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Wahlperiode 12, Band VII/1, Seiten 276 und 277
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Protokoll der 68. Sitzung

hatte ein Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Inneres in Berlin. Dieser
Mann hatte ihm gesagt: „Die Veranstaltung, die Sie planen, wünschen wir
gar nicht. Sie müssen damit rechnen, daß einzelne Leute, die dorthin gehen,
strafrechtliche Konsequenzen erfahren werden.“ – Daraufhin hat Herr Widrat
gesagt: „Gut, ich werde es den Leuten übermitteln, aber ich kann Ihnen
nichts versprechen; diese Leute entscheiden selbst, ob sie das veranstalten
oder nicht.“ – Das ist die Haltung, die wir uns gewünscht und die wir leider
nur bei einigen wenigen gefunden haben. (Beifall)

Zur Frage, woher die Ermutigung kam: Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie die
internationalen Kontakte angesprochen haben. Sie haben wirklich eine große
und wichtige Rolle gespielt. Ich erinnere nur an die END-Konferenzen. 1983
war eine END-Konferenz – European Nuclear Disarmament – in West-Berlin.
Viele Vertreter kamen aus West-Berlin nach Ost-Berlin herüber, und hier haben
Kontakte begonnen, die ihre Fortführung in den nächsten Jahren fanden, was
nicht nur einen Informationsaustausch, sondern auch Schutz bedeutete. Wir
haben das selbst zu spüren bekommen. Als Bärbel Bohley und ich inhaftiert
waren, haben viele dieser Gruppen, die wir da erst kennengelernt hatten,
protestiert.

Die Haltung zu den Westmedien war in den Gruppen sehr unterschiedlich.
Gleich zu Beginn der Gründung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“
kam es zu einer Spaltung dieser Gruppe. Einer der wesentlichen Gründe für
diese Spaltung war die unterschiedliche Haltung zu diesen Westmedien. Es
gab eine Menge Gruppen, die das generell und prinzipiell abgelehnt haben.
Die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ hat das nicht abgelehnt, weil wir
auf dem Standpunkt standen, daß Öffentlichkeit unser entscheidendes Mittel
ist, und da war uns auch jede Öffentlichkeit recht.

Wir haben allerdings ein Stück differenziert und fanden die „Bild“-Zeitung
und Löwenthal usw. nicht so gut, haben andere Medien bervorzugt. Aber
im Prinzip waren wir sehr dankbar dafür, daß über die Westmedien wichtige
Informationen gestreut wurden. (Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Manfred Wilke: Danke. Nun möchte ich Armin
Mitter bitten, mit dem nächsten Podium zu beginnen.

Gesprächsleiter Dr. Armin Mitter: Zunächst werden wir jetzt, wie es
schon in der ersten Runde der Fall war, den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
Gelegenheit geben, sich vorzustellen. Im zweiten Teil werden wir konkreter
auf die politische Entwicklung in der Zeit von 1987 bis 1989 eingehen, wobei
dann auch die Fragen, die schon in der ersten Runde zur Diskussion gestellt
worden sind, wieder eine Rolle spielen werden.

Als erste möchte ich Frau Bohley bitten, das Wort zu ergreifen.

Bärbel Bohley: Letzten Endes ist mein Leben nicht viel anders verlaufen
als das Leben aller anderen in der DDR. Vielleicht bin ich direkter an den

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Widerständiges und oppositionelles Verhalten

Geschehnissen dran gewesen, weil ich in Berlin geboren und aufgewachsen
bin und immer dort gelebt habe. Ich würde schon sagen, daß Berlin die Stadt
ist, die mich ganz wesentlich geprägt hat. Ich habe Berlin bereits vor 1961
als eine geteilte Stadt erlebt. Ich bin in dieser geteilten Stadt mit all ihren
Problemen groß geworden.

Die Probleme nach dem Krieg waren etwa der Art: Wie lebt man in so einer
zerstörten Stadt? – Für ein Kind wie mich war die Frage sehr wichtig: Wie ist
diese Stadt so kaputtgegangen? Warum muß ich in Trümmern spielen? Warum
sind das eigentlich meine Spielplätze?

Insofern bin ich also eigentlich sehr früh eine richtige Antimilitaristin
geworden, wenn auch eine ganz kleine. Das war für mich als Kind ein ganz
wichtiges Thema, wie auch der antifaschistische Widerstand, der uns in der
Schule sehr früh nahegebracht wurde, für mich eine wesentliche Bedeutung
hatte. Auch die Bekennende Kirche spielte in Gesprächen eine große Rolle.

Alles, was mit Widerstand zu tun hatte, war von daher sehr wichtig. Aus
diesem Grunde möchte ich auch gern über die Frage sprechen, was Opposition
in der DDR eigentlich bedeutete. Ich glaube, das ist hier noch völlig ungeklärt.
Ich denke, daß man Opposition nicht vom Jetzt her beurteilen darf, sondern
daß man das unbedingt vom Damals her beurteilen muß.

Natürlich ist Opposition in einer Diktatur etwas ganz anderes als in einer
Demokratie. Dort, wo es z. B. verboten ist, einem Kriegsgefangenen ein Stück
Brot zu geben, ist die Übertretung dieses Verbotes bereits ein oppositioneller
Akt.

Dort ist es nicht nur Menschenliebe, sondern es bedeutet im Grunde genommen
auch, das System zu überwinden. Insofern glaube ich, daß sehr, sehr viele
Menschen in der DDR jeden Tag oppositionelle Akte gemacht haben.
Anderenfalls hätte dieses Land 40 Jahre auch überhaupt nicht überleben
können.

Selbst in Gesprächen, die man dann später mit seinem Vernehmer geführt
hat, gab es dieses In-die-Augen-Gucken. Zum Schluß wußte ich über meinen
Vernehmer genausoviel wie er über mich, obwohl ich ihm keine Fragen stellen
konnte. Ich habe seinen Schritt gehört, habe seine Kleidung gesehen, habe
gesehen, wann er aufblickte, wann er niederblickte, wie er schaute, wie er
telefonierte. Ich habe ihn, glaube ich, genausogut durchschaut wie er mich,
vielleicht sogar noch viel besser.

Dieses Menschliche hat also immer eine ganz große Rolle gespielt. Diese
Akte des Widerstehens waren immer mit menschlichen Beziehungen oder mit
Freundschaften und mit Zuneigungen verbunden. Das war sehr wichtig.

Angefangen hat mein politisches Leben eigentlich mehr im kulturellen
Bereich. Ich habe ja Malerei studiert. Diese ganze Strecke – Lesungen,
Freundschaften mit Leuten aus dem Kulturbereich – war für mich sehr wichtig.