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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 66 und 67
66
Protokoll der 18. Sitzung

Gewissermaßen komplementär zum Bestand der LDPD, obwohl ihm ar-
chivtechnisch nicht zugeordnet, sind die nun kürzlich übernommenen Ak-
ten des F.D.P.-Landesverbandes Berlin sowie der Nachlaß von Karl Hubert
Schwennicke. Er war vor 1948 Vorsitzender des Landesverbandes der LDP in
Berlin.

Von den Benutzern her gesehen erfreut sich der Bestand eines hohen Interesses.
1991 kamen auf ihn 69 Benutzungstage, in diesem Jahre bereits 100. Es
braucht nicht eigens erwähnt zu werden, daß der Bestand uneingeschränkt, also
von der Gründung der Partei im Juli 1945 bis zu ihrer juristischen Auflösung
im August 1990 einsehbar ist. Wir bitten lediglich um vorherige telefonische
oder schriftliche Anmeldung.

(Unterbrechung von 12.30 bis 12.50 Uhr)

Stellvertretende Vorsitzende Margot von Renesse: Ich bitte um Fragen und
Wortmeldungen. Frau Dr. Wilms bitte.

Abg. Frau Dr. Wilms (CDU/CSU): Für mich war wichtig, daß in den Re-
feraten die zentrale Rolle zunächst der KPD und dann der SED herausgestellt
wurde. Ich sage das, weil in der aktuellen politischen Diskussion gelegentlich
nur von bestimmten Einrichtungen wie dem MfS usw. die Rede ist und die
führende Rolle der KPD/SED untergeht. Ich denke, das ist in den Referaten
deutlich geworden, und das sollte von uns begrüßt werden.

Außerdem ist mir aufgefallen – und das ist sicher auch angesichts der
historischen Unkenntnis, die allseits in Gesamtdeutschland herrscht, neu –,
wie stark in den ersten Jahren die „Säuberungsmaßnahmen“ der KPD/SED in
Verbindung mit der SMAD gewesen sind gegen die sogenannten bürgerlichen
Parteien, aber auch gegen SPD-Mitglieder, die sich nicht gebeugt und die nicht
mitgezogen haben. Ich glaube, daß das angesichts des Honecker-Prozesses
wichtig ist zu betonen. Das soll jetzt nicht justitiabel werden, denn die
Beurteilung von Ulbricht und Honecker kann sich nicht nur unter einigen unter
heutigen Gesichtspunkten justitiablen und anklagbaren Punkten vollziehen. Ich
denke, man muß deutlich machen, welche politische und moralische Schuld
die Spitzenfunktionäre von Beginn an auf sich geladen haben. Auch insoweit
waren die Referate von heute wichtig, und ich erhoffe mir eigentlich, daß das,
was heute zum Teil nur angedeutet werden konnte, bei der Bearbeitung des
Themenfeldes 1 noch einmal im Detail belegt wird.

Nun meine letzte Bemerkung: Ich fand die Schätze, die Herr Dr. Wilke
ausgegraben hat, nämlich die Rede von Florin, geradezu „begeisternd“. Man
muß aber sagen, der Mann war sehr vorausblickend, und er hat die Lage
gut eingeschätzt. Ich erlaube mir die politische Bemerkung: Die Politik von
Adenauer war genau richtig.

(Prof. Dr. Manfred Wilke: Die von Schumacher aber auch!)

– Auch er hatte gelegentlich Zweifel, ob das alles richtig war. Angesichts

67
Veränderung des Parteiensystems 1945–1950

der jetzt bekanntgewordenen Akten kann gesagt werden, daß die Altvorderen
durchaus eine richtige Politik betrieben haben.

Sv. Dr. Bernd Faulenbach: Ich möchte drei Fragen an die Referenten stellen,
dabei aber gleichzeitig die Zeitzeugen ansprechen. Das Referat von Florin vom
März 1944, das Dr. Manfred Wilke in seinem Referat angesprochen hat, ist
sicher ein Fund. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob wir aus der Folgezeit
über das Referat Florins hinaus andere Materialien haben, die die Linie von
Florin bestätigen. Gibt es andere Funde? Generell wird man sagen müssen,
daß die KPD, die SED und auch die sowjetische Politik in der Folgezeit
auch noch eine gesamtdeutsche Option besaßen. Sie war zwar vielleicht nicht
so stark entwickelt, sie hätte jedoch, wenn sie zum Zuge gekommen wäre,
zumindest bestimmte Modifikationen der Florinschen Strategie impliziert.
Mich interessiert, ob es weitere Materialien gibt, die den Fund stützen, und
wie es mit der Vereinbarkeit der Strategie mit der gesamtdeutschen Option
steht.

In diesem Zusammenhang: Hat das Zitat von Florin den Hintergrund, daß die
im Verhältnis zur Entwicklung in anderen osteuropäischen Ländern frühe
Zwangsverschmelzung von KPD und SPD darauf hindeutet, daß zu diesem
Zeitpunkt die sowjetische Politik die gesamtdeutsche Option aufgegeben hatte
oder daß sie zumindest nur schwach entwickelt war?

Im Gesamtkontext der Untersuchungen und Überlegungen der Enquete-
Kommission geht es nicht zuletzt um die Frage nach der Feststellung
von Verantwortlichkeiten. Im Hinblick auf die Nachkriegsperiode stellt sich
mir die Frage, wo die Entscheidungen gefallen sind: Bei der KPD, der
SED, der sowjetischen Militärverwaltung oder in Moskau. Können wir
bestimmte Aussagen über die Entscheidungsstrukturen dieser Zeit machen?
Wie verschieben sich innerhalb dieses Vierecks die Gewichte im Laufe der
Zeit? Das wäre im Hinblick auf die gesamte Fragestellung ein wesentlicher
Aspekt.

Damit hängt eine andere Frage zusammen: Wenn das eine Strategie war, die
von ganz wenigen Leuten verabredet worden ist, so heißt das umgekehrt,
daß sehr viele Zeitgenossen sich unter den damaligen Bedingungen möglicher-
weise falsch verhalten mußten, weil sie die Strategie nicht kennen konnten.
Die Frage nach der Einsehbarkeit der Strategie, die ich hiermit aufwerfen
möchte, ist zur Beurteilung der Gesamtentwicklung der Nachkriegszeit von
erheblicher Bedeutung.

Der dritte Punkt: Die Enquete-Kommission muß auch generelle Einschätzun-
gen vornehmen. Beim Gleichschaltungsprozeß der bürgerlichen Parteien stellt
sich die generelle Frage: Wie gewichtet man die Komponente Gleichschal-
tung von außen mit ihren verschiedenen Instrumentarien, die Komponente
Selbstgleichschaltung und die Komponente Anpassung? Es wäre wichtig, von
den Zeitzeugen zu hören, wie sie ihrerseits die Komponenten gewichten.