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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 24 und 25
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Protokoll der 34. Sitzung

Manchmal wird man doch gehalten sein, hier korrigierend einzugreifen, aber
das möchte ich dann tun, wenn wir zu einer Aussprache überleiten. Liebe Frau
Köhler, ich darf Sie gleich bitten, daß Sie Ihr Referat halten; ich wäre dankbar,
wenn Sie sich auch an den Zeitrahmen hielten. Also ich gehe davon aus, daß
Sie bis 11.30 Uhr sprechen. Bitteschön.

Dr. Anne Köhler: Ja, Herr Vorsitzender, ich hoffe, man kann bis hinten die
Folien erkennen, sonst müßten wir noch ein bißchen weiter zuschließen, damit
es etwas dunkler wird. Ich schließe jetzt auch unmittelbar an meine Vorredner
an und konzentriere mich auf Wunsch des Veranstalters vor allem auf die
DDR-Vergangenheit, also auf die Wahrnehmungsmuster der Deutschen in der
DDR. Ergänzend dazu behandle ich dann einige Einstellungsmuster der Bun-
desdeutschen gegenüber der DDR und schließe dann mit Daten im Rückblick
bzw. in der Vorausschau auf die Zukunft mit Status 1993. Sie werden dann
heute Nachmittag in der 3. Veranstaltung aktuelle Daten vorgetragen bekom-
men zur gegenseitigen Sicht der Deutschen Ost und West, Weiterwachsen von
Stereotypen und wie damit umzugehen ist. Mit meinen heutigen Ausführungen
schließe ich unmittelbar an den von mir erstellten Enquete-Bericht „National-
bewußtsein und Identitätsgefühl der Bürger der DDR unter besonderer Berück-
sichtigung der deutschen Frage“, den ich schon 1994 vorgelegt habe, an.

Zunächst zum Thema DDR. Infratest hat schon vor dem Mauerbau bis 1961
Befragungen durchgeführt, also Flüchtlingsbefragungen, die dem Thema DDR
gewidmet waren. Das wurde dann mit dem Bau der Mauer zwangsläufig ein-
gestellt. 1968 begann dann Infratest mit einem kontinuierlichen DDR-For-
schungsprogramm, das von 1968 bis 1990, das heißt bis zur Einstellung das
Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen, lief und dann mit der
Auflösung des Ministeriums eingestellt wurde. Dieses Programm lief da in
halbjährlichen bzw. jährlichen Erhebungsintervallen. Die Materialien und die
Erkenntnisse, die aus diesem Forschungsprogramm gewonnen wurden, waren
aber Verschlußsache, sie waren einem ganz kleinen Kreis zugänglich, primär
dem Bundeskanzleramt, partiell dem Berliner Senat. Ansonsten war das ein
Material, das nicht an die Öffentlichkeit gelangte und eigentlich mehr dazu
dienen sollte, daß man die bundesdeutsche Politik auch im Hinblick auf die
Resonanz in der DDR-Bevölkerung konzipieren konnte. Wir hatten also in die-
sem Programm stets kontinuierliche Basisfragen zum politischen Interesse, zur
Beurteilung der Lebensverhältnisse, zu Statistikfragen usw. Dann haben wir
aktuelle Themen der bundesdeutschen bzw. der innerdeutschen Politik behan-
delt und in einem dritten Komplex Schwerpunktthemen wie z. B. Jugend in der
DDR, Frauen in der DDR oder Freizeit und Beruf.

Die Methoden dieser Infratest-DDR-Forschung habe ich bereits ausführlich in
dem erwähnten Enquete-Bericht dargelegt. Ich bin aber gebeten worden, hier
noch einmal kurz einige Hinweise zu geben, weil der wahrscheinlich nicht al-
len gegenwärtig ist. Es handelte sich bei diesem Programm zunächst um stan-
dardisierte Besucherbefragung. Wir haben also keine DDR-Bürger direkt be-
fragt, denn Sie wissen ja, in die Bundesrepublik kamen nur Rentner oder aus-

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Wechselseitige Wahrnehmungen und ihre Nachwirkungen

gesuchte Personen, die aber keinen repräsentativen Überblick erlaubten, und so
haben wir uns ein Stellvertreter-Forschungsmodell überlegen müssen, das wir
dann im Laufe der Jahre weiterentwickelt haben. In dieses Modell haben wir
dann eine Form der kombinierten teilnehmenden Beobachtungen eingebaut,
die indirekte Befragung. Es wurden DDR-Besucher befragt, die innerhalb ei-
nes bestimmten Zeitraums, in den letzten zwei Monaten, damit die Erinnerung
noch recht frisch war, in der DDR gewesen waren und die sich dort mindestens
drei Tage aufgehalten hatten. Die soziostatistische Struktur der befragten
westdeutschen Besucher wurde anhand von repräsentativen bundesdeutschen
Kontrollerhebungen zur Struktur der DDR-Besucher überprüft, und die Befra-
gungen erfolgten mündlich, wobei wir da in zwei Ebenen vorgegangen sind.
Die erste Ebene umfaßte Auskünfte der DDR-Besucher zur eigenen Einstel-
lung und zu Eindrücken, die sie in der DDR gesammelt hatten, sowie zu aktu-
ellen politischen Fragen. Mit diesem ersten Teil wollte man auch Projektionen
der Befragten ausschließen bei dem zweiten Teil der Auskünfte, die man dann
über eine Person in der DDR einholte, die wir als Person X bezeichneten und
über die der DDR-Besucher zu Einstellungen, Meinungen, Verhaltensweisen
usw. Auskunft gab. Aufgrund der zusätzlichen statistischen Daten dieser Per-
son X konnten wir dann über die amtliche Statistik eine Gewichtung vorneh-
men und zu repräsentativen Wertungen gelangen. Im Schnitt wurden 1.200
Interviews im Jahr durchgeführt, in dem gesamten Erhebungszeitraum ca.
27.000 Interviews, also es ist eine sehr breite Basis. Und ergänzt wurden diese
Erhebungen durch Dokumentationen, also durch Sekundärauswertungen vor-
liegender Datenmaterialien, ferner durch Gespräche mit DDR-Experten sowie
durch Besuche der DDR seitens der Projektverantwortlichen. Wir sind also
auch selber in die DDR gefahren, zu unserer Verwunderung hat man uns auch
immer wieder rausgelassen. In Gruppendiskussionen wurde mit Besuchern der
DDR im Vorfeld regelmäßig abgeklärt, welche Themen zur Zeit jeweils aktu-
ellen Gesprächsstoff bei DDR-Besuchen bildeten, und dann wurden diese gan-
zen Materialien zu Analysen verknüpft und durch Kontrolluntersuchungen
noch einmal auf Relevanz überprüft. Sofort nach der Wende haben wir damit
begonnen, eigenständige repräsentative Direktbefragungen vorzunehmen und
konnten – auch unter Zuhilfenahme von Sekundärauswertungen – feststellen,
daß wir mit diesen Materialien tatsächlich ein verallgemeinerungsfähiges und
inhaltlich verbindliches Material gewonnen hatten. Das war über 22 Jahre
hinweg eine doch recht informative Informationsquelle für die Regierungen,
die ja in dem Zeitraum zwischen 1968 und 1989 wechselten. Wenn Sie Ge-
naueres über die Methode wissen wollen, die eben sehr komplex ist, können
Sie dieses ausführlich nachlesen in dem Enquete-Bericht.

Ich möchte dann auch schon gleich zu empirischen Daten aus diesem Material
übergehen und Ihnen zunächst einmal einen Basiswert vorstellen, den wir zu-
sammengefaßt haben für die ersten 11 Jahre 1968 bis 1978 und dann wiederum
für eine Dekade von 11 Jahren von 1979 bis 1989: das ist die Beurteilung der
allgemeinen Lebensbedingungen in der DDR durch die DDR-Bewohner. Sie
sehen, daß schon in den siebziger Jahren, als aus Sicht der westdeutschen Po-