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Wahlperiode 12, Band VIII, Seiten 740 und 741
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Protokoll der 45. Sitzung

daß drei Jahre nach dem Ende eines 40jährigen Unrechtsregimes die erhoffte
Gleichbehandlung und Gerechtigkeit für die Betroffenen ausgeblieben ist. Mit
dem sogenannten „Schwamm drüber“, „die werden sich schon beruhigen“, ist
uns nicht geholfen, weil die Beschädigung der Persönlichkeit bleibt. Es gibt
viele, die sich nichts zu sagen trauen, weil sie schon wieder eingeschüchtert
sind und Angst haben. Ich habe keine Angst mehr, denn ich habe nichts zu
verlieren.

Gesprächsleiterin Maria Michalk (CDU/CSU): Auch Ihnen vielen Dank,
Frau Tonndorf-Ehrke. Das war eine Fülle von Argumenten, die man jetzt
gleich wieder einzeln wieder diskutieren könnte. Aber ich möchte erst Frau
Dr. Fiedler aus Leipzig das Wort geben.

Dr. Marianne Fiedler: Gestatten Sie auch mir zunächst einige Bemerkungen
zu meiner Person, da sie zum Thema gehören. Seit meiner Kindheit bin
ich mit dem Sport, insbesondere mit den Sportspielen, sehr verbunden.
Ich studierte und promovierte an der DHFK. Später arbeitete ich dann als
Ordentliche Dozentin für Theorie und Methodik des Trainings am ehemaligen
Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig – Sie hörten heute
schon davon von Herrn Prof. Pickenhain – und verfüge über langjährige
Erfahrungen in Forschung, Lehre und Praxis im Sport. Weder gehörte ich
der SED an – außer mir gab es nur noch einen parteilosen Dozenten, Herrn
Dr. Schumann, auch schon genannt – noch bin ich doping- oder stasibelastet,
Gauck-Bescheinigung liegt vor. Ich erfuhr, wie viele andere, zahlreiche
Benachteiligungen und den psychischen Druck, den man als Parteiloser
zu DDR-Zeiten erleiden mußte. Als Nicht-Arbeiterkind sollte ich, obwohl
als Schulbeste abgeschlossen, nicht auf die Oberschule kommen. Bei der
Aufnahme an der DFHK fand man es sehr bedenklich, daß ich angeblich
einen angehenden Theologiestudenten zum Freund hatte. Das hätte fast nicht
zur Aufnahme geführt. Mehrfach wurde Druck wegen Parteieintritts ausgeübt,
selbst kurz vor der Verteidigung der Dissertation A. Was das bedeutet, wissen
nur die, die das auch durchgemacht haben. Ich erhielt nicht eine an mich
persönlich gerichtete Vorlesungseinladung nach Ägypten. 10 Jahre war ich
namenloser Ideenlieferant für den Direktor des Instituts, usw. Im Gegensatz
zu manch anderen Parteilosen hatte ich die Möglichkeit, mich zu qualifizieren.
Allerdings mußte das alles erkämpft werden.

Anfang des Jahres 1990 wurde durch mich eine Demokratisierungsgruppe am
Institut gebildet. Sie hatte die demokratische Erneuerung des wissenschaft-
lichen Lebens zum Ziel. Zusammen mit meinen Kollegen, besonders mit
Herrn Dr. Schumann, engagierten wir uns dafür auf vielfältige Weise, was oft
genug auf Widerstand stieß. Im folgenden möchte ich Ihnen einen Eindruck
vermitteln, auf welche Art und Weise man nach der Wende versuchte, mich
und zum großen Teil auch meinen Mitstreiter Dr. Schumann ins Abseits zu
stellen. Man wandte dabei die Methoden der Diffamierung, Verleumdung,

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Seilschaften in den neuen Bundesländern

Falschdarstellung, der Lüge, des Psychoterrors, der Ausgrenzung, der Isolie-
rung an. Dabei arbeitete man kontinuierlich und flächendeckend, oft nach Art
der Heckenschützen, ungesehen aus dem Hinterhalt. Seilschaften sind eben
keine Lichterketten. Ich möchte davor warnen, nur nach dem spektakulären
Einzelvorkommnis zu schauen. Vielmehr ist es die Summation vieler scheinbar
kleiner Ereignisse, die erkennen läßt, was beabsichtigt ist. Wie versuchte
man mich, uns auszugrenzen und zu isolieren? Das versuchte man bei mir
erst einmal ganz direkt. Bereits im Juni 1990 werde ich gefragt, wann ich
das Institut zu verlassen gedenke, wohlgemerkt nicht, ob ich es zu verlassen
gedenke, sondern ich durfte mir großzügigerweise aussuchen, ob in der 1., 2.
oder 3. Entlassungswelle. Völlig überrascht glaubte ich, meinen Ohren nicht zu
trauen. Als Frau mit der höchsten Qualifikation ohne SED-Vergangenheit und
an der Spitze der Erneuerung stehend gab es für mich nicht den geringsten
Grund, darauf einzugehen. Aber von diesem Zeitpunkt an wurde mir klar,
worauf ich mich künftig einzustellen hatte. Seit Mai 1990 sind die Demokraten
im Institut abgemeldet. Sie werden systematisch draußen gelassen. Bei allen
Gelegenheiten ist unser Rat nicht gefragt, obwohl wir uns mehrfach anbieten.
Wir werden kaum einbezogen in Verhandlungen, Gespräche, Einladungen,
Veranstaltungen, Entscheidungen und erfahren auch so gut wie nichts davon.
Auf mein Bewerbungsschreiben im Herbst 1990 für den Posten des Fach-
gruppenleiters Volleyball erhalte ich nicht einmal eine Antwort. Wir werden
bewußt ferngehalten, als Abgeordnete des Sportausschusses des Bundestages
in Leipzig weilten. Man unterschlägt die Einladung des Sportausschusses des
Bundestages an uns. Wir erzwingen die Teilnahme und erhalten Gelegenheit
zur Diskussion. Das alles findet bei mir dann auch seine Entsprechung auf
fachlichem Gebiet. Im Vorfeld der abzuschließenden Zeitverträge im Sommer
1991 wechselt keiner der Verantwortlichen auch nur ein Wort mit mir über
mögliche Bearbeitung. Man behandelt mich wie nichtexistent. 1992 erhalte
ich nicht die erforderlichen Informationen zu meiner Arbeit, verabredete
Zuarbeiten bleiben aus. Man vergißt mich auf der Liste der einzureichenden
Projekte 1993, usw.

Zurück zu 1991: Im Herbst bewarb ich mich für eine leitende Tätigkeit für
das neue Institut. Auch hier berichtet man über Rufmord im Vorfeld der
Bewerbung in den Sportverbänden. Im Dezember 1991 finde ich mich ohne
Rücksprache als einfacher Mitarbeiter in einer anderen Fachgruppe, in der
ich mich nicht beworben hatte, wieder. Fast wäre ich in die Arbeitslosigkeit
gedrängt worden. Die Stellen waren ja inzwischen alle schon besetzt. Übrigens
wurde nicht eine Frau auf eine der 23 Stellen genommen. Als ich dann
noch den Äußerungen zweier Personen so ganz zufällig entnehme, die
miteinander nichts zu tun hatten, daß ich ganz offensichtlich nur für ein
Jahr vorgesehen bin, ist alles klar. In meiner Verzweiflung wende ich im
Januar 1992 mit einem Brief an den Sportausschuß des Deutschen Bundestages