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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 238 und 239
238
Enquete-Kommission

rend es in der Slowakei praktisch unbeachtet blieb. Im Gegensatz zum Ver-
botsprinzip, das den tschechischen sowie den weit weniger effektiven estni-
schen und bulgarischen Regelungen zugrundeliegt, hat der ungarische Gesetz-
geber im Sommer 1994 ein Überprüfungsverfahren nach dem Transparenz-
prinzip eingeführt. Hiernach hat die Feststellung einer politischen Belastung
im Umkreis des früheren Staatssicherheitsdienstes die Folge, daß der betroffe-
ne Amtsinhaber sich entscheiden muß, ob er das Amt freiwillig und unauffällig
räumt oder die Offenlegung seiner Vergangenheit und damit die Reaktion der
Öffentlichkeit in Kauf nimmt. In Rußland und der Ukraine ist die Lustration
kein Thema.

In Tschechien, Rumänien und Polen sind Gesetze geschaffen worden, die den
Zugang zu noch vorhandenen Akten der Geheimdienste regeln sollen und den
Willen zur Ermöglichung einer Aufarbeitung der Vergangenheit ausdrücken.

3.3.2.4 Völlig aus diesem Rahmen fällt in diesem Zusammenhang Albanien,
wo die früheren kommunistischen Machthaber aus machtpolitischem Kalkül
strafrechtlich verfolgt und aus den öffentlichen Ämtern entfernt wurden. Al-
lerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob insoweit überhaupt von einer „rechts-
staatlichen“ Aufarbeitung der Vergangenheit gesprochen werden kann. In Al-
banien kam es zwar 1992 zur Entmachtung der Kommunisten, die Methoden
politischer Repression existierten aber auch unter der bis 1997 regierenden
demokratischen Partei unverändert weiter.

 

3.3.3 Situation der Opfer in Mittel- und Osteuropa

Im Gegensatz zu der Zurückhaltung gegenüber den Tätern ist die Bereitschaft,
den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft (materiale) Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, in den Staaten Mittel- und Osteuropas wesentlich grö-
ßer.

Die Opfer rechtsstaatswidriger Verurteilungen sind überall strafrechtlich reha-
bilitiert worden, mag man sich für eine gesetzliche Pauschalrehabilitierung
(Bulgarien, Albanien, Estland, Ungarn 1945/63) oder für die individuelle Re-
habilitierung im Einzelverfahren (Tschechische und Slowakische Republik,
Ungarn 1963/89, Polen, Rußland, Ukraine) entschieden haben. Auch eine ver-
waltungsrechtliche Rehabilitierung der Opfer politischer Verfolgungsmaß-
nahmen ist überall erfolgt. Die Rehabilitierung löst überall Entschädigungs-
und Ausgleichsansprüche aus, deren Umfang zwar unterschiedlich, aber durch
die knappen Staatsfinanzen generell stark begrenzt ist. Eine russische Beson-
derheit stellt die kollektive Rehabilitierung der unter Stalin verfolgten Völker
dar, der aber praktisch nur eine moralische Bedeutung zukommt.

239
Schlußbericht

3.3.4 Fazit

Fast alle Länder Mittel- und Osteuropas stehen auf dem Boden der Rechtskon-
tinuität mit dem altem Regime. Dies findet seine Erklärung in der Prozeßhaf-
tigkeit des politischen Umbruchs. Innerhalb dieser Gemeinsamkeit, die gene-
rell einen behutsamen Weg der juristischen Vergangenheitsbewältigung be-
dingt, gibt es aber deutliche regionale Unterschiede. Am konsequentesten ist
die Abrechnung mit dem kommunistischen Regime in der Tschechoslowakei
eingeleitet und ab 1993 in der Tschechischen Republik vollzogen worden. Die
größere Zurückhaltung in den beiden anderen mitteleuropäischen Ländern,
Ungarn und Polen, ist darauf zurückzuführen, daß sich hier bereits vor der de-
mokratisch-rechtsstaatlichen Wende von 1989/90 ein Systemwandel von der
totalitären zur autoritären Einparteiendiktatur vollzogen hatte. Da sich hier be-
reits in kommunistischer Zeit rechtsstaatliche Ansätze entwickelt hatten, war
das Bedürfnis nach einer radikalen Distanzierung von der Vergangenheit na-
turgemäß nicht so groß wie in der bis 1989 totalitär regierten Tschechoslowa-
kei. Dieses Bedürfnis hat nur in Tschechien, nicht aber in der Slowakei zu
greifbaren Ergebnissen geführt. Die Entschiedenheit der Ablehnung der kom-
munistischen Vergangenheit ist auch für Estland bemerkenswert, wo diese mit
einer Fremdherrschaft gleichgesetzt wird. Die gemäßigtere Umsetzung der
Aufarbeitungsgrundsätze in der Praxis erscheint dagegen eher als Ausdruck
realpolitischer Klugheit, die die Existenz einer großen russischen Minderheit
und die Nähe Rußlands ebenso in Rechnung stellen muß wie mangelnde Ver-
läßlichkeit des Westens in Krisensituationen. Südosteuropa bietet ein diffuse-
res Bild. Die gemeinsame Ausgangsbasis ist gewiß die historisch bedingte
Schwäche der rechtsstaatlich-demokratischen politischen Kultur. Auf dieser
Basis haben unterschiedliche Machtverhältnisse unterschiedliche Ergebnisse
gezeitigt. In Bulgarien wurde die juristische Bewältigung der kommunistischen
Vergangenheit nur 1990/92 ernsthaft in Angriff genommen, aber die Rückkehr
der postkommunistischen Sozialisten zur Macht hat den eingeleiteten Prozeß –
jedenfalls bis zum Frühjahr 1997 – zum Stillstand gebracht. In Bezug auf
Rußland und die Ukraine kann schließlich nur auf der Opferseite von Ansätzen
einer Aufarbeitung gesprochen werden. Die Täter haben nichts zu befürchten,
und den Funktionsträgern des überwundenen kommunistischen Regimes ste-
hen die Türen zu den Ämtern der neuen Staatsordnung offen, die sich in einem
pluralistisch-autoritären Übergangsstadium zu einer ungewissen Zukunft be-
findet.

 

Sondervotum der Mitglieder der Gruppe der PDS und des Sachverständigen
Mocek

Im Mittelpunkt des Berichts steht die „strukturelle Leistungsfähigkeit des
Rechtsstaates bei der Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß
der deutschen Einheit.“ Der Bericht läuft auf eine unkritische Legitimation des
Wechsels des Rechtssystems sowie seiner juristischen Durchsetzungsmecha-