Fehler melden / Feedback
geringem Maße gelungen. Die Mitgliederschaften blieben westorientiert,
zeigten aber Arrangementbereitschaft; das entsprach in der Grundstruktur dem
Verhalten der Gesamtbevölkerung.
Das Scheitern der Blockparteien als Transmissionsorganisationen zeigte sich
am deutlichsten bei der CDU. Gerade im Herbst 1989 trat offen zutage,
daß kirchliche Diskussionen und Interessen stärker auf die Partei wirkten als
umgekehrt, ein Faktum, das die SED bereits in früheren Jahren konstatiert
hatte. Folgt man den internen Berichten Gerald Göttings, dann waren
1972 die Gegenstimmen und Stimmenthaltungen von Christdemokraten beim
Volkskammerbeschluß über die Reform des § 218 dem innerparteilichen
Einfluß der Religionsgemeinschaften zuzuschreiben.
Die unter dem Dach der Kirchen geführten Diskussionen um Demokratie und
Demokratisierung schließlich griffen 1989 auf die Union über und führten
letztlich die Wende auch in dieser Partei herbei. Darüber legen die im
CDU-Archiv überlieferten Dokumente beredt Zeugnis ab.
Doch gab es aus SED-Sicht auch Positives zu verzeichnen. Zu Zehntausenden
hatten die Mitglieder der Blockparteien staatliche Ämter und Aufträge
übernommen, zumeist unbezahlte und unbeliebte, etwa als Wahlhelfer in
der Nationalen Front. In diesem staatsloyalen Engagement unterschieden sie
sich – zumindest graduell – von der Gesamtbevölkerung. Die SED wußte
die Unterstützungsbereitschaft der von der Sache weithin nicht Überzeugten
durchaus zu schätzen. Sie waren eine zwar nur bedingt zuverlässige, aber
wichtige Kaderreserve, ohne deren Mitwirkung das Gesamtsystem kaum
funktioniert hätte. Die zahlenmäßigen Erfolgsbilanzen waren halt nicht nur
Makulatur. Die Blockparteien hatten in der Tat ihren Anteil an dem, was in
der DDR geschah – am Guten wie am Bösen.
Vielen Dank. (Beifall)
Gesprächsleiter Prof. Dr. Hartmut Soell (SPD): Danke, Herr Suckut. –
Ich meine, wir sollten, wenn Fragebedarf vorhanden ist, im Anschluß an die
Vorträge der drei Referenten eine kurze Fragerunde machen. Deshalb möchte
ich Sie, Herr Dr. Suckut, jetzt zunächst hier verabschieden und Herrn Dr.
Lapp nach vorn bitten. Herr Dr. Peter Joachim Lapp ist Redakteur in der
Abteilung „Dokumentation Ost-West“ des Deutschlandfunks in Köln. Er hat
eine Reihe von Studien über die ehemalige DDR, jetzt aber auch Portraits über
die fünf neuen Länder geschrieben. Er hat sich insbesondere auch beschäftigt
mit den Grenztruppen der DDR, mit der Volksmarine, mit der Traditionspflege,
mit Teilen des politischen Systems der DDR und natürlich auch mit den
Blockparteien.
Herr Dr. Lapp wird zu uns sprechen über das Thema „Die Blockparteien und
ihre Mitglieder“. Bitte, Herr Lapp.
Dr. Peter-Joachim Lapp: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Wer
in der ehemaligen DDR vor der Wende im Herbst 1989 damit rechnen mußte,
daß die Republik auch ihren 50. Geburtstag erleben würde, für den war allein
die Existenz von Parteien neben der führenden SED ein Wert an sich.
Und in den Augen ihrer damaligen Mitglieder und Freunde – Ende der
80er Jahre zählten sie immerhin fast eine halbe Million Parteimitglieder –
waren DDR-CDU, LDPD, NDPD und DBD politische Überlebensnischen und
Organisationen der Lebens- und Berufshilfe in einer marxistisch-leninistisch
bestimmten Umwelt.
Vor Ort ging man freundschaftlich bis familiär miteinander um. Man befand
sich in einer Außenseiterrolle gegenüber der angeblich sozialistischen Gesell-
schaft, und das verband.
Mitglieder der vier Blockparteien gehörten mehrheitlich zu Klassen bzw.
Schichten, die von der führenden SED als eher zweitrangig eingeschätzt
und eingeordnet wurden. Die Parteien waren außerdem davon bedroht, dann,
wenn der Kommunismus ausbrechen sollte, abgeschafft zu werden. Sie sahen
sich einer „gesetzmäßig wachsenden Rolle“ der „Partei der Arbeiterklasse“
gegenüber, die immer beinhalten konnte, jähe Wendungen zu erleben und
zum Beispiel einem Aufnahmestopp ausgesetzt zu sein.
Aus der Sicht ihrer fast 500 000 Mitglieder handelte es sich bei den vier
Parteien um Gebilde, die von den Schalthebeln der Macht ferngehalten
wurden, aber dennoch bemüht waren, Ideen nichtkommunistischer Herkunft in
den zentralen, territorialen und örtlichen Entscheidungsprozeß einzubringen.
Der jeweiligen Parteiführung in Ost-Berlin traute man zwar in den „großen“
Fragen der Politik ebensowenig über den Weg wie der SED-Leitung, doch
wußte man um die Abhängigkeit der Blockpartei-Oberen. Man erkannte,
daß diese die Führung der SED akzeptieren mußten, sich den Weisungen aus
der ZK-Abteilung „Befreundete Parteien“ in allen Fällen zu beugen hatten.
Und natürlich war in Kreisen der Mitglieder und Freunde der Blockparteien
bekannt, daß die eigenen leitenden Funktionäre allesamt mit Förderung und
Billigung der SED ihre Ämter erhielten und diese nur halten konnten, wenn
sie das Vertrauen der Einheitssozialisten rechtfertigten.
Daß es sich bei der eigenen Blockparteileitung vielfach um eine Negativaus-
lese handelte, war gängige Meinung. Aber: Man unterstützte und sympathi-
sierte doch mit denjenigen Funktionären, die die geringen Handlungsräume
ausnutzten und versuchten, wenigstens in Teilbereichen eigene Vorstellungen
einzubringen.
Das war seit Anfang der 80er Jahre mehr als zuvor möglich, da sich
die führende Partei offensichtlich entschlossen hatte, ihre „Bündnispolitik“,
wie sie das nannte, wieder einmal zu aktivieren. Und sogleich stiegen
als Folge dieser erweiterten Mitgestaltungschancen der Blockparteien auch
ihre Mitgliederzahlen. Insbesondere auch aufgrund der Mitte der 70er Jahre