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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 780 und 781
780
Enquete-Kommission
  • das die Erfahrungen mit kommunistischer Herrschaft aufarbeitet und fest-
    hält,
  • das in gleicher Weise die Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Fa-
    schismus aufarbeitet und aufbewahrt,
  • das die politischen Kräfte und Persönlichkeiten würdigt, die für Mensch-
    lichkeit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit gekämpft haben,
  • das um die ständige Gefährdung von Menschlichkeit und Demokratie weiß.

Wichtige Mittel zur Herausbildung eines europäischen Geschichtsbewußtseins
und einer europäischen Wertegemeinschaft sind

  • Geschichtslehrbücher, die das gegenseitige Verständnis fördern, was die
    Fortsetzung der Arbeit von Schulbuchkommissionen einschließt,
  • bilaterale oder transnationale Weiterbildungsveranstaltungen für Multipli-
    katoren (Lehrer etc.),
  • Jugendaustausche (die insbesondere im Hinblick auf die osteuropäischen
    Länder zu fördern sind),
  • Städtepartnerschaften, die den Kreis der Honoratioren überschreiten sollten,
  • bilaterale und internationale wissenschaftliche Konferenzen und wissen-
    schaftliche Kooperationsprojekte zur Aufarbeitung der neuesten Geschich-
    te.

Vielfach wird von einer besonderen deutschen Verantwortung für die europäi-
sche Entwicklung gesprochen, und nicht selten spielen dabei auch die histori-
schen Erfahrungen eine wichtige Rolle. Jorge Semprun z. B. hat es als beson-
dere Aufgabe der Deutschen bezeichnet, die Erfahrungen der nationalsoziali-
stischen und der kommunistischen Diktatur für Europa aufzuarbeiten und
nutzbar zu machen: „Das deutsche Volk ist nämlich seit der Wiedervereini-
gung – als Teil des sozialen und politischen, komplexen und schmerzhaften
Prozesses, der aber voller Chancen für die demokratische Zukunft steckt [...] –
Deutschland ist seitdem das einzige Volk Europas, da sich mit beiden totalitä-
ren Erfahrungen des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen kann und soll: dem
Nazismus und dem Stalinismus. In seinem Kopf und Körper hat es diese Er-
fahrungen erlebt und kann sie nur überwinden – und ohne, daß daraus ein Prä-
zedenzfall wird, könnte man in diesem Fall einmal den Hegelschen Begriff der
Aufhebung verwenden – kann sie also nur überwinden, indem es beide Erfah-
rungen kritisch übernimmt und aufhebt, um die demokratische Zukunft
Deutschlands zu bereichern. Von dieser hängt gar [...] die Zukunft eines de-
mokratisch wachsenden Europas zu einem großen Teil ab“ (Jorge Semprun bei
der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1994).

781
Schlußbericht

Stellungnahme der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P.
sowie der Sachverständigen Fricke, Huber, Maser, Moreau und Wilke zu dem
vorstehenden Sondervotum

Wir stellen folgendes fest:

  1. Das Sondervotum, das ausdrücklich wesentliche Teile des Mehrheitsvotums
    bestätigt, besteht zu erheblichen Teilen aus Wiederholungen des Mehrheits-
    votums und aus Ergänzungen, denen weitgehend zuzustimmen ist. Es ist
    daher zu bedauern, daß die SPD sich aus dem gemeinsamen Bemühen um
    einen konsensgedeckten Bericht zurückgezogen hat und nicht in der Lage
    war, ihre Positionen rechtzeitig in die Beratungen einzubringen. Es wäre
    möglich, sachgerecht und für den Leser deutlicher gewesen, durch Erarbei-
    tung eines gemeinsamen Berichtes mit passagenweisen Minderheitsvoten
    die Übereinstimmungen und die abweichenden Urteile deutlich zu machen.
  2. Das Sondervotum enthält Fehler, parteipolitisch motivierte Einseitigkeiten
    und sachliche Unschärfen, die hier nicht im einzelnen erörtert werden kön-
    nen. Beispielhaft seien erwähnt:
    1. Daß mit der Verkündung des „Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus“
      durch die 2. Parteikonferenz 1952 Ulbricht die Politik Stalins mögli-
      cherweise konterkariert haben könnte, ist aus der damaligen Gesamtsi-
      tuation extrem unwahrscheinlich und wird durch die bisherige Auswer-
      tung sowjetischer Akten (Wettig) nicht bestätigt.
    2. Nicht die „intensive politische Auseinandersetzung mit der SED“ hat
      schließlich zu einem vereinten Deutschland auf demokratischer Grund-
      lage geführt, sondern die erfolgreiche Beseitigung der SED-Diktatur
      durch die Menschen in der DDR und die durch sie legitimierten Ver-
      handlungen der Bundesregierung und der demokratisch gewählten DDR-
      Regierung sowie die von der Bundesregierung erreichte Zustimmung der
      Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, der Europäischen Union, der
      NATO und aller Nachbarn Deutschlands.
  3. Die Politik der Bundesregierung hinsichtlich der polnischen Westgrenze
    und des deutsch-polnischen Verhältnisses im Jahre 1990 wird unangemes-
    sen dargestellt. Ziel der Bundesregierung war eine definitive Regelung der
    Grenzfrage, die ein kooperatives und gutnachbarliches Verhältnis mit dem
    demokratischen Polen festigen würde. Dabei mußte allerdings die Tatsache
    berücksichtigt werden, daß ein rechtsverbindlicher Vertragsabschluß über
    die deutsche Ostgrenze nur von einer demokratisch legitimierten gesamt-
    deutschen Regierung vollzogen werden konnte. Auch der Zusammenhang
    zwischen der endgültigen vertraglichen Regelung der deutsch-polnischen
    Grenzfrage und der gleichzeitigen bilateralen vertraglichen Absicherung der
    Rechte der deutschen Minderheit in Polen findet in dem SPD-Sondervotum
    keine Beachtung.