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2.2.2 Keine Neubestimmung des Funktionsvorbehalts
Ursprünglich war mit dem völligen Neuaufbau eines Berufsbeamtentums in
den neuen Ländern auch die Hoffnung verbunden worden, die Praxis der Ver-
beamtung auf einen Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit beschränken und in-
nerhalb des vorgegebenen Rahmens sinnvoll gestalten zu können. Trotz der
einmaligen Chance zu einer überzeugenderen und stringenteren Legitimation
des Berufsbeamtentums durch präzisere Bestimmung dieses Funktionsvorbe-
halts in Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz bei der Schaffung eines eigenen Lan-
desbeamtenrechts wurden von den neuen Ländern jedoch keine neuen Wege
beschritten. Lediglich in der Schulverwaltung wurde in einigen Ländern die
Verbeamtung auf Schuldirektoren und ihre Stellvertreter beschränkt. Zum Teil
ist dort erst im Jahr 1996 mit der Verbeamtung der Lehrer begonnen worden.
In der übrigen Landesverwaltung wurden zumeist schematisch die in den
westlichen Ländern vorhandenen Personalstrukturen übernommen. Deshalb
sind – generalisierend betrachtet – bereits sieben Jahre nach dem Beitritt die
Personalstrukturen in den neuen Ländern mit denen der alten Länder ver-
gleichbar. Eine Rationalisierung des Funktionsvorbehalts ist im Rahmen eines
vereinigungsspezifischen Sonderweges für die neuen Länder nicht erfolgt und
bleibt daher mit der Reform des Berufsbeamtentums eine gesamtdeutsche
Aufgabe.
2.3 Praxis der Entscheidungen über die Übernahme von Personal in den
öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet während der Übergangsphase nach
1990
Die Umstrukturierung der Verwaltung und die personelle Erneuerung des öf-
fentlichen Dienstes im Beitrittsgebiet konnte nicht allein mit den vorhandenen
Mitteln des Arbeitsrechts bewältigt werden. Im Hinblick auf die Übernahme
des im Beitrittsgebiets vorhandenen Verwaltungspersonals hatte der Eini-
gungsvertrag mit der sogenannten Warteschleifenregelung den völligen perso-
nellen Neubeginn im öffentlichen Dienst der neuen Länder durch die Ab-
wicklung von Einrichtungen ebenso zugelassen wie den Fortbestand der Ar-
beitsverhältnisse übernommener Einrichtungen mit der Möglichkeit von im
Nachhinein ausgesprochenen Kündigungen (Anlage I, Kapitel XIX, Sachge-
biet A, Abschnitt III). Beide Lösungsmöglichkeiten erlangten große praktische
Bedeutung.
2.3.1 Auswirkungen der Instrumente des Einigungsvertrages auf die
personelle Erneuerung der Verwaltungen und auf die Beschäftigten
Die personelle Erneuerung der Verwaltungen in den neuen Ländern ist heute
im wesentlichen abgeschlossen. Derzeit bestehende Personalüberhänge in den
Landesverwaltungen sind nicht mehr auf den Transformationsprozeß, sondern
auf davon unabhängige personalwirtschaftliche Maßnahmen zurückzuführen.
Lediglich in den Kommunalverwaltungen, die nicht die Möglichkeit der Ab-
wicklung von Einrichtungen hatten und deshalb auf die Sonderkündigungstat-
bestände des Einigungsvertrages mit ihren Prozeßrisiken zurückgreifen muß-
ten, bestehen zum Teil noch Personalüberhänge und strukturelle Defizite.
Zu der vom Einigungsvertrag gewählten Warteschleifenlösung und den Kün-
digungen nicht mehr benötigter oder persönlich belasteter Beschäftigter hat es
freilich bei rückblickender Betrachtung keine Alternative gegeben. Ohne die
konsequente Abwicklung nicht mehr benötigter Einrichtungen und die
zwangsläufigen Entlassungen wäre eine funktionierende Verwaltung in Bund
und Ländern nicht entstanden. Gerade in der Übergangsphase nach 1990 haben
auch zahlreiche Verwaltungsfachleute aus den westlichen Ländern am Aufbau
der Verwaltungen in den neuen Ländern mitgearbeitet. Deren Erfahrungen und
das Engagement vieler Berufsanfänger, die auf Dauer in den Verwaltungs- und
Justizdienst der neuen Länder eintraten, haben wesentlich zum Gelingen des
schnellen Aufbaus einer funktionierenden Verwaltung beigetragen. Zugleich
konnte so in vielen Behörden ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen in
den alten Ländern ausgebildeten und aus den neuen Ländern stammenden Mit-
arbeitern erreicht werden. Vor allem im höheren und gehobenen Dienst rekru-
tiert sich das Personal derzeit gleichermaßen aus den neuen und alten Ländern.
Das Verhältnis dürfte sich in den kommenden Jahren in den Landesverwaltun-
gen weiter zugunsten der „Landeskinder“ verschieben.
Die zahlreichen Entlassungen aufgrund der Sonderkündigungstatbestände und
auch die Warteschleifenregelung des Einigungsvertrages haben zu erheblichen
Einschnitten in das Leben der Betroffenen geführt. Gerade in der Anfangspha-
se der personellen Erneuerung des öffentlichen Dienstes waren angesichts des
drohenden Makels einer Kündigung zahlreiche Beschäftigte bereit, ihr Ar-
beitsverhältnis im Wege des Auflösungsvertrages zu beenden. Dazu hat beige-
tragen, daß viele Betroffene ihre Beschäftigungschancen zu optimistisch ein-
geschätzt haben. Die durch die Warteschleifenregelung und die erleichterten
Kündigungsmöglichkeiten des Einigungsvertrages entstandene persönliche
Lebenssituation wurden von vielen Beschäftigten als belastend empfunden.
Allerdings war gerade in der Anfangsphase die Bereitschaft, sich intensiv um
einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen und gegebenenfalls auch einen Orts-
wechsel in Kauf zu nehmen, bei vielen Betroffenen sehr gering. Die Einstel-
lung auf einen Arbeitsmarkt, der die Beschäftigung nicht mehr garantierte, und
eine persönliche berufliche Neuorientierung erfolgten erst allmählich. Auf die
in der Aufbauphase 1990/91 ausgeschriebenen Stellen in neu errichteten Be-
hörden bewarben sich deshalb zunächst nur sehr wenige Beschäftigte, die nicht
bereits zuvor am selben Ort in der Verwaltung tätig waren. Wegen der Vorga-
ben des Einigungsvertrages, die Mitarbeiter nicht abgewickelter Einrichtungen
weitgehend in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik übernehmen woll-
ten, soweit keine persönlichen Eignungsmängel vorlagen, und mangels von
außen kommender Nachfrage hat sich dort der Personalaustausch häufig zu-
nächst auf die Ablösung der im gehobenen und höheren Verwaltungsdienst