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Wahlperiode 12, Band VII/1, Seiten 194 und 195
194
Protokoll der 68. Sitzung

Andere wieder werden sicher über den naiv-skurrilen Gehalt der Sprache
zum Schmunzeln verführt. Der Mehrzahl der Betrachter wird ohne viel
Mühe auffallen, daß hier in einem vorwurfsvollen und beleidigten Tonfall
an die Adresse des IM-Kandidaten über die Atmosphäre des stattgefundenen
Kontaktgesprächs reflektiert wird.

Ich meine, daß es kaum der Mühe wert ist, analytisch auszuschweifen. Ich habe
diese Zeilen wiederholt mit viel Schwejkscher Ironie gelesen und zugleich
ohne Zaudern festgestellt, daß gerade diese Sicht eines Führungsoffiziers wie
selten verständlich vor Augen führt, wie autonom sich Menschen gegenüber
den Vertretern des MfS zu verhalten wußten. Die Niederschrift dieses
Führungsoffiziers beherbergt in aneinandergereihter Dichte relevante und
ins Banal-Lustige tendierende Verhaltensmerkmale eines Menschen, die den
angestrebten Heimlichkeiten und Vertraulichkeiten elementar zuwiderliefen.
Das als kurze Reflexion zu diesem Gespräch.

Ich habe am Ende dieser Schlußfolgerungen noch einmal das Wort „autonom“
in den Raum gestellt. Ich denke, daß es den Bogen zu den eingangs
gemachten Ausführungen spannen kann, die letzten Endes vor Augen führen
sollten, daß es immer wieder sehr existentielle Fragen für Menschen gab,
die geklärt werden mußten, daß also innere Befindlichkeiten vorhanden
waren, die Menschen in Zerrissenheiten und immer wieder auch zu einem
selbstquälerischen Abwägen führten, ob man sich in diese Verweigerung
hineinbegeben sollte. Letztlich ist es doch so, daß sich diese Menschen am
Ende des Prozesses als autonome Subjekte bewiesen haben und ihren eigenen
moralischen Überzeugungen und ihrem Wertgefühl gefolgt sind.

(Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herr Schmidt, herzlichen Dank für Ihre
Ausführungen und Ihr Material. Ich danke Ihnen herzlich dafür, weil das
noch einmal deutlich gemacht hat, daß es unter den über zwölf Millionen
Erwachsenen, die es am Ende in der DDR gegeben hat, sehr viele Menschen
gab, die nicht zu schmutziger Tätigkeit fähig gewesen sind, die das nicht
tun wollten, die sich dem verweigert haben, und daß es nur wenige tausend
gewesen sind, die sich für die Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit zur
Verfügung gestellt haben. Für mehr als zwölf Millionen Menschen, also fast
alle, ist das eine unanständige Tätigkeit gewesen.

Herr Schmieder, bitte.

Gesprächsleiter Dr. Jürgen Schmieder (FDP): Ich darf mich jetzt insbeson-
dere bei Herrn Schmidt bedanken, daß er uns mit seinem reich illustrierten
Vortrag wieder ins Bild gesetzt hat. Ich stelle fest, wir sind eigentlich schon
wieder mitten im Gespräch miteinander. Ich darf an dieser Stelle meiner
Freude Ausdruck verleihen, daß ich hier viele Zuhörer sehe, die auch gestern
an der Veranstaltung teilgenommen haben.

195
Widerständiges und oppositionelles Verhalten

In diesem Zusammenhang kann ich auch darauf hinweisen, daß wir heute
nicht neu beginnen, sondern wir haben die Veranstaltung gestern nur für
wenige Stunden unterbrochen und setzen sie heute mit dieser Anhörung
fort. Ich möchte versuchen, den Bogen von gestern zu heute zu schlagen,
indem ich das aufgreife, was Jürgen Fuchs gestern sagte, als er sich bei der
Enquete-Kommission dafür bedankte, daß mit der Anhörung von Zeitzeugen
der Jenaer Kreise der Opposition erst möglich gemacht wurde, daß sich die
„Fünfziger“, „Sechziger“ und „Siebziger“ persönlich kennenlernten und hier
von ihren Aktivitäten erfuhren.

Was die Aufgaben der Enquete-Kommission betrifft, sind wir an dem
Punkt unseres Selbstverständnisses angelangt. Wir können im Prinzip hier
nur anregen, initiieren, zusammenführen und zusammentragen. Wir haben
von Anfang an deutlich gemacht, daß die Enquete-Kommission keinen
Alleinvertretungsanspruch für die Aufarbeitung der Vergangenheit hat, sondern
wir brauchen genau das, was heute passiert: Wir brauchen die Unterstützung
aller Bürger, die sich mit uns gemeinsam für diese Aufarbeitung engagieren
wollen, denn nur so gelingt es, alle Facetten zu erfassen und nach Möglichkeit
viele Details kennenzulernen. Dann gelingt es, daß wir uns alle mit dem
Namen ansprechen, denn dann kennen wir uns alle. Im Prinzip wirken bis
dahin die Selektierung und die Entsolidarisierung, wie sie durch das SED-
Regime und insbesondere durch die Stasi vorgenommen worden sind, fort.
Wir können dem nur entgegenwirken, indem wir versuchen, gemeinsam die
Aufarbeitung zu betreiben, denn viele Schicksale sind noch unbekannt. Das
gilt insbesondere für Einzelschicksale.

Während wir gestern versucht haben, dekadenweise – für die fünfziger,
sechziger und siebziger Jahre – die Möglichkeiten von oppositionellem und
widerständigem Verhalten aufzuarbeiten, wollen wir uns heute, zumindest in
der ersten Runde, verstärkt mit Einzelschicksalen beschäftigen, mit persön-
lichem Widerstand. Gestern war für mich noch deutlich, daß zumindest in
den fünfziger Jahren parteiübergreifend Opposition möglich war. Wir haben
gehört von Hochschulgruppen, die hier in Jena gewirkt haben. Es gab auch
Gewerkschaftsaktivitäten, die man als Opposition begreifen konnte. Wir haben
diesen Dekadenablauf unterbrochen durch die Jenaer Runde gestern abend. Die
erste Gesprächsrunde heute hat den gleichen Duktus. Wir wollen also ohne
definitiven Zeitbezug versuchen, Einzelschicksale, einzelnes widerständiges
Verhalten zu untersuchen, und werden in der zweiten Runde heute nachmittag
die achtziger Jahre noch einmal als Dekade insgesamt beleuchten.

Wir wollen uns zunächst vorstellen, um uns auch persönlich bekannt zu
machen. Ich beginne mit Frau Bartl, bitte.

Eva-Maria Bartl: Mein Name ist Eva-Maria Bartl.

Ich möchte mich beim Vorsitzenden und bei den Kommissionsmitgliedern