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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 214 und 215
214
Protokoll der 57. Sitzung

ökumenische Bewegung fing an mit einer großen Basisbefragung, mit einem
Aufruf. Die Thematik der ökumenischen Bewegung wurde mitbestimmt durch
Gemeindegruppen, Gruppen, einzelne aus der Basis, die berühmten 11.000
bis 12.000 Zuschriften, die da kamen, und auch durch den Ansatz der
Gruppen, ausgehend nämlich von der Betroffenheit. Die gesellschaftliche
Realität wurde in der Ökumenischen Versammlung aufgenommen, wir hatten
einen kontextuellen Ansatz, wir begannen mit den berühmten Zeugnissen
der Betroffenheit. Das löste dann den größten Widerstand beim Staat aus.
Die Kirchenpresse, die darüber berichtete, Gottfried Müller, der frühere
Redakteur von „Glaube und Heimat“ ist anwesend, wurde verboten. Gegen
mich wurde hier eine Kampagne vom SED-Chef des Bezirkes Erfurt ausgelöst,
die bis in die Einwohnerversammlungen ging und die mich als Staatsfeind
bezeichnete. Es war äußerste Konfrontation. Aber worum es mir in diesem
Zusammenhang geht, ist: Es war ein neuer, ein konziliarer Versuch, Gruppen
und Kirche zusammenzubinden. Und in der Richtung, finde ich, sollte es auch
weitergehen.

Mein dritter Punkt ist „Die Funktion der Gruppen in der Gesellschaft“. Das
ist innerhalb der Gruppen auch sehr umstritten gewesen: Basisdemokratische
Opposition oder wirklich Veränderung der Gesellschaft durch Aufbau politi-
scher Strukturen, oppositioneller Strukturen? Durch die Gorbatschow-Politik,
die Perestroika-Politik seit 1985, bekam die gesellschaftliche Funktion der
Gruppen einen enormen Schub. Es wurde zum ersten Mal auch realpolitisch
erhoffbar, daß so etwas wie eine Veränderung des Sozialismus wirklich
möglich sei, zugleich aber wuchs das Konfliktpotential durch die Verhärtung
des DDR-Sozialismus gegen jede Perestroika. Es gab basisdemokratische
Hemmungen und Blockaden in den Gruppen, sich wirklich als politisch
relevante Opposition in der DDR zu formieren. Einige Gruppenvertreter haben
dann die Parteien gegründet – 1989. Es gab eine sehr wichtige Konsultation
der Gruppen im Juni 1989 bei der Studienabteilung des Bundes. Dort wurde
zum ersten Mal durch Bärbel Boley, Edelbert Richter und andere deutlich
artikuliert, daß jetzt die Gruppen aus der Kirche herausgehen müssen, um sich
im politischen Raum politisch zu formieren. Es kam dann das Neue Forum, es
kam der Demokratische Aufbruch, es kam Demokratie Jetzt. Dies geschah in
den Gruppen, die so etwas wie ein Keim einer pluralistischen Zivilgesellschaft
in der DDR waren. Diese Parteigründungen lagen in den Gruppen, aber es
gab auch deutliche basisdemokratische Blockaden und Hemmungen dagegen,
Spontanität, die sich nicht institutionalisieren wollte usw. Soviel zu meinen
drei Punkten.

(Beifall)

Gesprächsleiter Stefan Hilsberg (SPD): Herr Bischof Dr. Demke, Sie sind
Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, waren es vor 1989, sind es immer noch.
Sie haben Ihr Amt zu einer Zeit bekleidet, als die Gruppen kulminiert sind.

215
Die Kirchen und die Gruppen

Propst Falcke hat davon gesprochen, daß die Kirche Schwierigkeiten mit ihrem
Pluralismus hatte. Er hat auch davon gesprochen, daß die Gruppen eigentlich
einen politischen Ansatz hatten. Sie haben in einer besonderen Konfliktlinie an
einer besonderen Stelle gestanden. Wenn ich es einmal provokant ausdrücken
darf: Sind Sie sich manchmal ungerecht geprügelt vorgekommen?

Bischof Dr. Christoph Demke: Daß es eine Fülle von Mißverständnissen
gegeben hat, die schmerzlich von mir erlebt worden sind, ist richtig. Ungerecht
geprügelt wird man in jedem Leitungsamt, das ist in jeder Situation so,
und das hat mit der DDR nichts zu tun. Das hängt mit der Leitung, den
Verantwortungen und damit, Entscheidungen im Blick auf andere Menschen
treffen zu müssen, zusammen. Die Kirchenleitungen sind in dieser ganzen
Frage des Umgangs, des Sich-Verhaltens zu den Gruppen nicht einheitlich
gewesen. Sowohl innerhalb der Leitungen der verschiedenen Gliedkirchen
des Bundes als auch innerhalb der einzelnen Kirchleitungen, z. B. der in
Magdeburg, der auch Propst Falcke angehörte, gab es Unterschiede. Insofern
würde ich sagen: Pluralismus gibt es in der Kirche eine ganze Menge.
Es ist schwer, und es ist auch heute noch schwer, und ich habe den
Eindruck, auch in der alten Bundesrepublik ist es für die Kirchen schwer,
das Phänomen des Pluralismus wirklich zu akzeptieren. Das besondere dieser
Gruppen, denke ich, war nicht einfach nur der Pluralismus, sondern es
war dieses basisdemokratische Moment, mit dem die Kirchenleitungen oder
ich, wir, nicht zurechtkamen. Wie verhält sich das Moment der Spontanität
zu den gegebenen Strukturen? Da hatten wir Schwierigkeiten wie andere
große Organisationen auch. Ich habe mir überlegt, was ich nun sagen soll.
Die Kirchenleitungen haben sich unterschiedlich verhalten, sie waren sehr
unterschiedlich betroffen. Berlin-Brandenburg mit dem Wasserkopf Berlin
z. B. am allermeisten, Görlitz oder Greifswald hatten weniger damit zu tun,
Mecklenburg auch, Schwerpunkte waren dann wieder Thüringen und Sachsen,
die Kirchenprovinz. Sie waren unterschiedlich betroffen, sie haben sich auch
unterschiedlich verhalten. Ich denke, es gibt aber doch Fragestellungen,
die alle Kirchenleitungen in gleicher Weise beschäftigt haben, auch wenn
sie unterschiedlich darauf geantwortet haben. Deswegen, dachte ich, ist es
vielleicht das beste, ich nenne solche Fragestellungen, die uns beschäftigt
haben. Da wäre als erster Komplex, als erstes Spannungsfeld, die Frage nach
der kirchlichen bzw. christlichen Identität. Die hat eine Rolle gespielt, und
zwar anfänglich, als das alles noch nicht so gespannt war, in einer doppelten
Richtung: Nicht nur als Kontrollfrage der Kirchenleitungen, sondern, wie
schon erläutert, als Anfrage vieler Gruppen an die Kirche. Das ist durchaus
von den Kirchenleitungen, soweit ich das beurteilen kann und soweit sich
das in den Papieren niederschlägt, auch so erlebt worden. Das sind eigentlich
unsere Aufgaben, und wir werden gefragt: Wenn ihr Kirche für andere sein
wollt, dann muß das, was wir in dieser oder jener Gruppe so engagiert zu