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nen. Hier haben wir in Ostdeutschland ein Instrument entwickelt, das es er-
laubt, notwendige Arbeiten beschäftigungswirksam zu fördern und zugleich
wettbewerblich zu vergeben, so daß die Durchführung in der Wirtschaft effizi-
ent erfolgt und nicht wettbewerbsverzerrend wirkt. Das heißt, hier ist ein Be-
reich, wo wir in Ostdeutschland im Transformationsprozeß eine neue Ent-
wicklung angeschoben haben, und die müßten wir nun nur einbringen. Das
steht für mich als eines der wesentlichen Beispiele, wie aus dem Transformati-
onsprozeß auch für Gesamtdeutschland Dinge entwickelt werden können.
Ein weiterer Bereich, der sehr beachtlich ist, sind die Solidaritätsleistungen,
die wir bei den ostdeutschen Lehrern sehen. Sicherlich aus der Not geboren,
sind hier die Modelle Arbeitszeitverkürzung statt Entlassungen beispielhaft
und sollten auch stärker in Westdeutschland wahrgenommen und möglicher-
weise auch berücksichtigt werden. Ansonsten wird man da auch ähnliche Pro-
bleme in einer Zeit geringer Geburten bekommen.
Also hier eine zentrale Aussage für den Ausblick: Spezifische ostdeutsche
Probleme sind hier häufig nur krasser, treten aber auch in Westdeutschland
auf. Für diese Probleme muß man dann in ganz Deutschland Lösungsansätze
auf der Grundlage unserer Erfahrung formulieren. Das wäre mein Beitrag zum
Ausblick.
Gesprächsleiter Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Vielen herzlichen Dank, das
war ein breites Spektrum. Herr Dr. Lubk.
Dr.-Ing. Rainer Lubk: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, auch
ich danke für die Einladung, die gestern zu dieser Beratung an mich ergangen
ist, gibt sie doch noch einmal Gelegenheit, auch aus der Kenntnis der beiden
letzten Tage, einige Dinge hier darzulegen.
Ich kann nahtlos an die Ausführungen von Herrn Dr. Schmachtenberg anknüp-
fen, daß es zu den wesentlichen Ergebnissen des Transformationsprozesses
gehört, daß in Ostdeutschland nach den Beschäftigungseinbrüchen der Jahre
1991 bis 1993 inzwischen fast das Niveau der Erwerbstätigkeit – wie es in
Westdeutschland existiert – erreicht wurde.
Auch die weitgehende Wahrung des sozialen Friedens zählt zu den Ergebnis-
sen eines erfolgreich bewältigten Transformationsprozesses.
Zuzustimmen ist der Feststellung, daß es eine abnehmende Akzeptanz der
Parteiendemokratie gibt; dies scheint aber erklärbar, wenn z. B. jede der Par-
teien mit eigenen Befunden zu den Problemen von Arbeitsmarkt und Er-
werbstätigkeit aufwartet. Der Bürger scheint es leid zu sein, sich in diesem
Gegeneinander noch zurecht zu finden.
Zu den Anmerkungen über die Eigentumsfrage erlaube ich mir den Hinweis,
daß auch dies ein Beispiel sein dürfte, bei dem Sachaufklärung dringend not-
wendig ist. Nach den vorliegenden Analysen des Sächsischen Landesamtes zur
Regelung offener Vermögensfragen handelt es sich bei den Auseinanderset-
zungen häufig nicht, wie allgemein angenommen, um ein West-Ost-Problem,
sondern um ein Problem zwischen Bürgern, die die DDR verlassen hatten und
denen die geblieben sind.
Im übrigen sollte man die Bedeutung des Prinzips „Rückgabe vor Entschädi-
gung“ für die Wiederherstellung eines Rechtsbewußtseins nicht unterschätzen.
Standortbestimmung und Ausblick zur Wirtschaft
Als Vertreter eines Ministeriums, in dem Wirtschaft und Arbeit vereint sind,
sollen im folgenden der Stand im Transformationsprozeß und Schwerpunkte
bzw. Probleme der weiteren Arbeit auf den Gebieten Wirtschaft und Arbeit
kurz skizziert werden:
In den neuen Ländern ist zwischen 1991 und 1996 das Bruttoinlandsprodukt
real um rund 6,8 % gestiegen. In Sachsen waren es 7,2 %.
1996 war in den neuen Ländern allerdings nur ein Wachstum von 2 % zu ver-
zeichnen, in Sachsen waren es 2,6 %.
Diese Entwicklung kommt nicht unerwartet. Die nachlassenden Impulse aus
der Bauwirtschaft, die in Ostdeutschland einen dreimal so hohen Anteil an der
Bruttowertschöpfung hat wie in Westdeutschland sowie die allgemeinen Kon-
junkturprobleme in Deutschland und Schwächen ostdeutscher Unternehmen –
darauf wurde in der gestrigen Sitzung hingewiesen – ließen dies erwarten.
Der Abstand in der Wirtschaftskraft konnte gegenüber Westdeutschland bisher
nur wenig abgebaut werden, ohne das dies die bisherigen Aufbau-Leistungen
schmälert.
Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen beträgt in Sachsen rund 60 % des
westdeutschen Niveaus (1995). Im Bundesgebiet Ost sind es nur 57 %. Der
Beitrag der neuen Länder zum Bruttoinlandsprodukt beträgt 9,3 %. Der Bevöl-
kerungsanteil der neuen Länder liegt bei rund 19 %.
Es gibt ein erhebliches Kapitaldefizit in Ostdeutschland. Der Kapitalstock je
Einwohner beträgt etwa 50 % des Niveaus in Westdeutschland.
Diese wenigen Werte für zentrale gesamtwirtschaftliche Maßstäbe zeigen in
Verbindung mit dem Wissen, daß wir nach der bisherigen Wachtumsdynamik
in eine zunehmend labilere Phase kommen, daß Forderungen nach einer Redu-
zierung der West-Ost-Transferzahlungen zur Förderung von Investitionen oder
des Abbaus von Förderpräferenzen für Ostdeutschland der Situation nicht im
geringsten angemessen sind.
Notwendigkeit und Umfang der finanziellen Hilfen an die neuen Bundesländer
wurden in der westdeutschen Öffentlichkeit und auch von der westdeutschen
Wirtschaftspolitik bisher fast ausschließlich unter dem verteilungspolitisch ge-
prägten Solidaritätsgesichtspunkt gesehen und gewertet. Eine solche Sicht ist
verzerrt: