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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 272 und 273
272
Protokoll der 21. Sitzung

Versuch ist, daß der ganze Bundestag diese Themen entsprechend aufnimmt.
Dies ist die Aufgabe dieser Enquete-Kommission. Ich denke, daß in diesen
beiden Tagen deutlich geworden ist, daß man die alltägliche Wirklichkeit in
der DDR nicht unter ein Schlagwort fassen kann, sondern daß die Breite
viel größer ist. Es gibt eben nicht nur Täter und Opfer. Es gibt beides in
einem, es gibt eine ganze Palette. Es gibt Gegner dieses Systems, die sich die
ganze Zeit als Gegner verstanden haben und dies immer in ihrem Kämmerlein
taten. Und es gibt Opfer dieses Systems, die durchaus nicht politisch handeln
wollten, sondern einfach durch den Vollzug ihres Alltags in das Getriebe dieses
Systems hineingekommen sind. Auch dafür haben wir Beispiele gehört. Es gibt
Leute, die durch ihr politisches Handeln zu Opfern wurden. Es gibt Leute, die
dies getan haben, weil sie sagten, dieses System ist als Ganzes falsch. Es
gibt Leute, die Marxisten und Kommunisten waren, die sagten, so wie es
umgesetzt wird, ist es falsch, und sie sind genauso zu Opfern geworden. Ich
denke, es ist ganz wichtig, diese Palette vor Augen zu haben. Wenn man
unsere Veranstaltung betrachtet, ist es auch wichtig zu sehen, daß sie ganz
bewußt die Repressionsmechanismen und die Opfer im Alltagsgeschehen und
über den Alltag hinaus, wenn es um politische Verfolgung ging, in den Blick
genommen hat. Wir als Kommission werden uns in weiteren Phasen der Arbeit
auch mit anderen Bereichen des Alltags und seinen integrativen Maßnahmen
beschäftigen.

In bezug auf die Arbeit unserer Kommission halte ich für wichtig, daß das,
was wir hier erfahren haben, uns auch weiter beschäftigt. Verehrter Herr
Vorsitzender, ich glaube nicht, daß man es mit einem Brief erledigen kann,
sondern daß wir sehr ernst die Dinge aufnehmen, diskutieren und prüfen sollten
und daß wir anschließend ganz konkrete Vorschläge formulieren sollten. Ich
bin sehr dankbar, daß auch die Präsidentin das Ungenügende des bisherigen
Gesetzes angesprochen hat. Gemeinsam müssen wir versuchen, weiter zu
kommen. Es ist gestern ja sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden,
daß diese Dinge im Bundestag nicht neu sind. Diskussionen darüber hat es
schon gegeben. Bisher konnten sie sich nicht durchsetzen. Ich hoffe, daß dies
künftig eher möglich sein wird und daß auch von den Fraktionen der Koalition
dann in der ganzen Breite Zustimmung zu finden sein wird in den Fragen, die
hier angesprochen wurden.

Einen letzten kurzen Hinweis auf unsere künftige Arbeit. Wir werden am 26./
27. Januar nächsten Jahres, wenn alles gut geht, im ZK-Gebäude der SED,
wieder mit einer öffentlichen Anhörung in Berlin sein. Sie beschäftigt sich
mit Machstrukturen von Partei und Regierungsapparat, d. h. mit den internen
zentralen, aber auch den regionalen Machtstrukturen. Ich möchte schon heute
darauf aufmerksam machen.

Gesprächsleiter Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank, Herr Meckel. Ich darf
Herrn Abg. Hansen, F.D.P., bitten.

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SED-Diktatur – Unterdrückungsmechanismen/Alltag

Abg. Hansen (F.D.P.): Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal
deutlich machen, daß in der Aufgabenstellung dieser Enquete-Kommission
etwas Erstmaliges und insofern auch Einmaliges liegt. Das ist ein Gegensatz
zu dem, was nach 1949 in der alten Bundesrepublik geschehen ist, nämlich den
Versuch zu machen, von der Politik her die Aufgabenstellung zu formulieren,
Geschichte zu betrachten und aufzuarbeiten, Geschichte für die Gegenwart
und für die Zukunft zu sehen – nach dem Motto: „Vergangenheit schreibt
Zukunft“.

Das zweite, was ich betonen möchte, was eben hier noch einmal anklang,
was aber gestern schon jemand so schön gesagt hat, ist folgendes: Auch
im Westen – ich komme aus dem Westen – muß näher hingesehen werden,
was im Osten gewesen ist. Heute ist durch Herrn Schacht noch einmal sehr
deutlich gemacht worden, daß die Politik im Westen über vier Jahrzehnte
hinweg unterschiedliche Positionen zur deutschen Frage formuliert hat. –
Ich bin allerdings nicht der Auffassung, daß das schnell zu beantworten
sein wird. – Es ist in direkter Konfrontation der Versuch gemacht worden,
den Kalten Krieg, der 20 Jahre geherrscht hatte, zu durchbrechen. Nunmehr,
nach 40 Jahren, muß verhindert werden, daß in den Köpfen der Kalte Krieg
wieder aufgenommen oder fortgesetzt wird. Das kann eigentlich nur dann
gelingen, wenn Ost und West und Nord und Süd, wenn die Deutschen aus
allen Himmelsrichtungen gemeinsam diese Aufgabenstellung aufgreifen. Wir
haben in den vergangenen Tagen auch gespürt – wenn nicht in Berlin, dann
auch anderswo –, daß die Gefahr besteht, allzu schnell – nach einem knappen
Jahr Stasiunterlagengesetz – wieder den Schwamm zu nehmen und darüber
hinwegzuwischen und zu sagen: Die Vergangenheit, ach, die ist sowieso viel zu
kompliziert, wichtiger sind die Aufgabenstellungen des Jetzt und des Morgen.
Nein! Ich betone ganz ausdrücklich, die Probleme von heute im ökonomischen
oder sozialen, aber auch im mentalen Bereich, sind nicht zu bewältigen, wenn
nicht ohne Scheu vor allen Tabus der Versuch gemacht wird, aufzudecken, was
gewesen ist. Mir ist ganz besonders wichtig, daß die Enquete-Kommission
mit dieser Veranstaltung die Aussagen der Opfer, ob sie sich als Gegner
verstanden oder als Wehrlose, erfahren und – ich sage es für mich persönlich –
auch erlitten hat. Es ist wichtig, daß diese Opfer der Öffentlichkeit und
uns, den Vertretern der Politik, mitteilen können, wie es gewesen ist. Das
hat nicht nur psychologisch einen Sinn für den Betroffenen, sondern es hat
auch sozialhygienisch einen Sinn, wenn man aus der Erfahrung heraus mit
seinen Mitmenschen sprechen kann. Das ist ja das, was heute vormittag gesagt
worden ist: Diese Kommunikationslosigkeit, die in der damaligen DDR in
vielfacher Weise geherrscht hat, muß überwunden werden, auch wenn die
Wohlstandsumstände nicht darauf hindringen, sich miteinander vertraut zu
machen. Das, was die bundesbürgerliche Gesellschaft braucht, ist eigentlich,
heraus aus der sozialen Isolierung zu kommen, sich wieder mehr einander