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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 216 und 217
216
Enquete-Kommission

Mit den ehemaligen leitenden Funktionären ist – angesichts ihrer Rolle in dem
menschenfeindlichen SED-Regime – fair umgegangen worden. Sie werden,
soweit sie Rentenempfänger sind, nach dem Anwartschafts- und An-
spruchsüberführungsgesetz (AAÜG und AAÜG-ÄndG in der Fassung vom 14.
11. 1996, BGBl. I S. 1674) durch die Solidargemeinschaft der Rentenversi-
cherten angemessen versorgt. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Begren-
zung des für die Rentenberechnung maßgeblichen Einkommens für hauptamt-
liche Mitarbeiter des MfS und die im System der DDR besonders privilegier-
ten Systemträger ist berechtigt, weil die damals unrechtmäßig angemaßte Füh-
rungstätigkeit heute nicht uneingeschränkt als grundrechtlich geschützte Posi-
tion reklamiert werden kann.

Die pauschale Behauptung, die ehemaligen Nomenklaturkader seien heute die
„Gewinner der Einheit“, läßt sich zumindest im Hinblick auf die Erlangung
verantwortlicher Positionen im Landesdienst Sachsen-Anhalts keineswegs auf-
recht erhalten. Ihr Anteil in den untersuchten Landesbehörden ist vielmehr
bemerkenswert gering. Die Praxis der Übernahme von Personal in den Lan-
desdienst war trotz sehr ähnlicher Vorgaben – wie dargelegt – in den neuen
Ländern uneinheitlich. Deshalb können aus dem Ergebnis der Untersuchung
der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts nicht ohne weiteres Schlüsse auf die
Situation in den Verwaltungen der anderen neuen Länder gezogen werden.
Allerdings gibt es auch keine Indizien, die den Schluß auf eine sehr viel weit-
gehendere Übernahme ehemaliger Kader in Landesbehörden anderer Länder
nahelegen. Dies bedingt weitere Untersuchungen, die seitens der Länder vor-
genommen werden sollten.

Der Elitenwechsel im öffentlichen Dienst im Hinblick auf den Austausch von
Nomenklaturkadern gegen unbelastetes und verfassungstreues Personal, das
ein Vertrauen der Bevölkerung rechtfertigt, scheint in den Länderverwaltungen
gelungen zu sein. Die Verleihung herausgehobener Ämter an ehemalige No-
menklaturkader in Einzelfällen, insbesondere im Bereich der Landespolizeien,
sollte jedoch Anlaß zu sorgfältiger Dienstaufsicht sein.

Die Erkenntnisse über den Verbleib der Nomenklaturkader des Rates der Stadt
Rostock können auf empirisch gesicherter Grundlage nicht mit Geltung für alle
Kommunen verallgemeinert werden; dazu waren die Vorgaben der Räte und
Kreistage zu unterschiedlich. Zusammen mit den der Enquete-Kommission
und ihren Mitgliedern bekannten Beschwerden von Bürgern muß aber davon
ausgegangen werden, daß die Übernahmequote früherer Nomenklaturkader der
Räte der Kreise und der Städte in die heutigen Kommunalverwaltungen man-
cherorts ungleich höher waren als im Landesdienst, obgleich dem kommunalen
Amtsleiter in der Regel umfänglichere Entscheidungskompetenzen zugestan-
den und weniger Kontrolle auferlegt ist als einem Sachbearbeiter oder Refe-
renten in einer obersten Landesbehörde. Allein die Übertragung exponierter
Positionen in der Kommunalverwaltung kann den Bürgern gegenüber den bö-
sen Schein der Fortsetzung alter Machtstrukturen erwecken. Insoweit ist der
Elitenwechsel im kommunalen Bereich in unterschiedlicher Weise bewältigt

217
Schlußbericht

worden, insgesamt jedoch noch keineswegs abgeschlossen. Sein Fortgang un-
terliegt jedoch im Rahmen der Selbstverwaltung in hohem Maße der Mitbe-
stimmung der Bürger.

Generalisierende Aussagen zum Verbleib der früheren Führungselite des SED-
Staates können allein auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung des
öffentlichen Dienstes nur eines Landes nicht getroffen werden. Hinweise (ins-
besondere die Statistik der Berliner StA II zur vereinigungsbedingten Wirt-
schaftskriminalität zum 31. Januar 1998: 1234 Eingänge/147 Anklagen) legen
zwar den Schluß nahe, daß es seit der Währungsunion im Jahr 1990 zu zahlrei-
chen Firmenneugründungen unter Beteiligung auch von ehemaligen Nomen-
klaturkadern gekommen ist, daß „Ost-West-Seilschaften“ unter Ausnutzung
von Kenntnissen und „guten Beziehungen“, aber auch bestehender Gesetzes-
lücken, die Überbleibsel der Kadernomenklatur gewinnbringend eingesetzt ha-
ben. Vieles liegt hier noch im Dunkelfeld einer sich verstärkenden organisier-
ten Kriminalität und Wirtschaftskriminalität. Auch in institutionell geförderten
Einrichtungen können ehemalige Nomenklaturkader verblieben sein. Dies ist
jedoch bislang für konkrete Einzelfälle nicht hinreichend belegt. Einzelne frü-
here Nomenklaturkader des Rates der Stadt Rostock sind heute unternehme-
risch oder freiberuflich tätig. Eine rechtmäßig ausgeübte Tätigkeit dieses Per-
sonenkreises wird unbeschadet früherer Systemträgerschaft durch Artikel 12
Abs. 1 und ggf. auch durch Artikel 14 des Grundgesetzes (Schutz der Berufs-
freiheit bzw. des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes) geschützt
und kann bzw. soll seitens des Staates auch früheren Funktionären nicht ver-
wehrt werden. Im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitungsprozesses
wäre eine zeitgeschichtlich-sozialwissenschaftliche Untersuchung des Ver-
bleibs der immens großen Gruppe ehemaliger Nomenklaturkader gleichwohl
angebracht.

 

2.6 Bilanz des personellen Transformationsprozesses

Die Regelungen des Einigungsvertrages zur Abwicklung von Einrichtungen
und zur Kündigung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Beitritts-
gebiet haben trotz einiger Unbestimmtheiten und Unvollständigkeiten die
strukturelle und personelle Erneuerung der öffentlichen Verwaltung ermög-
licht.

2.6.1 Die Schaffung eines echten Sonderrechts durch den Einigungsvertrag für
den öffentlichen Dienst hat sich rückblickend als nicht erforderlich erwiesen,
vielmehr war das um die Tatbestände des Einigungsvertrages ergänzte Bundes-
recht zur Regelung der zukünftigen Rechts- und Arbeitsverhältnisse ausrei-
chend. Insbesondere hätte die vollständig andere Regelung des arbeitsrechtli-
chen Komplexes im Einigungsvertrag keinesfalls schneller zu einer einheitli-
chen Handhabung durch die Verwaltungen und zur raschen Herausbildung ei-
ner Rechtssicherheit geführt.