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Wahlperiode 12, Band VI/2, Seiten 1164 und 1165
 

Richard Schröder
unter Mitarbeit von Johannes Zachhuber, Karsten Laudien und
Christian Raschke

Der Versuch einer eigenständigen Standortbestimmung
der Evangelischen Kirchen in der DDR am Beispiel der
„Kirche im Sozialismus“

 

Einleitung
I.Otto Dibelius und der „Obrigkeitsstreit“
II.Christsein in der DDR – Versuche einer Standortfindung in den fünfziger
und sechziger Jahren
 1.Johannes Hamel (1957)
 2.Die Handreichungen von EKU (1959) und VELKD (1961)
Exkurs: Zwei-Reiche-Lehre und Königsherrschaft Christi
  2.1.Die EKU-Handreichung
  2.2.Die VELKD-Handreichung
 3.Die „Zehn Artikel von Freiheit und Dienst der Kirche“ (1963)
 4.Die „Sieben Sätze von der Freiheit der Kirche zum Dienen“ des
Weißenseer Arbeitskreises (1963)
 5.Der Thüringer Weg
III.Standortbestimmungen innerhalb des „Bundes der Evangelischen Kirchen
in der DDR“ (BEK) 1969–1989
 1.Anmerkungen zur Gründung des Bundes
 2.Die wichtigsten Formulierungen aus den Synodalberichten der Konfe-
renz der Kirchenleitungen und den Erklärungen der Bundessynode
 3.Zwei Ausarbeitungen des Ausschusses „Kirche und Gesellschaft“
  3.1.„Zeugnis und Dienst der evangelischen Kirchen und Christen in
der sozialistischen DDR“ (1973)
  3.2.Das „Ideologiepapier“ (1976)
 4.Zur Vorgeschichte der Formel „Kirche im Sozialismus“
 5.„Kirche im Sozialismus“ aus der Sicht der SED
 6.Innerkirchliche Kritik an der Konzeption einer „Kirche im Sozialis-
mus“
 7.Die „Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und
Bewahrung der Schöpfung“ in der DDR 1988/89
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Dokumentenanhang
1165
,,Kirche im Sozialismus‘‘

Einleitung

Die öffentliche Diskussion um den Weg der Evangelischen Kirchen in der
DDR leidet an Kurzatmigkeit. Dieser Weg scheint durch die Formel „Kirche
im Sozialismus“ hinreichend beschrieben und – diskreditiert zu sein, nämlich
als Anpassung an die SED-Diktatur. Nachdem die Evangelische Kirche 1989
von vielen als Mutter der Revolution gefeiert wurde, wird sie nun von vielen
als Stütze des Systems getadelt. Die inzwischen zugänglichen Akten des
Staatssicherheitsdienstes, des Staatssekretariats für Kirchenfragen, der Ost-
CDU und der SED erwecken den Eindruck einer unterwanderten staatshörigen
Kirche oder doch Kirchenleitung.

Es ist schwer, den Weg der Evangelischen Kirchen in der DDR heute schon
sine ira et studio zu beschreiben, und zwar mindestens aus zwei Gründen:

1. Die Frage gerät fast unausweichlich ins Spannungsfeld divergierender
politischer Auffassungen, die bereits vor dem Fall der Mauer innerhalb und
außerhalb der Kirchen in beiden deutschen Staaten im Streit lagen. Die
Versuchung ist groß, diese Geschichte als Munitionslager für politische oder
parteipolitische Auseinandersetzungen zu instrumentalisieren. Nicht selten
kämpfen diejenigen, die sich zu Wort melden, darum, Recht gehabt zu
haben.

2. Wer ist authentischer Zeuge für diese Geschichte: die schriftlichen Hinter-
lassenschaften, also die Akten, oder diejenigen, die diese Geschichte selbst
erlebt haben? Die Alternative ist zu einfach. Denjenigen, die diese Geschichte
nur aus Akten rekonstruieren, ohne an ihr teilgenommen zu haben, fehlt oft
das Gespür für typische Situationen und Konstellationen. Wenn sie aus dem
Westen kommen, stehen sie in der Gefahr, Elemente der westlichen Normalität
unvermerkt zum Maßstab der unnormalen DDR-Normalität zu verwenden.
Denjenigen, die sie selbst erlebt haben, wird oft jetzt erst deutlich, daß sie
nur ihre eigene Nische authentisch erinnern, nicht aber das ganze Stück,
das zugleich auf mehreren, gegeneinander abgeschirmten Bühnen spielte. Die
DDR-Wirklichkeit im Rückblick ist auch für diejenigen, die sie erlebt haben,
heute eine andere als die damals erlebte. Beide also müssen die Wirklichkeit
rekonstruieren. Das Rekonstruieren wird aber leicht zum fiktiven Konstruieren,
zumal dann, wenn eine Hermeneutik des Verdachts die Führung übernimmt.

Die folgende Untersuchung kann nicht beanspruchen, diesen Problemen zeit-
geschichtlicher Forschung, die nach dem Zusammenbruch einer Diktatur mit
reduzierter und manipulierter Öffentlichkeit verstärkt auftreten, zu entgehen.
Sie kann aber wenigstens der Kurzatmigkeit einerseits dadurch entgehen,
daß sie die Frage nach der Standortbestimmung der Evangelischen Kirchen
in der DDR nicht auf die Geschichte der Formel „Kirche im Sozialismus“
beschränkt, die ja erst nach der Gründung des BEK 1969 in Gebrauch kam.
Denn die Bemühungen um eine auf die Situation in der DDR bezogene