschaftsstrukturen des DDR-Staates führen, die auch für die

25
Regierungskriminalität und justitielle Aufarbeitung

außerstrafrechtliche Durchdringung der Vergangenheit und auch für die
Gestaltung der Zukunft Bedeutung haben können. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Wir danken dem Leitenden Oberstaatsan-
walt. – Herr Schaefgen, ich bitte Sie, Ihre Rede, wenn irgend möglich, zu
Protokoll zu geben, damit uns auch das, was Sie jetzt um der Kürze willen
weggelassen haben, zur Verfügung steht.

Wir kommen nun zum nächsten Punkt, zu dem Streitgespräch unter der
Leitung von Herrn Professor Dr. Schroeder. Ich bitte ihn und seine vier
Gesprächspartner nach vorn, um dieses Gespräch nun zu führen.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren, wir stehen bei der Aufarbeitung der Regierungs-
kriminalität in der DDR vor dem Problem, daß schon die Zulässigkeit einer
juristischen Aufarbeitung von vielen nachdrücklich bestritten wird. In der
Wissenschaft herrscht ein lebhafter Streit. Es gibt eine nicht unerhebliche
Gruppe von Wissenschaftlern, die eine Verfolgung für unzulässig halten, weil
sie dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ – keine Strafbarkeit ohne vorheriges
Strafgesetz – widerspricht, weil das eben zu DDR-Zeiten erlaubt gewesen
sei.

Im April dieses Jahres waren auf einer Tagung von Fachleuten die Berliner
Justizsenatorin, Frau Limbach, und meine Wenigkeit die einzigen, die einer
Phalanx von Strafrechtswissenschaftlern gegenüberstanden, die diese Verfol-
gung für unzulässig hielten. Frau Limbach hat vor kurzem im „Spiegel“ mit
Erleichterung festgestellt, daß die Zahl der Befürworter inzwischen auf etwas
über 50 % angestiegen sei. Sie sehen also: Es handelt sich hier um ein ernstes
wissenschaftliches Problem.

Wir haben nun für diese Sitzung ein neues Modell entwickelt. Wir woll-
ten nicht die übliche, mehr oder weniger endlose Aneinanderreihung von
Statements des Inhalts „Ja, aber in bestimmten Fällen nein“ oder „nein, aber
in manchen Fällen doch“. Eine solche Präsentation des Meinungsspektrums
wollten wir hier nicht.

Ich habe mich als Regensburger an das berühmte Streitgespräch zwischen Me-
lanchthon und Dr. Eck erinnert und habe vorgeschlagen, daß wir hier ein wis-
senschaftliches öffentliches Streitgespräch führen, bei dem Wissenschaftler,
die die Position vertreten „Eine Verfolgung ist zulässig.“, und Wissenschaftler,
die die Position vertreten „Eine Verfolgung ist nicht möglich.“, repräsentativ
für die Wissenschaftler ihrer jeweiligen Gruppe auftreten.

Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen nun kurz die Kontrahenten vorstelle:

Zu meiner Rechten ist Herr Oberlandesgerichtspräsident i.R. Rudolf Wasser-
mann, (Beifall)

der seit Anfang der 60er Jahre als ein engagierter Rechtspolitiker, Justiz-
politiker und Justizkritiker bekanntgeworden ist, der vor allem gegen die

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir Ihnen die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in Ihrem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen, wenn Sie auf unsere Website zurückkehren, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für Sie am interessantesten und nützlichsten sind.