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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 8 und 9
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Protokoll der 56. Sitzung

des geteilten Deutschlands beschäftigen. Wir sind es nach meiner Überzeugung
uns selbst und den zukünftigen Generationen schuldig, die Vergangenheit nicht
ad acta zu legen. Aus den Lehren, die wir ziehen, können uns Erkenntnisse für
die Gestaltung einer besseren Gegenwart und einer besseren Zukunft innerhalb
unseres Staates erwachsen.

Die Aufarbeitung der Vergangenheit kann zu einem besseren gegenseitigen
Verstehen der Deutschen in allen Ländern führen. Diese Vergangenheit
ist nach meiner Überzeugung nicht nur Vergangenheit derer, die in der
ehemaligen DDR gelebt haben, sondern die Vergangenheit ist die Geschichte
der Deutschen im wiedervereinigten Deutschland. Unser Land, auch seine
Landesregierung, hat entschieden dafür gefochten, daß es zu keiner Verjährung
der sogenannten minderschweren Straftaten des SED-Regimes zum 3. Oktober
1993 gekommen ist. Wir wollten nicht, daß der Tag der Freiheit der Tag der
Verjährung von SED-Unrecht werde, und wir glaubten, daß die Zeit noch
nicht reif dafür sei, insbesondere weil viele ehemalige DDR-Bürger noch
keine Gelegenheit hatten, ihre Akten einzusehen und über die Möglichkeit
einer Strafanzeige zu befinden. Ich weiß, meine Damen und Herren, viele
haben ihre Probleme damit, wie ihnen der Rechtsstaat begegnet. Manche
erfüllt es mit Zorn, daß es im ersehnten Rechtsstaat so schwer möglich
erscheint, die wirklich Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Viele
können nicht vergessen und es geht ihnen wider den Strich, daß es einer
der Hauptverantwortlichen ist, und deswegen fragen sich viele kritisch,
ob die Mittel der Justiz hinreichen. Viele haben mit dem Rechtsstaat die
populäre Forderung nach einem schnellen Prozeß für Hauptverantwortliche
verbunden.

Verständnis für den Rechtsstaat zu wecken, Vertrauen in den Rechtsstaat zu
vermitteln, ist keine leichte Aufgabe. Um aber Vertrauen in den Rechtsstaat
aufzubauen und zu stärken, ist es besonders wichtig, eine funktionierende
und rechtsstaatliche Justiz aufzubauen. Wir sind deswegen ein bißchen
stolz darauf, daß die Gerichtsorganisation seit dem 01.September 1993 in
Thüringen auf dem Stand des Gerichtsverfassungsgesetzes ist und daß alle
740 Planstellen für Richter und Staatsanwälte besetzt sind. Wir können sagen,
daß nach nunmehr drei Jahren der Aufbau der Justizverwaltung abgeschlossen
ist und auch von DDR-Unrecht Betroffene, soweit Verfahren eingeleitet
wurden, weitestgehend rehabilitiert wurden. Von über 19.000 Anträgen auf
strafrechtliche Rehabilitierung sind 84 Prozent abgeschlossen. Im kommenden
Jahr 1994 werden alle ausstehenden Verfahren abgearbeitet sein.

Sie haben sich, meine Damen und Herren, für die heutige Anhörung die
Haltung der evangelischen Kirchen gegenüber dem SED-Staat und der Bun-
desrepublik Deutschland zum zentralen Thema gewählt. Sicherlich ist auch
hier keine Verallgemeinerung möglich, Unterscheidung ist nötig. Dennoch,
es ging von dieser Gemeinschaft ein starker Impuls aus, der die friedliche

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Haltung der evang. Kirchen zum SED-Staat

Revolution von 1989 stützte. Vor allem Teile der evangelischen Kirchen,
Oppositionelle sowie Bürgergruppen setzten sich für gesellschaftlichen und
politischen Wandel bei absoluter Gewaltfreiheit ein. Ein Einsatz, der mit
großem persönlichem Risiko verbunden war. Leipzig, die Stadt der Mon-
tagsdemonstrationen und Friedensgebete, wurde, wie Friedrich Schorlemmer
gesagt hat, für viele zu einem Symbol der Friedfertigkeit und des friedlichen
Wandels. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, daß Sie durch die
Beratungen hier die Situation tiefer erfassen und näher erkennen können.

Ich freue mich sehr, daß Sie zu dieser Sitzung hier nach Thüringen gekommen
sind, und ich wünsche mir, daß Sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen können,
sich auch in den Städten und Gemeinden dieses Landes ein wenig umzusehen.
Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen: Es ist manches auf den Weg gebracht,
aber es ist vieles noch zu tun. Herzlichen Dank für Ihr Kommen nach Erfurt!
(Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herr Landtagspräsident, Herr Minister-
präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, liebe Schwestern und Brüder! Die Enquete-Kommission „Aufarbei-
tung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ beginnt
heute mit einer Folge von Anhörungen zum Themenfeld „Die Kirchen in den
verschiedenen Phasen der SED-Diktatur“.

Ich weiß, daß wir in der Öffentlichkeit, besonders aber auch aus den Kirchen
heraus gefragt werden: Wie kommt diese Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages eigentlich dazu, sich mit den Kirchen zu beschäftigen? Sollen die
Kirchen in der DDR etwa auf die Anklagebank gesetzt werden? Spiegelt sich
hier bereits eine neue Variante jener alten Thron-und-Altar-Ideologie wider,
die gerade in Deutschland so viel Unheil angerichtet hat?

Ich verstehe diese Sorgen und spreche sie deshalb gleich zu Beginn ganz
deutlich an. Gerade deswegen will ich nochmals an die Plenardebatte des
Deutschen Bundestages vom 12. März 1992 erinnern, deren Protokoll ich
mir noch einmal angeschaut habe. Zahlreiche Redner in dieser Aussprache
sind damals auch auf die Bedeutung und das Handeln der Kirchen in
der DDR eingegangen. Sie haben diese gewürdigt als die „einzigen nicht
gleichgeschalteten Institutionen in diesem Staat“, mit Respekt vermerkt,
daß die Kirchen „unendlich viel geleistet“ haben für die Menschen in der DDR,
und schließlich auch festgestellt: „Natürlich gab es auch Fehleinschätzungen,
Versagen und Schuld.“

Wenn wir uns bei der Aufstellung des Themenplanes für die Arbeit der
Enquete-Kommission dazu entschlossen haben, den „Kirchen in den verschie-
denen Phasen der SED-Diktatur“ ein eigenes Themenfeld einzuräumen, dann
war und ist das Ausdruck

1. unseres Respektes vor diesen Kirchen, die in einem Umfeld, das von