schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 12, Band IX, Seiten 160 und 161 (wp12b9_0164)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 12, Band IX, Seiten 160 und 161
160
Protokoll der 14. Sitzung

macht, daß die hinzugezogenen Akten Zeitzeugen sind, also historische Quel-
len, die geschichtlich, soziologisch und psychologisch eingeordnet werden
müssen und können, und daß eine direkte Verwendung auch Gefahren in sich
birgt. Die an der Universität jetzt zu treffenden strukturellen und personellen
Entscheidungen müssen mit Sachkenntnis getroffen werden, wie z. B. die
Schließung belasteter Fächer oder die Entscheidung über Kündigung und
Weiterbeschäftigung von Personen. Der Ausschluß von Erpreßbarkeiten ist
sicherlich eher eine Sache der Ehrenkommission, spielt aber in die Arbeit
unserer Arbeitsgruppe auch mit hinein. Primär, denke ich, ist es auch an
uns, Rehabilitierungsfälle zu beschleunigen und zu unterstützen. Sowohl eine
materielle als auch eine ideelle Rehabilitation ist an einer Universität bisher
kaum möglich, weil Gesetze fehlen. Ein Rehabilitierungsgesetz gibt es nicht,
und die materiellen Möglichkeiten der Universität sind sehr begrenzt.

Rehabilitierungskommission ehem. Einrichtungen gem Art. 36 EV, Silvia
Müller: Mein Name ist Silvia Müller. Ich spreche hier gleich für zwei Projekte
im Medienbereich, die sich mit der Aufarbeitung sowohl der Geschichte und
Struktur wie auch der gesellschaftlichen und individuellen Folgen der SED-
Diktatur befassen. Die erste Initiative ist die Rehabilitierungskommission der
ehemaligen Rundfunkeinrichtung gemäß Artikel 36 des Einigungsvertrages.
Sie bildete sich auf Veranlassung des Hörfunkrates, dessen Mitglied ich war,
bereits im Frühjahr 1990, also kurz nach Konstituierung der frei gewählten
Volkskammer der DDR, im inzwischen veränderten DDR-Rundfunk. Auch
durch Beteiligung der Redakteurs- und künstlerischen Räte sowie durch
Einflußnahme neu entstandener demokratischer Parteien im Funkhaus Berlin-
Nalepastraße wurde die in diesen Tagen amtierende Generalintendanz dazu
veranlaßt, der Einrichtung einer Rehabilitierungskommission zuzustimmen
und sie mit entsprechenden Vollmachten auszustatten. Seit ihrer Gründung
sieht die Rehabilitierungskommission ihren besonderen Auftrag darin, po-
litische Unrechtsentscheidungen und Repressionen aufzuklären, die gegen
Journalisten, Künstler und andere Rundfunkmitarbeiter in 40 Jahren autoritärer
Medienpolitik des SED-Staates verhängt wurden, wenn sie sich seinen Doktri-
nen verweigert hatten. Als die Rehabilitierungskommission im Mai 1990 ihre
Arbeit aufnahm, gab es noch die Illusion, daß auch die Täter – die Verantwort-
lichen für die unterschiedlichen Repressionen, von der fristlosen Entlassung
bis zur Strafverfolgung – an den Beratungstisch geholt werden könnten. Die
begrenzten juristischen Befugnisse der Kommission verhinderten dies leider,
und in der Mehrzahl waren die Verantwortlichen auch schon nicht mehr
Mitarbeiter im Rundfunk. In Anhörungen und durch zusätzliche Recherchen in
Personalunterlagen und internen Aktennotizen wurden und werden Rehabilitie-
rungsanträge Betroffener geprüft. Erwiesene berufliche Benachteiligung oder
Ausgrenzung, Berufsverbote, ungerechtfertigte Entlassungen und dergleichen
werden in Erklärungen dokumentiert, um so das in der Öffentlichkeit geschä-

161
Erfahrungsaustausch

digte politisch-moralische Ansehen der Betroffenen wiederherzustellen. Wenn
über eine Wiedereinstellung ein angemessener Ausgleich für erwiesenes Un-
recht zu erreichen war, machte sich die Kommission zum Befürworter solcher
Wünsche, denn für finanzielle Wiedergutmachung gab und gibt es leider noch
immer keine rechtliche Grundlage. Seit Mai 1991 ist die Kommission auf
Veranlassung des damaligen Rundfunkbeauftragten Mühlfenzl auch für die
Anträge ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Fernsehens zuständig. Als Bilanz
ließ sich im Juni dieses Jahres festhalten: 82 Wiedergutmachungsanträge
wurden an die Kommission gerichtet, davon 49 aus dem Hörfunkbereich,
33 aus dem Fernsehfunk. Die Kommission konnte 53 Rehabilitierungsfälle
anerkennen und in Erklärungen bestätigen. Diese Erklärungen wurden bis zum
31. Dezember 91, also bis zum Zeitpunkt der Auflösung der Einrichtung, im
Funkhaus Nalepastraße und im Deutschen Fernsehfunk Adlershof öffentlich
ausgehangen. Hinter jedem der hier „Fälle“ genannten Schicksale verbirgt
sich eine bewegende Lebensgeschichte. Es sind Lebensberichte von großer
Eindringlichkeit, die eine andere als die aus offiziellen Dokumenten bekannte
Geschichte des DDR-Hörfunks und -Fernsehens nachzeichnen. Nach unserer
Ansicht können sie zu einer differenzierten Darstellung des Mediensystems
der DDR wesentlich beitragen. Seit Januar diesen Jahres ist die Tätigkeit der
sieben gewählten und unentgeltlich arbeitenden Kommissionsmitglieder an
den Auftrag der NFL-Gesellschaft zur Abwicklung der Rundfundkeinrichtung
gebunden. Dieser gilt nur noch bis zum 31. Dezember diesen Jahres. Sorge
macht uns, wie mit neu eingegangenen Rehabilitierungsanträgen nach dem
31. Dezember verfahren werden soll. Ist es nun das „Pech der Zu-spät-
Gekommenen“, wenn wir ihren Anspruch auf Wiedergutmachung abweisen
müssen? Es belastet uns, wenn einzig durch ein Datum der Glaube an rechts-
staatliche Aufarbeitung berechtigter Ansprüche aus der Vergangenheit des
SED-Staates erschüttert werden sollte. – Vielleicht ist – für Sie als Mitglieder
der Enquete-Kommission des Bundestages – noch mein persönliches Motiv für
diese Arbeit von Interesse. Ich selbst erhielt 1984, als Journalistin bei der „FF
dabei“ Berufsverbot aufgrund meines Engagements in der Friedensbewegung
der DDR. Im Berliner Verlag wurde niemals eine Rehabilitierungskommission
gebildet, auch nicht nach der Übernahme durch Gruner und Jahr. Zum Teil
sind damals Verantwortliche nach wie vor in Verantwortung, nun bei Gruner
und Jahr. Keiner hat sich je bei mir entschuldigt.

Nun zur zweiten Initiative, für die ich hier spreche. Die Arbeitsgruppe „Exem-
plarische Aufarbeitung der 40-jährigen Geschichte des DDR-Rundfunks
und seiner Struktur“ entstand im Mai 1991, als sich nach einjähriger Tä-
tigkeit der Rehabilitierungskommission die Notwendigkeit einer historischen
Aufarbeitung der diesen politischen Konfliktfällen zugrunde liegenden Struk-
tur des DDR-Rundfunks abzeichnete. Während die Rehabilitierungskommis-
sion mit dem pragmatischen Ansatz politisch-moralischer Wiedergutmachung

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir Ihnen die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in Ihrem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen, wenn Sie auf unsere Website zurückkehren, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für Sie am interessantesten und nützlichsten sind.