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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 630 und 631
630
Enquete-Kommission

weitem nicht das Traditionspotential dieses Gebäudes. Es ist auch an die wil-
helminische Zeit zu erinnern, an das Treiben der reaktionären Kräfte in diesem
Hause, auch daran, daß im Reichstag 1914 die SPD-Fraktion den Kriegskredi-
ten zugestimmt hat, abgesehen von der imperialistischen Kriegsbegeisterung
der bürgerlichen Parteien. Andererseits sind hier Karl Liebknecht, Ernst Thäl-
mann und andere Linke gegen Militarismus und Krieg aufgetreten. Es ist an
das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 zu erinnern, wenn es auch nicht
im zerstörten Reichstagsgebäude, sondern in der nicht weit entfernten (inzwi-
schen nicht mehr existierenden) Kroll-Oper beschlossen wurde. Gerade das
Verhalten zum Ermächtigungsgesetz bietet warnend Anlaß, aus Fehlern zu ler-
nen. Während damals die Kommunisten bereits aus dem Reichstag ausge-
schlossen, z.T. schon inhaftiert waren, die Sozialdemokraten dagegen stimm-
ten (soweit nicht ebenfalls schon verhaftet), haben hier die bürgerlichen Partei-
en mit ihrem Stimmverhalten die Tore dem Faschismus geöffnet. Bürgerliche
Abgeordnete haben für das Gesetz gestimmt und damit der Errichtung des NS-
Terrorregimes beigestanden, die dessenungeachtet nach 1945 in der BRD füh-
rende Positionen einnahmen: Theodor Heuß – 1949 Bundespräsident, Jakob
Kaiser – Bundesminister in der Regierung Adenauer, Ernst Lemmer – Bun-
desminister, Heinrich Krone – CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, Reinhold
Maier – Mitbegründer und führende Persönlichkeit der FDP, Adam Stegerwald
– 1945 Regierungspräsident in Unterfranken und Mitbegründer der CSU.

Gegen die heute gängige, politisch durchsichtige und verzerrte Darstellung des
Endes der Weimarer Republik, wonach die „Extreme“ von links und rechts
sich gegenseitig hochgeschaukelt und schließlich die Demokratie zerstört hät-
ten, ist auf die entscheidende Verantwortung der konservativen Kräfte für das
Aufkommen der nazistischen Massenbewegung und die Errichtung der faschi-
stischen Diktatur zu verweisen. Das reicht von der frühen Protektion der
Rechtsextremisten durch die Reichswehr über die Harzburger Front von Okto-
ber 1931 und die Unterstützung durch Politiker, Großagrarier, Industrielle,
Professoren, Lehrer, Juristen, Offiziere bis zur konservativen Ministermehrheit
im ersten Hitlerkabinett vom 30. Januar 1933. Der konservativ-nationalistische
und rechtsextremistische Geschichtsrevisionismus tritt heute das Erbe der
Kontinuität in der Herkunft der Bundesrepublik und der früheren Verdrängung
einer verbrecherischen Vergangenheit an. Die Gedenkkultur wird längst von
diesen einflußreichen Bestrebungen und Tendenzen erfaßt. Die Vernachlässi-
gung von Gedenkstätten und Denkmalen, die an die von der Sowjetarmee und
den anderen alliierten Streitkräften erbrachten Opfer erinnern, ist dafür ebenso
symptomatisch und kritikwürdig wie der zunehmend selektive Umgang mit
antifaschistischen Traditionen, insbesondere die inzwischen offene Diskrimi-
nierung des Kampfes und der Opfer der kommunistischen Bewegung gegen
Krieg und Faschismus.

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Schlußbericht

5. Handlungsempfehlungen an Bundestag und Bundesregierung

5.1 Umgang mit Gedenktagen

In Deutschland erinnert eine Vielfalt von historischen Gedenktagen an die Ge-
schichte unseres Landes, an die beiden Diktaturen, an Opposition und Wider-
stand, aber auch an unsere demokratischen und freiheitlichen Traditionen. Ge-
denktage bieten die Möglichkeit, sich konkret mit historischen Ereignissen zu
beschäftigen.

Die Enquete-Kommission schlägt vor, die Angebote und Veranstaltungen von
Parteien, Vereinen und Bürgern, insbesondere auch die Angebote der Gedenk-
stätten, im Umfeld von Gedenktagen zu fördern.

Von besonderer Bedeutung ist der 3. Oktober als „Tag der deutschen Einheit“.
Als staatlicher Feiertag erinnert er an die Herstellung der deutschen Einheit im
Jahre 1990. Nachdem die Deutschen in der DDR im Herbst 1989 die SED-
Diktatur gestürzt hatten, legte die erste freigewählte Volkskammer am 23. Au-
gust 1990 den 3. Oktober als Tag der Herstellung der deutschen Einheit fest.
Seit dem 3. Oktober 1990 gilt das Grundgesetz in ganz Deutschland.

Seit 1996 ist der 27. Januar, der Jahrestag der Befreiung des Konzentrations-
und Vernichtungslagers Auschwitz im Jahre 1945, „Tag des Gedenkens für die
Opfer des Nationalsozialismus“. Der 17. Juni, der Jahrestag des Volksaufstan-
des in der DDR im Jahre 1953, ist seit 1963 „Nationaler Gedenktag des deut-
schen Volkes“.

Die Enquete-Kommission schlägt vor, den 17. Juni wieder verstärkt ins öf-
fentliche Bewußtsein zu heben. In Anerkennung der Proklamation des 17. Juni
zum Nationalen Gedenktag durch den Bundespräsidenten vom 11. Juni 1963
regt die Enquete-Kommission an, am 17. Juni insbesondere an Opposition und
Widerstand gegen die SED-Diktatur zu erinnern und diese als Teil der deut-
schen und europäischen Freiheits- und Demokratietraditionen zu würdigen.
Die Enquete-Kommission bittet die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dik-
tatur in Deutschland gemäß dem Stiftungsgesetz, Vorschläge für Formen und
Möglichkeiten der Ausgestaltung des 17. Juni zu unterbreiten, die helfen kön-
nen, den 17. Juni als lebendigen Gedenktag in ganz Deutschland zu begehen.

Insbesondere die Volksvertretungen auf allen Ebenen des föderalen Staates
sind aufgefordert, Gedenktage in würdiger Form zu gestalten. Dabei sollen
insbesondere neue Formen der Erinnerung und des Gedenkens ermöglicht so-
wie die Beschäftigung mit den historischen Hintergründen und aktuellen Be-
zügen in der Gegenwart in der Bevölkerung angeregt werden. Die Gestaltung
der Gedenktage darf nicht zu staatlicher Pflichtübung und einem sinnentleerten
Ritual werden, sondern soll als gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche
Aufgabe angesehen werden.

Die Enquete-Kommission regt an, den bestehenden Austausch des Deutschen
Bundestages und der Länderparlamente über Formen und Möglichkeiten des