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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 650 und 651
650
Enquete-Kommission

VIII. Herausforderungen für die künftige Aufarbeitung der SED-
Diktatur

1.Rolle und Bedeutung von Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbän-
den im weiteren Prozeß der Aufarbeitung der SED-Diktatur
2.Rolle und Aufgabe der historischen Deutschlandforschung im Prozeß
der deutschen Einheit
2.1Gegenwärtiger Stand
2.2Ausblick und Chancen
3.Weitere strukturelle Aspekte des Aufarbeitungsprozesses
3.1Dokumente und Aktenbestände zur deutschen Teilung bei öffentli-
chen Stellen
3.2Förderung von Stiftungen in den neuen Ländern
4.Handlungsempfehlungen

 

Die Enquete-Kommission hat in einem Zwischenbericht (Bundestagsdrucksa-
che 13/8700 vom 8. 10. 1997) als ihre wichtigste Handlungsempfehlung die
Errichtung einer selbständigen Bundesstiftung des öffentlichen Rechts zur
Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland
vorgeschlagen. Der Deutsche Bundestag hat diesen Vorschlag aufgegriffen
und die Stiftung mit Gesetz vom 5. Juni 1998 errichtet. Der gesamtgesell-
schaftliche Aufarbeitungsprozeß wird nur gelingen, wenn die innere Einigung
der Deutschen auch weiterhin durch geeignete Maßnahmen von Bund und
Ländern gefördert wird. Die Enquete-Kommission hat über ihren Zwischenbe-
richt hinaus insbesondere die fortwirkende Rolle der Aufarbeitungsinitiativen
und der historischen Deutschlandforschung in diesem Prozeß untersucht und
strukturelle Vorschläge zu seiner Verstetigung erarbeitet. Der zunehmende
zeitliche Abstand der Menschen zu den Ereignissen der friedlichen Revolution
in der DDR läßt die Erinnerungen verblassen. Die Umstände, die zur Demo-
kratisierung der DDR und zum Erreichen der staatlichen Einheit Deutschlands
führten, müssen im Bewußtsein der Bürger wachgehalten werden.

 

1. Rolle und Bedeutung von Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbänden im
weiteren Prozeß der Aufarbeitung der SED-Diktatur

Viele der heute bestehenden Aufarbeitungsinitiativen sind personell aus der
Bürgerbewegung und den Oppositionsgruppen in der DDR hervorgegangen. In
den vergangenen Jahren haben sie einen Rollen- und Bedeutungswandel erfah-
ren. In der Umbruchphase im Herbst 1989 trugen sie den wesentlichen Anteil
an der Auflösung des MfS/AfNS und seiner konspirativen Strukturen. Ihnen ist
es vor allem zu verdanken, daß die immense Aktenvernichtung eingestellt und

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Schlußbericht

die MfS-Unterlagen einer wirksamen Kontrolle unterworfen werden konnten.
Mit der Etablierung eines demokratischen Systems in den neuen Ländern hat
sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit von der aktiven Gestaltung der Politik auf
die Begleitung des Aufarbeitungsprozesses verlagert. Sie wirkten an der Ge-
staltung des Stasi-Unterlagengesetzes mit, begleiteten beispielsweise aktiv die
Diskussion um die Verlängerung von Verjährungsfristen für Staats- und Regie-
rungskriminalität des SED-Regimes und sind eine Anlaufstelle für die Opfer
der SED-Diktatur. Zugleich arbeiten sie die Strukturen und Arbeitsweisen des
MfS auf und stellen ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit in Form von Vorträ-
gen, Ausstellungen und Publikationen zur Verfügung. Vor allem die Aufar-
beitungsinitiativen sind heute Garanten dafür, daß auch auf lokaler und regio-
naler Ebene durch den offenen Dialog der Bürger über die Zeit der SED-Dik-
tatur kein Vergessen und Verdrängen der Vergangenheit möglich wird. Heute
sind viele Akteure in den Aufarbeitungsinitiativen wichtige Zeitzeugen, die
ihre Erfahrungen aus der Zeit des Widerstandes gegen die SED-Diktatur und
der friedlichen Revolution vermitteln. Sie bewahren Archivalien und Doku-
mente des Widerstandes gegen das SED-Regime vor Untergang und Zerstö-
rung und machen diese der Öffentlichkeit zugänglich (s. Teil B.V.2.1.2.). Die
Initiativen, die bereits auf lokaler und regionaler Ebene wirken, aber auch neu
entstehende Vereine und Gruppen sollten in Zukunft gerade die jüngeren Ge-
nerationen, die weder die Zeit der deutschen Teilung noch das SED-Regime
bewußt erlebt haben, ansprechen und in ihnen ein Interesse am Aufarbeitungs-
prozeß wecken, um den antitotalitären Konsens in der Gesellschaft zu festigen
und eine Diktaturresistenz in der Gesellschaft zu erreichen. Sie können Beiträ-
ge zur kritischen Auseinandersetzung mit lokaler Geschichte leisten, das Erin-
nern als einen Stachel heilsamer Unruhe wachhalten und die Vergangenheit
mittels Zeitzeugen „greifbar“ machen. Diese Aufgabe ist weder durch die
Schulen noch durch die offene Jugendarbeit oder die staatlich initiierte politi-
sche Bildung allein zu erfüllen. Es wird über das Wirken der Bundesstiftung
hinaus vor allem eine wichtige Aufgabe der Länder, aber auch der Kommunen
sein, diese Arbeit der Aufarbeitungsinitiativen zu fördern und zu unterstützen.

Unverständlich ist, daß zwar die Aufarbeitung der NS-Diktatur als ein gemein-
nütziger Zweck in § 10 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) anerkannt ist,
nicht jedoch die Aufarbeitung der SED-Diktatur. So wird heute etwa die Spen-
de an einen Verein, der sich mit der Geschichte des Konzentrationslagers Bu-
chenwald in der Zeit von 1933 bis 1945 beschäftigt, steuerrechtlich anders be-
handelt als die Zuwendung an einen Opferverband, dessen Arbeit dem Lager
Buchenwald in der Zeit von 1945 bis 1950 gewidmet ist.