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Wahlperiode 13, Band VII, Seiten 60 und 61
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Protokoll der 17. Sitzung

wenn auch momentan wohl nicht realisierbar. Unabhängig davon ist jedoch die
Förderung der Aufarbeitungsgruppen, der Opferverbände und antistalinisti-
schen Vereinigungen in ihrem Bemühen um die Klärung der Vergangenheit.
Gerade hier gibt es dringend zu behebende Defizite – viele sind auch heute
vormittag schon genannt worden. Ich möchte trotzdem auf einige eingehen. Zu
diesen Defiziten gehört die vollkommen unsichere und ungenügende finan-
zielle Absicherung dieser Gruppen und, das scheint mir besonders wichtig zu
sein, das Fehlen von Beziehungen zur akademischen Forschung mit deren Pu-
blikationsmöglichkeiten. Die akademische Forschung in Deutschland nimmt
die Publikationen der Aufarbeitungsgruppen in der Regel nicht oder nur sehr
zögerlich wahr.

Ein zweiter Punkt, der die Arbeit der Gruppen erschwert, ist, daß ein fester
Mitarbeiterstamm bisher in der Regel nicht bezahlt werden konnte. Die Förde-
rung durch ABM ist vollkommen unzureichend und Sachmittel sind oft nicht
vorhanden. Hier entsteht – und das wurde auch schon erwähnt – ein gravieren-
des Problem dadurch, daß die vorhandenen Archivalien von physischem Ver-
fall bedroht sind. Das gibt mir das Stichwort Ormig. Ein Großteil von Opposi-
tionsmaterialien, Flugblätter etc. sind vor 10, 15 Jahren über Ormig – ein heute
kaum noch bekanntes Verfahren – vervielfältigt worden. Diese Ormigsubstanz
zerfrißt das Papier. In den nächsten fünf Jahren wird ein Großteil des Materials
einfach verfallen. Die Restauration ist noch möglich, aber sehr kostspielig. Sie
muß aber in den nächsten fünf Jahren erfolgen. Wenn hier nichts passiert, geht
aus meiner Sicht heraus wertvolles Kulturgut verloren. Die Isolierung der
Gruppen erhöht darüber hinaus, daß ihre Mitarbeiter in der Regel zu wissen-
schaftlichen Tagungen nicht eingeladen werden und daß die Ergebnisse ihrer
Forschung gemessen an professionellen Standards von der universitären For-
schung nicht ausreichend geschätzt werden. Die Gruppen haben bisher kaum
Einfluß auf die Jugendarbeit und die Erwachsenenbildung, und auch der Zu-
gang zu Medien gestaltet sich sehr schwierig.

Drittens: In dieser Situation ist für die Fortführung des Aufarbeitungsprozesses
eine Institution, eine Stiftung unverzichtbar, die die solide und langfristige Fi-
nanzierung der Aufarbeitungsgruppen, die Interessenvertretung der Opfer, die
Wiedergutmachung, die Beförderung der Verbindung zwischen den Gruppen
einerseits und andererseits der etablierten Forschung, den Medien und der po-
litischen Bildung in die Hand nimmt oder zumindest unterstützt. Notwendig ist
auch die Herstellung von Öffentlichkeit für die Gruppen und die Qualifizie-
rung ihrer Mitarbeiter. Ein weiterer Punkt ist die Unterstützung bei der Er-
leichterung der Durchsetzung von Projekten bei Arbeitsämtern, was immer
wieder ein schwieriges Problem ist. Diese dringend benötigte Vermittlungs-
stelle einer Stiftung sollte nicht oder nur im geringen Ausmaß Träger eigener
Forschung sein, müßte sich dagegen als Schaltstelle zu Schulen, Schulbuch-
verlagen, zu Gedenkstätten, zu Museen, zu Rundfunk und Fernsehen verste-
hen. Darüber hinaus könnte sie in Zusammenarbeit mit bestehenden Einrich-
tungen – wie dem Matthias-Domaschk-Archiv – das Sammeln von Archivgut
der DDR-Opposition und des Widerstandes fördern und dessen Aufbewah-

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Situation der Aufarbeitungsinitiativen

rungsorte dokumentieren. Das Sammeln der Archivalien selbst sollte bei den
Gruppen und Vereinigungen verbleiben, da es ihnen besonders leicht fällt, auf
der Basis gegenseitigen Vertrauens seltene Dokumente aus Privathand zu er-
halten. In weiterer Zukunft wäre eine Publikation von Materialien für die poli-
tische Bildung, ein Handbuch zum Widerstand und Opposition der DDR sowie
die Sammlung von Lebensberichten denkbar. Dazu könnten ein Informations-
bulletin, die Vermittlung von Ost-West-Kontakten sowie von Kontakten zu
oppositionellen Bewegungen in Osteuropa und ein Register der laufenden For-
schungsarbeiten kommen.

Ich komme zum Schluß und zu meinem vierten Punkt: Ich denke, daß eine sol-
che Institution, die sich mit der SED-Diktatur befaßt und sich die beschriebe-
nen Aufgaben zum Ziel setzt, zur Zeit in Deutschland nur der Bundestag
durchsetzen kann. Es handelt sich dabei um eine Aufgabe, die unmittelbar auf
ihre Lösung drängt, damit nicht der größerwerdende Abstand zur Diktatur, die
Nostalgie und die politisch-instrumentalisierte Verklärung umso schneller
wachsen. Dem sollten Bundestag und andere politische Institutionen energisch
widerstehen. Danke.

Gesprächsleiter Abg. Markus Meckel: Herzlichen Dank, Rainer Eckert. Wir
kommen jetzt in die Phase der Diskussion. Es ist wieder so wie am Vormittag,
daß wir in einer ersten Runde die Mitglieder der Kommission bitten, Beiträge
zu geben oder Fragen zu stellen. Ich denke, gerade dieser Themenkomplex ist
besonders dazu geeignet, miteinander ins Gespräch zu kommen. In einem
zweiten Teil der Diskussion wird diese dann für das Publikum geöffnet. Da-
durch, daß wir die Reihenfolge – wie angesprochen – umgestellt haben und ich
selbst einen Termin mit Prof. Geremek aus Polen habe, der sich um 1 1/2
Stunden vorgeschoben hat, muß auch ich in wenigen Minuten den Raum ver-
lassen, so daß Tilo Braune dann die Diskussion weiter moderiert. Auf der Liste
ist der erste Prof. Maser.

Sv. Prof. Dr. Peter Maser: Es tut mir leid, daß Pfarrer Stauss nun schon ge-
hen mußte, aber trotzdem wird man sich natürlich mit seinem Referat beschäf-
tigen müssen, das ja grundlegend gemeint war.

Gesprächsleiter Abg. Markus Meckel: Ich denke, das sollte man wirklich so
halten. Er kann nicht mehr antworten, aber das Ganze wird ja dann auch ge-
druckt, und die Auseinandersetzung mit den Thesen muß hier an dieser Stelle
erfolgen.

Sv. Prof. Dr. Peter Maser: Pfarrer Stauss hat einen Satz gesagt, der mir sehr
wichtig gewesen ist: Die Täter erinnern sich nicht, aber die Opfer umso mehr.
Das ist eine Formulierung, mit der man vieles von dem beschreiben kann, was
wir heute erleben und was wir in Zukunft wahrscheinlich noch stärker erleben
und als Problem empfinden werden. Wo meine Probleme beginnen, das ist der
Ort, wo es dann theologisch wird. Pfarrer Stauss hat unter Berufung auf Man-
dela und die südafrikanische Versöhnungskommission als Frage nach einer
Verständigung über die Ziele des Aufarbeitungsprozesses von der Heilung ge-