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Wahlperiode 12, Band VIII, Seiten 666 und 667
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Protokoll der 45. Sitzung

die propagiert worden sind, und die Masse hatte allerdings auch Verständnis
dafür, daß die Bevölkerung ehemaligen Parteigenossen mit Mißtrauen und
Ablehnung gegenübersteht. Die Masse meinte aber auch, daß das in ihrem
speziellen Fall allerdings anders sei. Sie haben sich darauf berufen, daß sich
über sie – abgesehen von der vorliegenden Beschwerde – sonst niemand
beschwert hätte, daß sie keine Probleme hätten im Umgang innerhalb und
außerhalb des Amtes, daß sie – soweit sie dazu dienstlich verpflichtet waren –
in der Zusammenarbeit mit Stellen außerhalb des Amtes auch keine Probleme
hätten und daß sie im übrigen auch nie jemandem geschadet hätten.

Bei uns war es ähnlich wie in der Treuhandanstalt, wir hatten auch keine
Exekutivbefugnisse, wir konnten also nur Entscheidungsempfehlungen an die
für die Personalentscheidungen zuständigen Stellen in der Bundesanstalt ge-
ben. Für uns gab es drei Möglichkeiten: Wir konnten empfehlen, wegen einer
nicht nachgewiesenen Belastung z. B. keine Änderungen im Arbeitsverhältnis
eintreten zu lassen. Wir konnten zweitens empfehlen, den Betreffenden, wenn
doch Gründe vorlagen, entweder zurückzugruppieren, eine Änderungskündi-
gung vorzunehmen oder umzusetzen, außerhalb des Publikumsverkehrs etwa,
oder die dritte Möglichkeit war, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu
empfehlen. In Prozenten ausgedrückt: 83 % der Mitarbeiter, mit denen wir
sprachen, fielen in die Kategorie a) – also keine Änderung des Arbeitsverhält-
nisses, hier sind alle die Fälle rubriziert worden, in denen nur eine einzige
Beschwerde vorlag, die noch in der Regel anonym war und in der Regel
auch keinen konkreten Schuldvorwurf enthielt, in denen der Mitarbeiter auch
nachweisen konnte, daß er zu DDR-Zeiten keine bedeutenden Funktionen und
daß er sich auch sonst nicht besonders negativ hervorgetan hatte. In die zweite
Gruppe, bei denen wir Herabgruppierung oder Umsetzung empfohlen haben,
fielen 142 Personen, das sind runde 13 % der Mitarbeiter. Das waren Fälle,
in denen mehrere Personen sich über die Betreffenden beschwert hatten, in
denen doch Zweifel blieben, ob das Verhalten zu DDR-Zeiten immer anständig
gewesen ist, in denen aber eine Entlassung eben doch nicht in Frage kam,
weil an eine Entlassung Kriterien geknüpft werden, die in diesen Fällen nicht
vorgelegen haben. Wir haben, das darf ich hier in Klammern sagen, mitt-
lerweile auch schon aus unserer Sicht leidvolle Erfahrungen machen müssen
mit Urteilen von Arbeitsgerichten in Fällen, in denen wir gekündigt haben,
weil nach unserer Meinung die Belastung zu groß war und das Arbeitsgericht
unseren Vorstellungen nicht gefolgt ist. In die letzte Kategorie, also die zu
Entlassenden, sind 35 Personen oder 3,3 % der Mitarbeiter hineingefallen,
mit denen wir gesprochen haben. Da waren u. a. auch Fälle dabei, in denen
eine Nachfrage bei der Gauck-Behörde ergeben hat, daß der Betroffene als
inoffizieller Mitarbeiter für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet hat. Den
Stasikomplex insgesamt will ich aber aussparen, weil dazu mein Kollege
Wagener gesondert berichten wird.

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Seilschaften in den neuen Bundesländern

Aber lassen Sie mich noch einige Besonderheiten erwähnen, auf die wir
gestoßen sind, für die wir aber keine Erklärungen haben. Wir haben z. B. fest-
gestellt, daß in den Landesarbeitsämtern Sachsen-Anhalt und Thüringen von
dem Personalanteil, den wir am 3.10.1990 aus der DDR-Arbeitsverwaltung
übernommen haben, daß von diesen 10.600 Mitarbeitern 36 % auf diese beiden
Länder entfielen. Der Anteil der Beschwerden, der diese Landesarbeitsämter
betrifft, liegt aber bei 47 %, also nahezu die Hälfte der Beschwerden, die
eingegangen sind, beziehen sich auf die Länder Sachsen-Anhalt und Thürin-
gen. Woran das liegt, das wissen wir nicht. Wir haben uns überlegt: „Hängt
es mit der langen Grenze zur alten Bundesrepublik zusammen und damit,
daß es hier vielleicht mehr Sicherungseinheiten, mehr Grenztruppen gegeben
hat, mehr MfS-Aktivitäten, als in anderen Landesteilen, oder – was wir auch
nicht wissen – war der Sättigungsgrad hinsichtlich der SED-Mitgliedschaft
etwa höher in diesen ehemaligen DDR-Bezirken?“. Also, das ist eine Be-
obachtung, die wir nicht erklären können, ebenso wie wir nicht erklären
können, warum es Bezirke gibt, aus denen keine Beschwerden kamen. Ich
darf einige nennen. Zum Beispiel, das wird Frau Michalk vielleicht besonders
interessieren, aus Teilen des Bezirks des Arbeitsamtes Bautzen sind keinerlei
Beschwerden gekommen. Andere wären zu nennen: Schmölln, Wittenberg,
Werdau. Wir können uns nicht vorstellen, daß dort die Verhältnisse in der DDR
so grundsätzlich anders gewesen sein sollen als in den übrigen Gebieten, oder
daß man in diesen Bezirken bei der Einstellung neuer Mitarbeiter so besonders
sorgfältig vorgegangen sein soll, auch das möchten wir ausschließen. Also hier
keine Erklärung. Eine dritte Auffälligkeit: Unter den Mitarbeitern, die wir
übernommen hatten, waren etwa 80–85 % Frauen. Der Anteil der betroffenen
Frauen bei den eingegangenen Beschwerden liegt aber nur bei 48 %. Auch
das ist sicher eine Beobachtung, über die man nachdenken kann. Als letztes
vielleicht noch: Die Masse der Mitarbeiter, mit denen wir gesprochen haben,
war verheiratet, und zu etwa 90 % hatte auch der Ehegatte noch oder schon
wieder Beschäftigung. Eine Beobachtung, die uns angesichts der hohen Ar-
beitslosigkeit in den neuen Bundesländern zumindest aufgefallen ist. Ich kann
Ihnen auch dafür keine Erklärung anbieten, aber bemerkenswert erscheint es
mir doch.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich bitte
jetzt Herrn Wagener nach vorne zu kommen.

Ltd. VDir. Manfred Wagener: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Ich möchte hier ganz kurz die Situation darstellen, wie sie sich für uns darstellt,
wenn wir feststellen, daß Mitarbeiter in den Arbeitsämtern früher für den
Staatssicherheitsdienst der DDR tätig gewesen sind. Ich darf wieder begin-
nen mit der Verschmelzung der beiden Arbeitsverwaltungen am 3.10.1990.
Unmittelbar danach hatten alle 10.600 übernommenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter einen vom Bundesinnenministerium vorgegebenen Fragebogen