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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 76 und 77
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Protokoll der 56. Sitzung

möglichst in seinem Sinne Botschafter der DDR wurden. Doch gab es auch
innerhalb der Kirchen Kräfte – die CFK ist angesprochen worden –, die in
diesem Sinne ökumenische Arbeit machten. Durch diese Kräfte waren manche
ökumenischen Kontakte durchaus ideologisch beeinflußt. In der Ökumene
galten die DDR-Kirchen oft als Musterkirchen. Gleichzeitig muß man sehen,
daß es für die DDR-Kirchen eine wesentliche Horizonterweiterung war, zum
einen sich selbst als Teil der weltweiten Kirche zu verstehen, zum anderen aber
auch an weltweiter Verantwortung teilnehmen zu können. Dies ist bei denen,
die dann im ökumenischen Geschäft waren, sehr unterschiedlich gewesen.
Man könnte hier Namen nennen, eben den von dem schon genannten Otto
Dibelius, der einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates war, oder aber
Johannes Hempel, der das gleiche Jahrzehnte später war. Es gab vielerlei sehr
unterschiedliche ökumenische Akteure. Ich möchte an dieser Stelle besonders
auch einen nennen, der nicht mehr lebt, der in ähnlicher Richtung wie Heino
Falcke versuchte, ökumenische Fragestellungen von Menschenrechten und
weltweiter Verantwortung für die eigene Situation fruchtbar zu machen: Das
war Christoph Hinz. Er hatte zwar nicht große Positionen innerhalb der Kirche,
war aber für viele durch seine wegweisenden Beiträge wichtig.

Ich will jetzt aber keinen eigenen Vortrag zu dieser Frage halten, sondern zwei
Rednern das Wort geben. Der erste ist Dr. Planer-Friedrich. Er war lange
Zeit Leiter der Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in
Berlin in der Auguststraße und später in Genf für die DDR-Kirchen im Genfer
Stab tätig. Er ist also ein Mann, der durchaus mit sehr viel Insider-Kenntnis
über diese Arbeit berichten kann und damit auch Zeitzeuge ist. Unmittelbar
anschließend, und zwar entgegen dem ausgedruckten Programm, wird Heike
Schmoll zu uns reden. Sie ist Redakteurin der FAZ, hat sich lange mit
diesen Fragen beschäftigt, auch anhand neuerer vorliegender Akten, aber auch
früherer persönlicher Kontakte. Ich möchte zuerst Herrn Dr. Planer-Friedrich
das Wort geben.

Dr. Götz Planer-Friedrich: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die
evangelischen Landeskirchen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands
gehörten zusammen mit ihren Schwesterkirchen in der EKD zu den Grün-
dungsmitgliedern des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam.
Dabei ist daran zu erinnern, daß die evangelischen Kirchen mit dem Stutt-
garter Schuldbekenntnis sehr frühzeitig eine moralische Anwartschaft auf die
Rückkehr in die ökumenische Gemeinschaft der Christen erworben hatten. Das
klingt aus politischer Perspektive vielleicht etwas bigott und war selbst unter
Theologen und Kirchenleitern, wie wir hörten, nie ganz unangefochten. Doch
historisch hat sich bestätigt, daß dieses etwas gequälte Bekenntnis eigener
Schuldanteile am Bestand des Nazi-Regimes den Einstieg und den Aufstieg
der EKD-Gliedkirchen in der Ökumene ermöglicht hat.

Die sowjetische Militäradministratur, die sicher nicht vom Geist christlichen

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Haltung der evang. Kirchen zum SED-Staat

Versöhnlertums angekränkelt war, rechnete es den ostdeutschen evangelischen
Kirchen nicht an, daß sie zum Teil sehr stark mit den Deutschen Christen
identifiziert waren, zum Beispiel Thüringen und Mecklenburg. Im Gegenteil,
sie setzten auf die zahlenmäßig geringe Fraktion der Bekennenden Kirche
und vertrauten ihren Vertretern und Vertreterinnen die Selbstreinigung der
evangelischen Kirchen an. So blieben die ostdeutschen Kirchen, anders als
ihre osteuropäischen Schwesterkirchen, von Enteignung und Bestrafung fast
vollständig verschont und konnten gerade unter dem Schutz der Roten Armee
die kirchliche Organisation und die ökumenischen Verbindungen nahezu unge-
hindert wieder aufbauen. Schon bei der Gründung des Lutherischen Weltbun-
des 1947 in Lund waren die ostdeutschen Lutheraner gut vertreten. Damals
rechnete jedoch, wenigstens in den deutschen evangelischen Kirchen, noch
niemand mit der bevorstehenden lang anhaltendenen Spaltung Deutschlands
und deren Auswirkungen auf den deutschen Protestantismus.

Bis in die sechziger Jahre haben die kirchlichen Zusammenschlüsse in
Deutschland, die EKD, die VELKD bzw. das Reformierte Moderamen,
die ökumenische Arbeit der Gliedkirchen koordiniert, programmiert und
ausgewertet. Das änderte sich, als die DDR nach dem Bau der Mauer
immer entschiedener die Zweistaatlichkeit Deutschlands vertrat und auch
international die Hallstein-Doktrin allmählich ausgehöhlt wurde. Mit der
neuen DDR-Verfassung von 1968 wurde ein gesamtdeutsches Auftreten in der
Ökumene unmöglich. Der 1969 gegründete Kirchenbund richtete eine eigene
Ökumenestelle ein, die fortan die ökumenische Arbeit des Kirchenbundes
verwaltete. Es ist jedoch bezeichnend, daß die Struktur des Sekretariats des
Bundes der Evangelischen Kirchen und auch der ihm später angeschlossenen
Studienabteilung sehr stark dem Organisationsprinzip des Ökumenischen
Rates der Kirchen in Genf entsprach. Das war natürlich kein Zufall, und somit
war die Kommunikation mit dem Genfer Stab wesentlich erleichtert.

Der Ökumenische Rat der Kirchen selbst, der in seiner ersten Phase deut-
lich vom westeuropäisch-nordamerikanischen Gesellschaftsverständnis ge-
prägt war, hat nach dem Urteil vieler Beobachter seit der Aufnahme der Russi-
schen Orthodoxen Kirche 1962 in Neu-Delhi in seiner gesellschaftspolitischen
Orientierung einen Wandel durchgemacht. Seine kirchliche Kommission für
internationale Angelegenheiten (CCIA), bereits 1946 in Cambrigde gegründet,
sah sich freilich von Anfang an kaum in der Lage, sich ausführlicher europäi-
schen Problemen zuzuwenden. Das hat ihr erster langjähriger Leiter, Frederick
Nolde, 1974 beschrieben.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß nach dem Urteil von Reinhard Henkys
1982 „Fragen der deutschen Einheit als ein zuweilen lästiges innerdeutsches
Problem“ angesehen wurden. Indem nun die deutschen evangelischen Kirchen
in zwei staatlich unterschiedlich definierten Vertretungen auftraten, erledigte
sich das Problem aus der Sicht des Ökumenischen Rates von selbst. Bei der