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Wahlperiode 13, Band VI, Seiten 54 und 55
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Protokoll der 22. Sitzung

nicht enttäuschen, oder sei nicht traurig, aber eines will ich dir mal sagen, in
Sachsenhausen haben da nach dem Krieg noch Leute dringesessen. Das ging
um Sachsenhausen, vielleicht auch um Buchenwald, das weiß ich nicht mehr.
Und ich war von den Socken. Absolut. Also ich war damals elf, von kleinen
Socken sozusagen und fragte zu Hause nach. Und hier kommt – glaube ich –
etwas Interessantes. Wir reden ja von Erziehungsauftrag, und wir bemühen uns
alle miteinander, Menschen zu erziehen, aber Erziehung findet zu Hause statt
oder sie findet nicht statt. Und damals – und dafür kann ich nur dankbar sein –
erklärten mir das meine Eltern und sagten: so war das. Und da erinnere ich
mich auch, daß da sehr fein der Unterschied gemacht wurde zwischen – wahr-
scheinlich war etwa so die Formulierung – zwischen Nazis, die da saßen, und
kleinen unschuldigen Mitläufern. Dieses wurde sogar an einem Beispiel fest-
gemacht, daß nämlich der Herr Sowieso, der bei uns eine Etage darüber
wohnte, der nämlich kam zur Hausmusik, der eigentlich ein ganz anständiger
Mann war, aber den hat es wegen irgendwelcher Willkür getroffen, und der
war in Sachsenhausen inhaftiert.

So einfach ist die Frage zu beantworten. Also Erziehung findet zu Hause statt.
Wenn es schon in vielen Fällen kein Zuhause mehr gibt, müssen wir andere
erziehen, nämlich die Pädagogen. Die haben es auch bitter nötig. Aber die sind
nicht immer Schuld an jedem Desaster. Zu Ihrer Frage, Herr Faulenbach,
stimme ich Ihnen zu, einschränkend dem, was Herr Bubis dazu sagte. Aber zu-
nächst gilt es, für uns den Verlust deutlich zu machen. Überhaupt zu sagen,
daß da ein Verlust ist. Und wenn Sie in die Oranienburger Straße gehen – muß
ich doch mal pro domo reden im wahrsten Sinne des Wortes – dann wird die-
ser Verlust deutlich an der Gestaltung der Freifläche.

Drittens muß ich doch noch etwas sagen. Daß Leute, die Bubis heißen, mitein-
ander verwandt sind, darauf bin ich relativ schnell gekommen. Aber es gibt
wirklich hier so etwas wie Koinzidenz der Ereignisse. Daß nämlich die Anfra-
ge nach diesem Dokument, das mir in die Hände fiel, auch nicht direkt, son-
dern über einen sehr merkwürdigen Umweg, zeitgleich war mit dem Artikel in
der Berliner Zeitung.

Vorsitzender Siegfried Vergin: Damit sind wir am Ende der ersten Runde.
Die Sitzung ist für eine Mittagspause unterbrochen.

[Unterbrechung der Sitzung von 14.20 Uhr bis 15.12 Uhr]

Vorsitzender Siegfried Vergin: Wir setzen die Sitzung der Enquete-Kom-
mission fort, und wir kommen damit zur 2. Gesprächsrunde zum Thema Ge-
denkstättenarbeit für Nachgeborene – Vertreter der Opfer der SBZ/DDR-Zeit.
Ich habe die Freude, ich will gleich eine persönliche Bemerkung anschließen,
mit Herrn Gerhard Finn, der neben mir sitzt, zu beginnen. Herr Finn ist Vorsit-
zender der Union der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft.
Er wurde als 15-jähriger vom NKWD im Speziallager Buchenwald bis 1948
interniert, wurde 1948 mit Tbc entlassen, ging darauf in den Westen, so die
nüchternen kurzen Daten. Aber ich nehme ihn als ersten, weil ich meine Freu-

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Gedenkstättenarbeit für Nachgeborene

de zum Ausdruck bringen will, daß er wieder so gesund ist, daß er die Vertre-
tungsarbeit seiner Mitglieder voll aufnehmen kann und heute insbesondere hier
zur Verfügung steht. Als zweiten begrüße ich Herrn Ulf Müller, ganz außen
von mir gesehen. Herr Müller ist Vorsitzender des Häftlingsbeirates des
NKWD-Lagers in der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Mitglied des
SPD-Arbeitskreises ehemaliger politischer Häftlinge in der SBZ/DDR, und
dann wird gesagt, daß sein Großvater Fritz Husemann und sein Vater als Sozi-
aldemokraten von den Nazis ermordet wurden. Hier ist also eine ganze Famili-
engeschichte mit ihm am Tisch. Er selbst wurde als Sozialdemokrat und Geg-
ner der Zwangsvereinigung 1948 vom NKWD verhaftet, saß bis 1956 in Tor-
gau und Bautzen. Und dann freue ich mich, daß Herr Werner Nöckel einge-
sprungen ist für Herrn Schmidt, dem wir einen schönen Urlaub wünschen, den
er schon lange geplant hatte, und der auch zustande gekommen ist und somit
herzlichen Dank Ihnen Herr Nöckel, daß Sie gekommen sind. Er ist Mitbe-
gründer der Vereinigung der Opfer des Stalinismus in Thüringen nach der
Wende. Heute ist er dort Landesvorsitzender. 1957 wurde er wegen Revisio-
nismus, wie das heißt, verurteilt und war bis 1960 in Waldheim inhaftiert. An-
schließend lebte er weiter in der DDR, aber er konnte nicht mehr als Historiker
arbeiten. Meine Herren, die Fragen sind die gleichen. Die Hintergründe bei
Ihnen sind andere. Obwohl das Phänomen der Diktatur dann wiederum in ähn-
liche Richtung geht. Ich würde Sie zunächst jetzt bitten, in den vorgesehenen
7-10 Minuten unsere gestellten Fragen zu beantworten, und dann machen wir
eine Runde mit der Kommission, und dann werden wir sehen, wie wir im
Fahrplan weitermachen. Zunächst Herr Finn, darf ich Sie bitten.

Gerhard Finn: Ja, schönen Dank Herr Vorsitzender, meine Damen und Her-
ren, ich bin ja nun Buchenwalder und seit ungefähr 8 Wochen sogar durch
Ukas oder wie man es nennen will aus Moskau rehabilitiert, habe also, wie
man geschrieben hat, zu Unrecht in Buchenwald gesessen und darf jetzt alle
meine Rechte wieder in Anspruch nehmen. Aber obwohl ich Buchenwalder
bin, möchte ich nicht auf die Auseinandersetzungen mit Themen, die speziell
Buchenwald betreffen, die wir ja auch heute erörtert haben, heute vormittag,
zum Teil auch beim Rundgang, nicht aufgreifen, sondern eben auf das Thema
Gedenkstättenarbeit für die Nachgeborenen oder umfassende Gedenkstätten-
konzeption eingehen. Wir haben ja Hunderte von Gedenkplätzen in ganz
Deutschland für beide Diktaturen, meist mit lokaler Bedeutung. Aber in den
neuen Ländern sind nun Gedenkplätze durch doppelte Belastung, doppelte
Vergangenheit hinzugekommen, und ich möchte deshalb doch, weil wir hier in
Buchenwald sind und das Thema ein bißchen auf Buchenwald eingeschränkt
wurde, sagen, daß es also nicht nur Buchenwald und Sachsenhausen waren, die
diese doppelte Vergangenheit haben, sondern es gibt ja viele Orte in Deutsch-
land. Ich erinnere jetzt nur mal kurz an den Marstall hier in Weimar (Gestapo
und NKWD-Keller) oder an die Hinrichtungsstätte in Dresden, wo die Nazis
und die SED ihre Opfer köpften, man hat da also noch mit der Guillotine gear-
beitet. Und darum geht es mir auch, daß es um Haft- und Folterstätten alleini-
ger kommunistischer Provenienz geht, die wir jetzt bei den Überlegungen der