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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 96 und 97
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Protokoll der 39. Sitzung

es waren damals noch 2/3 Einzelbauern) „wenn er nicht weiß, ob er ein
kapitalistisches oder ein sozialistisches Deutschland erleben wird.“

Er stellt dort die Frage nach der Perspektive als erste Frage. Mit diesem Aspekt
wollte ich das, was die Vorredner gesagt haben, ergänzen. Schönen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herr Kollege Soell, herzlichen Dank für
Ihre zusätzlichen Informationen. Wir kommen jetzt zur Frage-, Anhörungs-
und Diskussionsrunde. Es gibt erste Meldungen dazu und in Abstimmung
haben wir geklärt, daß Herr Professor Schroeder diese Runde leitet. Bitte,
Herr Professor.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Meine Damen
und Herren, ich hoffe, daß wir Ihnen mit diesem Programm gezeigt haben,
welcher Sprengstoff in der Babelsberger Konferenz steckt. Es war sehr
vorteilhaft, daß diese Darstellung nicht konform und langweilig verlief,
sondern daß sich durchaus schon handfeste Widersprüche gezeigt haben. Ich
nehme an, daß das in der Diskussion sich auch noch weiterentwickeln wird.
Die Diskussion steht, wie Sie wissen, an sich nur Mitgliedern der Enquete-
Kommission offen. Wir haben uns aber dazu entschlossen, ausnahmsweise
Herrn Heuer Gelegenheit zu einer Darstellung seiner Sicht der Ereignisse
zu geben, weil er gewissermaßen Zeitzeuge war. Darf ich Sie bitten, die
Diskussion mit Ihrem Beitrag zu eröffnen.

Prof. Dr. Uwe-Jens Heuer, MdB: Herr Vorsitzender, meine Damen und
Herren, liebe Gäste, liebe Freunde. Ich befinde mich in einer besonderen
Situation. Es gab Irritationen, wenn ich so sagen möchte, aber die Frage,
an welcher Stelle ich eingeordnet werde, ist für mich nicht bedeutsam. Ich
spreche auch und wie Herr Klenner als Zeitzeuge.

Ich teile die Auffassung, daß man die Dinge im Zusammenhang mit dem XX.
Parteitag sehen muß. Er war damals für mich und für viele meiner Generation
eine wirkliche geistige Wende. Übrigens muß ich Herrn Eckert insofern
korrigieren: Wir wurden informiert, es wurde uns das berühmte Referat von
Chruschtschow vorgelesen. Allerdings muß ich auch sagen, daß ich meine
Mitschrift des Referates im Jahre 1958 vernichtet habe.

Und zwar in einem Gefühl für die damalige Atmosphäre. Nein, Sie müssen
nicht lachen. Das war eine ernste Situation. Wir empfanden diese Ereignisse
als sehr bedrohlich, die 1958 heraufzogen. Ich kann mich auch nur deshalb
daran erinnern, weil ich damals diese Mitschrift vernichtet habe. Bei aller
Erschütterung durch die aufgedeckten Verbrechen war für mich und auch
für viele andere die Hauptfrage, die Möglichkeit, jetzt Tabus zu überwinden,
ungehindert über die Probleme unserer Gesellschaft nachzudenken und zu
sprechen. Damals habe ich diese Diskussion ohne unmittelbare politische
Absichten und auch ohne Einsichten in die politischen Gefahren, die dieser

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Die Babelsberger Konferenz

Diskussion inne wohnte geführt. Ich habe das nicht vorher geahnt, und
sicherlich in vielen Situationen unreif und unüberlegt gehandelt.

Vieles habe ich einfach nur diskutiert und war mir über die Gefahr, in der
wir damit schwebten, eigentlich nicht im klaren. Das setzte ein mit der
Kampfansage an den Revisionismus in der Wirtschaftswissenschaft bei Fritz
Behrens und Arne Benary. Es wurde dann im Grunde an allen Wissenschaften
exekutiert und an der Rechtswissenschaft eben auf der Babelsberger Kon-
ferenz. Hauptgegner war dabei Hermann Klenner, der mit mir demselben
Institut der Humboldt-Universität angehörte. In Vorbereitung dieser Konferenz
gab es dann mit mir eine Auseinandersetzung mit meiner Dissertation über
das Preußische Allgemeine Landrecht, wobei mir absurderweise vorgeworfen
wurde, ich hätte die Position des preußischen Adels bezogen und damit den
Boden der marxistischen Parteilichkeit verlassen. Es war absurd. Ich war mir
aber immer noch nicht genau im klaren darüber, was eigentlich gespielt wurde
zu diesem Zeitpunkt.

Die Auseinandersetzungen wurden immer bedrohlicher, ich durfte, wie auch
Hermann Klenner und Gräfrath an der Konferenz nicht teilnehmen. Ich
muß offen sagen, ich bin zufrieden, daß ich an dieser Konferenz nicht
teilgenommen habe, weil ich nicht weiß, wie ich mich da verhalten hätte.
Unter einem solchen ideologischen Druck in einer solchen Situation. Insofern
habe ich da doch, wie manchmal in meinem Leben, Glück gehabt.

Was damals zunächst wie eine Auseinandersetzung mit dem Positivismus
aussah, lief plötzlich auf eine Negierung der Spezifik des Rechts hinaus. Der
rechtswissenschaftliche Urheber dieser Konzeption war Karl Polak und sein
Hauptgegner Hermann Klenner wurde konsequent einer parteischädigenden
und feindlichen Linie bezichtigt, während Gräfrath und ich mit ihm zu einer
Gruppe zusammengefügt worden bin.

Aus meiner heutigen Sicht geschah das, um deren Gefährlichkeit herauszustel-
len. Die Gruppe war sozusagen eine Nachfraktion, eine Vorform der Fraktion,
und damit doch eine gefährliche Charakterisierung. In der Parteigruppe sagte
damals jemand, daß wir drei eine Gruppe seien. In dem Zusammenhang
möchte er mitteilen, daß die Gruppe verhaftet worden sei. Also, es waren
schon wirklich bedrohliche Dinge. Auch für unser eigenes Verständnis. Das
Verständnis dafür zu wecken, wäre mir wichtig.

Mein Vater war damals Justitiar im Ministerium Handel und Versorgung und er
hat dort gesprochen und sich positiv auf Bönninger und Such bezogen, das ist
im Protokoll nachzulesen. Auch das war möglich. Die Rechtswissenschaftler
waren damals wohl zum ersten Mal in dieser Härte mit einem solchen Konflikt
konfrontiert worden. Ich selbst habe damals diesen Konflikt nicht als Ausdruck
eines grundlegenden Widerspruchs angesehen und wollte subjektiv von mir
aus Übereinstimmung wieder herstellen.

Ich war dann am staatlichen Vertragsgericht zur Erziehung in der Praxis,