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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 254 und 255
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Protokoll der 48. Sitzung

waren. Aber der Versuch, Bewegung zu schaffen, ist immer wieder auf
unterschiedlichen Ebenen gemacht worden.

Meine Damen und Herren, haben sie vielen Dank, daß Sie so lange geduldig
zugehört haben.

(Beifall – Hinweis: Abg. Koschyk äußert den Wunsch, die schriftliche –
ausführlichere – Fassung des Vortrags in den Anhang des Protokolls zu
nehmen. Dagegen wird kein Widerspruch laut, so daß die Sitzungsvorsitzende
dies zusagt – vgl. Anlage.)

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Herr Professor Möller, vielen
Dank. Jetzt ohne lange Zwischenrede angesichts der fortgeschrittenen Zeit,
aber wir haben Ihnen allen mit großem Interesse und großer Spannung
gelauscht, bitte unser Kollege und Mitglied der Enquete-Kommission, Herr
Dr. Faulenbach.

Dr. Bernd Faulenbach: Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren!

Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, nicht nur zur Klärung historischer
Tatbestände beizutragen, sondern auch die Maßstäbe des Urteils über die jüng-
ste Geschichte zu überprüfen. Hier scheint mir noch vieles zu leisten zu sein.
Die Umwälzung 1989/90 hat nicht lediglich eine Fülle von Aktenmaterialien
zugänglich gemacht, die es systematisch und methodisch reflektiert auszuwer-
ten gilt, sie hat vielmehr auch unsere Perspektive, in der wir die Nachkriegszeit
sehen, verändert. Dies gilt insbesondere für die Deutschlandpolitik, bei der sich
die Frage der Maßstäbe neu stellt.

Die Vereinigung zwingt dazu, die Nachkriegsgeschichte nicht nur aus west-
deutscher oder ostdeutscher, sondern aus west- und ostdeutscher Perspektive
zu sehen. Man muß offen eingestehen, daß wir uns daran gewöhnt hatten,
die Geschichte der DDR und die Geschichte der Bundesrepublik getrennt
voneinander zu behandeln. Man denke an die zahlreichen Geschichten der
Bundesrepublik und die Geschichten der DDR, etwa das große sechsbändige
Werk zur Bundesrepublik Deutschland von Bracher, Eschenburg u. a.

Heute müssen die Westdeutschen versuchen, die Nachkriegsgeschichte auch
mit ostdeutschen Augen in den Blick zu nehmen, selbstverständlich gilt
dies auch umgekehrt. Die Deutschlandpolitik 1949–1963 mag hier als ein
Testfall herangezogen werden, an dem die neue gesamtdeutsche Perspektive
zu erproben ist.

Die Deutschlandpolitik dieses Zeitraumes wurde entscheidend von Konrad
Adenauer bestimmt, man spricht von einer „Ära Adenauer“. In der alten
Bundesrepublik hatte sich zuletzt ein Bild der Adenauerschen Politik durch-
gesetzt, in dem Adenauer als Politiker galt, der die Nationalstaatsidee für die
Deutschen relativiert hatte, der die europäische Integration der Bundesrepublik
vorangetrieben und den politisch-ökonomischen Aufstieg der Bundesrepublik
ermöglicht hatte. Selbst prominente Sozialdemokraten, wie etwa Erhard Eppler

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Deutschlandpolitik 1949–60er Jahre

in seiner Rede am 17. Juni 1989 vor dem Bundestag, zollten Adenauer nun für
seine Außenpolitik Anerkennung, auch wenn sie bestimmte Defizite anmerkten
und die Komplementarität der Politik der Westbindung durch einen Ausgleich
mit dem Osten betonten.

Diese Politik ist erneut zu betrachten, wobei auch die Schattenseiten mit
zu sehen sind. Die Zweistaatlichkeit dauerte immerhin 40 Jahre, mehr als
eine Generation lang. Man muß sich das damit gegebene Ausmaß vermin-
derter Lebenschancen für die Menschen in der DDR vergegenwärtigen. Das
Schicksal der Menschen in der DDR ist die Kehrseite der Entwicklung der
Bundesrepublik. Dies heißt nicht, um dies gleich hier zu sagen, daß dieser
Tatbestand eindeutig oder gar alleine der Adenauerschen Deutschlandpolitik
anzulasten ist. Doch stellt sich noch einmal die Frage, ob nicht eine andere
Entwicklung möglich gewesen wäre und falls ja, zu welchem Preis.

Allerdings wird neuerdings versucht, die Wiedervereinigung als das Ergebnis
der Adenauerschen Politik darzustellen – eine, wie ich meine, überaus
anfechtbare These, die die Jahrzehnte nach Adenauer für irrelevant erklärt,
gleichsam wegeskamotiert. Zudem ist offensichtlich, daß das Adenauerbild
vor der Vereinigung, in dem die antinationalstaatliche Dimension seiner Politik
akzentuiert worden war, mit dem Bild Adenauers nach der Vereinigung, als
des Vaters der Wiedervereinigung, in einer unübersehbaren Spannung steht.
Lassen Sie mich dies im folgenden etwas näher ausführen.

Ich möchte zunächst Grundzüge der Adenauerschen Deutschland- und Außen-
politik 1949–1955 umreißen, dann nach den Kozeptionen seiner Gegner und
Kritiker fragen, in einem dritten Schritt die Deutschlandpolitik 1955–1961
behandeln und schließlich die Suche nach Neuansätzen in den 60er Jahren
noch kurz ansprechen. Zunächst zum ersten Punkt, zu Grundzügen der Ade-
nauerschen Deutschlandpolitik.

 

I.

Schon zahlreiche Zeitgenossen haben Adenauers Politik, das ist auch hier
eben von Herrn Möller angesprochen worden, als stark „westdeutsch geprägt“
bezeichnet, wobei häufig auf seine Rolle als Kölner Oberbürgermeister und
auf seine antipreußische Orientierung verwiesen worden ist. Vielfach ist eine
Diskrepanz zwischen seinen Worten zur Wiedervereinigung und seiner tatsäch-
lichen Politik konstatiert worden bis hin zu der Behauptung, die Wiedervereini-
gungsrhetorik habe die Westintegrationspolitik lediglich absichern, gleichsam
verschleiern sollen und sei deshalb, ich zitiere Josef Foschepoth, „die Le-
benslüge der Bundesrepublik bzw. der Regierung Adenauer“ gewesen. Dem
standen und stehen Einschätzungen gegenüber, die Adenauers Äußerungen zur
Deutschlandpolitik ernstnehmen. Rudolf Morsey etwa hat in seiner Expertise