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Wahlperiode 12, Band IX, Seiten 26 und 27
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Protokoll der 13. Sitzung

Erziehung zum Establishment, nämlich die Erziehung der Juristen zum Esta-
blishment, zu Felde gezogen ist, der für eine fortschrittliche Juristenausbildung
gekämpft hat, der jetzt Herausgeber der Reihe „Alternativkommentare“ im
Luchterhand-Verlag ist, also einer Reihe von Kommentaren, die der herrschen-
den Meinung eine Gegenauffassung entgegensetzen wollen. Es war sicherlich
für manche überraschend, daß Herr Wassermann alsbald nach der Wende
als ein engagierter Befürtworter einer nachdrücklichen Strafverfolgung der
DDR-Regierungskriminalität hervorgetreten ist.

Zu meiner Linken ist Herr Kollege Friedrich Dencker, Professor für Strafrecht
und Strafprozeßrecht an der Universität Münster. Er ist mit seiner Habilitati-
onsschrift „Verwertungsverbote im Strafprozeß“ von 1977 als ein engagierter
Befürworter einer Begrenzung der Strafgewalt des Staates hervorgetreten.
Er ist vor allem auch mit einer Kritik der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs an der Aburteilung nationalsozialistischen staatlichen Unrechts
bekanntgeworden. Wir erhoffen uns von Ihnen, Herr Dencker, daher hier ein
engagiertes Eintreten gegen die Zulässigkeit einer Strafverfolgung, um aus
diesem Streitgespräch dann Erkenntnisse zu gewinnen.

In einer zweiten Runde werden zwei weitere Kontrahenten in die Diskussion
eingreifen, auf dieser Seite Herr Rechtsanwalt Ulrich Hoffmann, der in einem
der Mauerschützenprozesse als Nebenklägervertreter aufgetreten ist, also die
Sache der Verletzten, der Angehörigen der Getöteten vertreten hat, so daß von
daher seine Position hier schon vorauszusehen ist.

Zu meiner Linken ist dann noch Herr Kollege Ulrich Schroth, Professor für
Rechtsphilosophie und Strafrecht, wenn ich es richtig sehe, in München, Schü-
ler von Arthur Kaufmann und vor allem mit Arbeiten zur Rechtsphilosophie
und Rechtstheorie hervorgetreten.

Ich möchte nun dieses öffentliche Streitgespräch eröffnen und zunächst der
Gegenauffassung das Wort geben.

Zuvor möchte ich aber noch einmal betonen: Bei dieser Diskussion geht
es nicht um die Frage der Zweckmäßigkeit: Soll man das alles verfolgen
oder nicht? Sollte man nicht Großzügigkeit walten lassen? – Es geht um die
Frage der rechtlichen Zulässigkeit. Wenn diese Zulässigkeit bejaht wird, dann
besteht nach der Strafprozeßordnung eine Strafverfolgungspflicht. Wenn die
Strafbarkeit gegeben ist, dann kann die Staatsanwaltschaft und dann können
die Gerichte gar nicht anders, als das zu verfolgen und zu verurteilen.

Wir wollen also die damit oft vermengte Zweckmäßigkeitsfrage ausklam-
mern und nur fragen: Ist es nach dem Gesetz und vor allem nach dem
Grundgesetz, das ja in Art. 103 Abs. 2 die Bestimmung „keine Strafe ohne
Gesetz“ ausdrücklich zu einem Grundrecht erklärt, überhaupt möglich, die
Regierungskriminalität zu verfolgen?

Herr Dencker, vielleicht beginnen Sie den kritischen Part!

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Regierungskriminalität und justitielle Aufarbeitung

Prof. Dr. Friedrich Dencker: Ich will mich zunächst einmal auf den
Bundesgerichtshof beziehen. – Seit den 80er Jahren ist in der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs und eigentlich auch in fast der gesamten Literatur
dazu unstreitig geworden, daß im Sinne unserer Vorschriften über den
Geltungsbereich des bundesrepublikanischen Strafrechts die DDR als Ausland
zu gelten habe, zwar die DDR-Bürger als Inländer, die DDR aber als
Ausland. – Etwas kompliziert.

Wenn man das zugrunde legt, dann ist auch über diesen Weg klar: Aus den
sogenannten Alttaten ist nur das strafbar, was nach dem Recht der DDR,
solange es sie gab, und nach dem Recht der Bundesrepublik strafbar war.

Aber auch dann, wenn man das anders sähe, käme man, glaube ich, über eines
nicht hinweg: Die Gesetze der DDR, so häßlich sie gewesen sein mögen,
sind von uns als Gesetze der DDR zu akzeptieren. Anders als im Verhältnis
des Nachkriegsdeutschland zum Dritten Reich stehen wir sozusagen nicht so
frei da, wie Herr Schaefgen das eben zu Recht gesagt hat. Wir konnten mit
gewissem Recht sagen: Gesetze des Dritten Reiches erkennen wir gar nicht
an. Das war in keiner Weise der Staat, als dessen kontinuierlicher Nachfolger
wir uns betrachten.

Als kontinuierlicher Nachfolgestaat der DDR betrachten wir uns aber in gewis-
ser Weise, und zwar – spätestens – ausweislich der beiden Einigungsverträge.
Spätestens mit diesen Verträgen hat die Alt-Bundesrepublik die DDR als Ver-
tragspartner anerkannt und – mustern Sie den sogenannten Einigungsvertrag,
den zweiten dieser Verträge, daraufhin! – eine Vielzahl von DDR-Staatsakten
und -Gesetzen ohne weiteres als legitim anerkannt.

Freilich ist in diesem Vertrag auch die Rede von einem SED-Unrechtsregime.
Da ist die Rede von Rehabilitierung der Opfer, von der Möglichkeit, Urteile
aufzuheben, die ungerecht waren. Das bedeutet: Wir sind nicht etwa vor die
Situation gestellt, daß wir jedes noch so kraß ungerechte Gesetz, jeden noch
so kraß ungerechten Staatsakt der vormaligen DDR-Staatsführung anerkennen
und zugrunde legen müssen. Wohl aber können wir eben nicht so tun, als
habe es diesen Staat und seine Gesetze als Gesetze nicht gegeben. Das tut
auch der Einigungsvertrag nicht, der ja in Art. 315 a EGStGB ausdrücklich
auf das DDR-Strafrecht abstellt.

Demnach müßte es also so sein, daß – wie Herr Schaefgen es auch dargestellt
hat – eine Tat, eine sogenannte Alttat, nach dem Recht der Bundesrepublik bis
1989 und nach dem Recht der DDR bis 1989 strafbar war. Ist das gegeben,
besteht für die Strafverfolgung kein Problem. Das betrifft einen sehr engen
Bereich, nämlich etwas, was im Gespräch über die NS-Gewalttaten zu dem
Ausdruck „Exzeßtaten“ geführt hat. Wenn also ein Staatsfunktionär der DDR,
egal welcher, über das hinaus Unrecht tat, was damals von Staats wegen
angeordneten wurde, wenn etwa ein Aufseher in einer Justizvollzugsanstalt

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