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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 56 und 57
56
Protokoll der 34. Sitzung

kerung, und das, obwohl die Informationsmöglichkeit des Westens in der DDR
so gut war wie nie zuvor seit der Mauer. Kaum jemand konnte sich vorstellen,
daß die Sowjetunion die DDR kampflos hergeben könnte.

Ich wollte noch etwas sagen zu den Westmedien, zu den westlichen Korre-
spondenten in der DDR, aber ich denke, das können wir vielleicht auch in der
Diskussion nachtragen. Ich muß Schluß machen.

Gesprächsleiter Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank Frau Spittmann,
ich muß leider immer ein bißchen, ich bitte dafür um Verständnis, auf die Uhr
schauen, die Zeit läuft uns davon. Ihr Referat zeichnete sich vor allem dadurch
aus, daß Sie die Entwicklung des Medienbildes in beiden deutschen Staaten
immer in den Kontext der politischen Entwicklung gestellt haben, was not-
wendigerweise Auswirkungen auf die jeweils wechselseitigen Wahrneh-
mungsmuster haben sollte. Ich denke, daß wir in der Diskussion darauf zu-
rückkommen. Jetzt darf ich zunächst Herrn Dr. Busse bitten zu seinem State-
ment.

Dr. Peter Busse: “Erkenntnisse des MfS zur Westwahrnehmung in der Bevöl-
kerung der DDR“. Dieses Thema muß bei mir Stückwerk bleiben, ich bin erst
vor drei Wochen aufgefordert worden, hier vorzutragen, aber ich will es trotz-
dem versuchen. Drei Punkte will ich behandeln: Erstens, Aufgaben des MfS
zur Kanalisierung der Westwahrnehmung in der Bevölkerung; zweitens, Aus-
sagekraft der Stimmungsberichte; und drittens, Feststellungen des MfS in
Stimmungsberichten und anderen Mitteilungen.

Zu 1:

Die Westwahrnehmung berührte sicher ein politisches Schlüsselproblem des
SED-Staates. Mit der Staatsgründung mußte die SED die gesamtdeutsche Ori-
entierung der Bevölkerung abschwächen und dem kleineren deutschen Teil-
staat eine eigene historisch-politische Legitimität verleihen. Die Legitimität
der DDR sollten der Antifaschismusanspruch und der Aufbau des Sozialismus
auf deutschem Boden ermöglichen. Doch schon der 17. Juni 1953 zeigte, daß
die DDR die eigene Bevölkerung nicht hinreichend an sich binden konnte. Seit
den 50er Jahren wurde der westdeutsche Staat neben seiner freiheitlichen Ver-
faßtheit insbesondere auch wegen seines wirtschaftlichen Aufstiegs für die
Ostdeutschen attraktiv und immer attraktiver. Auch nach dem Mauerbau be-
hielt der Westen seine Anziehungskraft. Nun waren es zunächst die Medien,
Rundfunk, Fernsehen, die Besucher aus der Bundesrepublik und die Ge-
schenkpakete, die eine sinnliche Wahrnehmung des Westens ermöglichten. Es
begann ein Kampf gegen die „Feindsender“, das wurde schon vorgetragen. Mit
dem Beginn der Entspannungspolitik wollte die SED eine Verstärkung ihrer
Abgrenzungspolitik, die Wahrnehmung des Westens durch die DDR-Bevölke-
rung in die Muster ihrer Klassenkampfideologie umlenken. Aber der Strom der
westdeutschen Besucher, die ostdeutschen Reisenden in dringenden Familien-
angelegenheiten und vor allem die Rentner mit ihren Berichten aus der Bun-

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Wechselseitige Wahrnehmungen und ihre Nachwirkungen

desrepublik ermöglichten eine innerdeutsche Kommunikation, die sich nicht in
die ideologischen Vorgaben einfügte. Allein die kontinuierlich ansteigende
Ausreisewelle bis 1989 beweist, daß es der SED-Propaganda nie gelungen
war, die Westwahrnehmung der gesamten Bevölkerung zu manipulieren.

Dieser für die SED unbefriedigende Zustand verlangte den umfassenden Ein-
satz des MfS. Dem konspirativen Organ kamen mehrere Aufgaben zu:

  1. Das MfS sollte die Stimmungslage erforschen und darüber die Entschei-
    dungsträger informieren.
  2. Die Ost-West-Kommunikation sollte möglichst kontrolliert werden.
  3. Der Informationsfluß aus dem Westen sollte behindert und nach Möglich-
    keit auch gesteuert werden.
  4. Der Westwahrnehmung sollte durch gezielte Propaganda und durch Desin-
    formationskampagnen entgegengewirkt werden.
  5. Das MfS sollte Bekundungen des Einheitswillens und Proteste gegen die
    Mauer verfolgen.
  6. Mit Hilfe der MfS-Agenten sollte Einfluß auf die westdeutsche Politik ge-
    nommen werden, um die DDR im Innern zu stabilisieren.

In diesem Zusammenhang interessiert vor allem die konspirative „Meinungs-
forschung“ des MfS. Meine Behörde verfügt in ihren Archivbeständen, Sie
wissen das, über umfangreiches Material über diese Funktion des MfS. Die
Stimmungslage der Bevölkerung wurde systematisch vom MfS beobachtet und
registriert. In der Regel wurden dazu die IM-Berichte ausgewertet, aber auch
die Telefon- und Postkontrollen lieferten in den 50er Jahren und später ausgie-
big Material für die Stimmungsberichte. Die so gewonnenen Informationen
wurden, abgesehen von weiteren Zwischenbearbeitungen, durch die Auswer-
tungs- und Kontrollgruppen, die AKG’s, verdichtet und wiederum aufbereitet
über die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, die ZAIG in Berlin,
an Partei- und Staatsfunktionäre gegeben.

2. Zur Aussagekraft dieser Stimmungsberichte

Mit dem Verarbeitungssystem der Informationen war eine reduktionistische
Redaktion verbunden. Diese Berichte waren sprachlich weitgehend ritualisiert.
Es ging bei dieser Berichtstechnik um die Anpassung der Wirklichkeit an die
Ideologie. Den meisten MfS-Offizieren war es unvorstellbar, daß ein Mensch
von selbst auf Kritik an der DDR verfallen, es keine Kritik geben konnte, die
nicht als Kritik von außen hineingetragen wurde. Fast immer wurde in diesen
Stimmungsberichten einleitend von den Berichterstattern versichert, daß
grundsätzlich in der DDR alles in Ordnung sei. Oft wurde die generelle Zu-
stimmung der Bevölkerung zur Politik der SED-Führung betont. So hieß es
beispielsweise: „Insgesamt überwiegen in allen Bezirken und Bevölkerungs-