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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 210 und 211
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Protokoll der 57. Sitzung

der Arbeit, die ausschließlich Ost und West betraf, hing mit meiner anderen
Funktion zusammen. Ich war lange Zeit Geschäftsführer der Männerarbeit
des Bundes. Da wurden Seminare durchgeführt, um die Klammer zwischen
Ost und West zu halten. Und da haben Westbesucher hautnah erlebt, wie
man beschattet wird, mit Nachgehen usw. Wie würde ich die Sache jetzt
beurteilen? Die Beurteilung von seiten des Staatssicherheitsdienstes war klar.
Ich wurde als Feind der DDR eingestuft. In kirchlichen Kreisen kam es zu der
Verdächtigung: „Der Hilse will auch nur in den Westen, deswegen macht er die
Arbeit.“ Es war sehr schwierig zu sagen: Es geht um die Motivation, es geht
um Menschen, es geht um ihre Unantastbarkeit, ihre Würde und ihre Freiheit.
Daß dieses als Arbeits- und als Handlungsmotiv zugestanden wurde, war sehr
schwierig. Bis auf ein ganz konkretes Verbot einer größeren Veranstaltung und
Ablehnung jeglichen Rechtsbeistandes – übrigens zwei Tage vor Durchführung
dieser Veranstaltung, die dann doch stattgefunden hat – gab es sonst kein
direktes Eingreifen und keine direkten Verbote der Kirche. Es wurde alles,
was diese Arbeit betraf, auf die Verantwortung des Gemeindekirchenrates
delegiert. Wie ich aus meinen Stasi-Akten indessen mitbekommen habe, wurde
auf diese Art und Weise versucht, dem Hilse ein bißchen den Boden zu
entziehen. Wenn sich keine Mehrheit mehr für ihn im Gemeindekirchenrat
findet, dann können wir eingreifen, eher nicht. Es ist nicht dazu gekommen.
Ich sage jetzt schade, es hätte mich interessiert, was passiert wäre, wenn ich
dennoch weitergemacht hätte. Es gab ein zweites konkretes Verbot an dieser
Stelle. In Treptow sind sehr viele illegale Zeitungen gedruckt worden, unter
anderem „Die Arche“ oder „Kontext“, auch die Geschichte mit „Pflugbeil“ ist
bei uns gemacht worden. Das war möglich, weil ich als Geschäftsführer des
Bundes über die technischen Möglichkeiten verfügte. Dann wurde mir vom
Sekretär des Bundes untersagt, diese technischen Möglichkeiten zu nutzen,
um weiterhin Gruppenarbeit zu fördern und zu unterstützen. Es wurde aber
trotzdem weitergemacht, davon abgesehen. Ziel, auch im Gemeindekirchenrat,
war eigentlich, eine sogenannte Zensur einzuführen, das heißt, daß wir es bei
den Veranstaltungen, die wir planten, so wie die Friedenswerkstatt machen,
also die Texte vorher vorlegen sollten. Das haben wir nicht mitgemacht, das
haben wir strikt abgelehnt. Sehr großen Ärger erregte bei den Kritikern immer
wieder, daß in unseren Veranstaltungen ein großer Raum zu sogenannten
spontanen Fürbitten gelassen wurde, weil die Angst vorhanden war, es könnte
einer aufstehen und im Blick auf unsere Regierung sagen: „Herr, erlöse uns
von diesem Übel.“

(Heiterkeit)

Es wurde auch gefragt, wie die Einstellung zum Kirchenvolk war. Was
das Kirchenvolk betrifft, muß ich sagen, daß es sich sehr bald, als die
Gruppen auftauchten und die Gemeinde überfremdeten – es ist in den
Protokollen immer von Kirchenbesetzungen die Rede –, zurückzog. Das

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Die Kirchen und die Gruppen

war auch genau der Ansatzpunkt, um Differenzierungen in der Gemeinde
durch die IM herbeizuführen und über die Kirchenleitung zu versuchen,
den Hilse in der Gemeinde zu isolieren und ihm damit das Hinterland
zu entziehen. Nach dieser ganzen Gruppenarbeit – nach 1989 – kam die
normale Gemeinde wieder zum Vorschein und es geschah das, was schon
gesagt wurde: Es wurde bei der Arbeit angeknüpft, als ob nichts passiert
wäre. Auch jetzt, wo wir ein Stückchen Aufarbeitung der Vergangenheit
versucht haben und einen Gesprächszyklus mit Stasi-Offizieren und unserem
Bezirksbürgermeister hatten, ist dieser öffentliche Gesprächsgang abgelehnt
worden – keine Öffentlichkeit. Sie ist auch an dieser Stelle wieder abgelehnt
worden. (Zwischenruf: Von wem?) Von Gemeindegliedern. Es ist auch da
wieder zu so einem Stückchen Diffamierung gekommen, indem gesagt wurde:
Jetzt bastelt er noch an seinem Heiligenschein. Was ich vielleicht noch
bemerken möchte, ist dieses, daß es bei den Verhaftungen keinen Einsatz
zur Freilassung gegeben hat. Es wurde den Angehörigen gesagt: Wenn sie
in die DDR entlassen werden, wollen wir uns einsetzen. Aber das war
bei Antragstellern ja nicht der Fall. Das hat uns sehr belastet und sehr
enttäuscht. Was die Frage mit „Einheit Deutschland“ betrifft, da kann ich
eigentlich nur darauf hinweisen, daß wir drei Tage nach der Grenzöffnung
im November 1989 eine Veranstaltung hatten über „Einheit Deutschland“, wo
alle anwesenden Journalisten wie auch Gruppenvertreter sich einig waren:
Auf keinen Fall die Einheit, obwohl sie schon längst vollzogen war in diesem
Augenblick. Danke schön.

(Beifall)

Gesprächsleiter Stefan Hilsberg (SPD): Ja, Propst Heino Falcke, auf Sie ist
schon hingewiesen worden als einer der wichtigen Motoren des konziliaren
Prozesses, aber Ihre Aktivitäten beginnen weit früher, sie beginnen bereits
in den siebziger Jahren. Sie reichen auch zurück in die achtziger Jahre
und hängen mit dem Versuch zusammen, den Sozialismus auszutesten auf
seine Reformierbarkeit hin – „veränderlicher Sozialismus“, „Sozialismus mit
menschlichem Antlitz“. Sie haben den Weg der Gruppen solidarisch begleitet.
Sie haben ihn versucht anzustoßen. Herr Hilse hat eben ein wenig das
Bedauern darüber anklingen lassen, daß die Gruppen sich gelöst haben, obwohl
sie ein integraler Bestandteil doch der Gemeindearbeit waren. Herr Weißhuhn
meinte, es sei der Kirche passiert, was an Oppositionsbewegung innerhalb der
Kirche stattgefunden habe. Sehen Sie das ähnlich?

Propst D. Heino Falcke: Ich kann daran unmittelbar anknüpfen, Herr
Hilsberg. Ich möchte vielleicht drei Punkte benennen. Mein erster Punkt
ist genau, die Spannung zwischen den gesellschaftlich engagierten Gruppen
und der Kirche in ihrer Intensität und Unauflöslichkeit noch einmal deutlich
zu machen. Es ist ja schon gesagt worden: Das Neue dieser Gruppen war,
daß sie nicht aus der Kirche, etwa aus ihren missionarischen Bemühungen