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Wahlperiode 12, Band III/1, Seiten 140 und 141
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Protokoll der 30. Sitzung

der Antifaschisten bekennen zu können, die im Jahre 1990 für den PDS-
Vorsitzenden den „wahren Antifaschismus“ verkörperten. „Viele von ihnen
sind in unserer Partei. Sie erlebten die Wiedergeburt der Ideale in der Partei,
für die sie gelitten und gekämpft haben. Sie sind ein ethisch bedeutsamer Teil
unserer Partei.“68

Der dritte Parteitag der PDS hat 1993 ein Parteiprogramm beschlossen, daß in
seiner Aussage zum Antifaschismus hinter die Positionen zurückfällt, die
Gysi bereits 1991 bezog. Eine Auseinandersetzung mit dem instrumentellen
Charakter des Antifaschismus der SED unterbleibt zugunsten einer plakativen
Rückbesinnung auf die Legitimität der antifaschistisch-demokratischen Um-
wälzung in der SBZ nach 1945. Wörtlich heißt es:

„Millionen Menschen setzten sich nach 1945 für den Aufbau einer besseren
Gesellschaftsordnung und für ein friedliebendes Deutschland in Überwin-
dung des faschistischen Erbes ein. Das bedarf keiner Entschuldigung. Die
antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und
später das Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten, standen
in berechtigtem Gegensatz zur Rettung des Kapitalismus in Westdeutsch-
land, der durch die in der Menschheitsgeschichte unvergleichlichen Ver-
brechen des deutschen Faschismus geschwächt und diskreditiert war.“69

Mit dieser programmatischen Aussage bezieht sich die PDS in ihrem Ge-
schichtsbild erneut auf den Kern des instrumentellen Antifaschismus der SED,
um ihre Politik im vereinten Deutschland zu legitimieren.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Als Vertretung für Herrn Günther Buch
unser Sachverständiger Karl Wilhelm Fricke, bitte.

Karl Wilhelm Fricke: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich
habe in der Tat erst heute um 9.15 Uhr erfahren, daß ich für Herrn Buch
einspringen soll. Ich tue das natürlich gern, aber ich bitte Sie auch gleichzeitig,
nicht allzuviel zu erwarten. Ich habe natürlich kein ausgefeiltes Referat,
das ich aus der Tasche ziehen und hier vortragen kann. Ich möchte mich
also auf ein paar ergänzende Anmerkungen und Informationen beschränken,
zu dem was Frau Prof. Wisniewski, Herr Prof. Faulenbach, Herr Fippel
und Herr Prof. Wilke ausgeführt haben. Zu dem Gesagten kann ich mich
nur voll inhaltlich bekennen. Ich stimme in allen wesentlichen Positionen
damit überein. Es bestätigt meine Sicht der Dinge. Und ich darf in diesem
Zusammenhang vielleicht hervorheben, daß aus der Instrumentalisierung des
Antifaschismus natürlich auch die Instrumentalisierung oder der Mißbrauch
der Entnazifizierung zur Beförderung der Revolution „von oben“ bewußt
eingesetzt wurde. Das ist zum Teil konkret ausgeführt, aber ich möchte doch

  1. Ebd. 69 Programm der Partei des demokratischen Sozialismus, in: Disput 3/4 1993, Sonderausgabe, Berlin 1993, S. 38
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Antifaschismus und Rechtsradikalismus

noch einmal daran erinnern, wie frühzeitig das auch durch gesetzgeberische
Maßnahmen geschehen ist.

So wurde am 26. Februar 1948 der Befehl Nr. 35 der Sowjetischen Militärad-
ministration erlassen, mit dem formell die Entnazifizierung in der Sowjetischen
Besatzungszone für beendet erklärt wurde, und es dauerte nicht lange, daß ein
Teil der Internierten aus den Speziallagern des NKWD/MWD entlassen
wurde. Im Juli und August 1948 kam es zu einer ersten Entlassungsaktion,
von der etwa 28.000 Internierte betroffen waren. Das sind in der Regel
ehemalige Mitläufer und Aktivisten der NSDAP gewesen. Im Gegensatz
zu manchen anderen Internierten, die in der Nazizeit verfolgt wurden, und
von denen, wie Herr Fippel mit Recht ausgeführt hat, einige sogar in den
Waldheimer-Prozessen verurteilt worden sind. Es sind übrigens mehr als sechs.
Gleichzeitig und parallel dazu vollzog sich die politische Aktivierung früherer
Nationalsozialisten und Berufssoldaten, insbesondere durch die Gründung der
Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, von der wir ja wissen, daß sie
von der SED manipuliert worden ist. Insofern war also das Wort der SED,
als der „großen Freundin der kleinen Nazis“, durchaus nicht unbegründet. Es
sind so dann am 11. November 1949 und am 02. Oktober 1952 zwei Gesetze
ergangen, durch die alle früheren Nationalsozialisten, Berufssoldaten und
Offiziere, soweit sie strafrechtlich nicht verurteilt worden waren, rehabilitiert
wurden. D.h. sie erhielten alle staatsbürgerlichen Rechte, einschließlich des
passiven und aktiven Wahlrechts. Gerade in diesen beiden Gesetzen liegt
begründet, daß in der DDR frühzeitig ein sehr nachsichtiger Umgang mit den
ehemaligen Nationalsozialisten geübt wurde. Man könnte im einzelnen jetzt
ausführen, wie viele ehemalige Mitglieder der NSDAP in den verschiedenen
Volkskammerperioden seit 1950 auszumachen waren. Ich habe diese Zahlen
nicht bereit, aber ich kann darauf hinweisen, daß auf jeden Fall die letzte,
unter der Herrschaft der SED gewählte Volkskammer, die am 08. Juni 1986
gewählte Volkskammer, von 500 Abgeordneten immerhin noch 19 ehemalige
Mitglieder der NSDAP gehabt hat.

Darunter war Heinz Eichler, gleichzeitig Sekretär des Staatsrates, darunter war
natürlich vor allen Dingen ein Mann wie Heinrich Homann, ein sogenannter
„Alter Kämpfer“, der gleichzeitig auch stellvertretender Vorsitzender des
Staatsrates und Vorsitzender der NDPD war, und als drittes Beispiel Hans
Reichelt, Vizepremier und Minister für Umweltschutz. Ähnlich verhält es
sich mit der Zusammensetzung der Mitglieder des Zentralkomitees der
SED. Man kann in den verschiedenen Zentralkomitees, zumindest seit 1954,
immer wieder eine relativ hohe Zahl, für mich erstaunlich hohe Zahl, von
Mitgliedern der NSDAP ausmachen. Selbst in dem 1986, vom XI. Parteitag
der SED, gewählten Zentralkomitee waren von 165 Mitgliedern mindestens
13 ehemalige Mitglieder der NSDAP. Darunter: