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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 36 und 37
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Protokoll der 40. Sitzung
  1. schweres, von der internationalen Rechtsgemeinschaft entsprechend quali-
    fiziertes Unrecht die Berufung auf das Rückwirkungsverbot versagt. An-
    dernfalls wäre die Konsequenz, daß ein Staat eben doch beliebig über das
    Recht disponieren könnte, unbestritten. Unberührt bleibt in jedem Fall der
    notwendige Nachweis persönlicher Schuld.
  2. Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Bundesrepublik Deutschland den
    zu Art. 7 der Europäischen Menschrechtskonvention erklärten Vorbehalt,
    den sie übrigens zu der Parallelvorschrift des Art. 15 des UN-Paktes über
    bürgerliche und politische Rechte nicht wiederholt hat, zurücknehmen
    sollte. Da der Vorbehalt ohnehin nur auf Art. 103 Abs. 2 GG verweist,
    diese Vorschrift aber in dem oben dargestellten Sinn zu interpretieren und
    Übereinstimmung mit der Verpflichtung aus dem UN-Pakt herzustellen
    ist, hat der Vorbehalt keine Berechtigung mehr.
  3. Die vom Bundesverfassungsgericht häufig zur Anwendung gebrachte Ar-
    gumentationsfigur der historischen Einmaligkeit bedeutet keinen Aus-
    bruch aus dem Verfassungssystem, erlaubt aber die Ausschöpfung von
    Handlungsspielräumen – übrigens in den allermeisten Fällen mit überzeu-
    gendem Ergebnis.
  4. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht haben in diesem Be-
    reich überwiegend Zustimmung gefunden. Die zur Verfügung stehenden
    Verfahrenswege haben sich als ausreichend erwiesen.
  5. Ein gewisses Unbehagen über die ihm anvertraute Aufarbeitungsaufgabe
    steht dem Rechtsstaat wohl an. Als Staat des Maßes tut er sich schwer mit
    der Bewältigung des Unmäßigen. Diese distanzierte, Emotionen abholde
    Haltung ist aber nicht gleichbedeutend mit Unvermögen, sondern vielmehr
    notwendige Voraussetzung einer Rechtsvertrauen schaffenden justitiellen
    Aufarbeitung, die selbst nur Teilstück der Bewältigung einer traumati-
    schen Diktaturerfahrung sein kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang
    nochmals darauf aufmerksam machen, daß die Möglichkeiten und Erfor-
    dernisse einer Auseinandersetzung mit Diktaturfolgen auf deutschem Bo-
    den sich für den Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht aus-
    schließlich in justitiellen Maßnahmen erschöpfen dürfen. Der rechtsstaat-
    liche Auftrag zielt weiter. Die Würde der Diktaturopfer verlangt, daß
    durch das Herausfinden der Wahrheit Lehren für die Zukunft gezogen
    werden können. Die ansonsten bestehende Sinnlosigkeit ihres Opfers wür-
    de das ihnen angetane Unrecht vertiefen. Ich bedanke mich.

Gesprächsleiter Sv. Prof. Dr. Peter M. Huber: Sehr geehrter Herr Klein, ich
bedanke mich für dieses Referat. Ich glaube, die heutige Sitzung der Enquete-
Kommission zeigt, daß sich der Rechtsstaat eines gewissen Unbehagens nicht
entledigen will, sondern mit sich selber ins Gericht geht und sich hinterfragt
und daß man sich dabei nicht auf die gerichtsförmigen Verfahren allein be-
schränkt. Wir wollen als nächstes die Frage der verwaltungsrechtlichen Aufar-
beitung besprechen. Dazu gebe ich Herrn Brenner das Wort.

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Justitielle Aufarbeitung

Prof. Dr. Michael Brenner: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
dem Verfassungsrechtler bereitet es ja gemeinhin eine gewisse Freude und
Genugtuung, dem Gesetzgeber Versagen oder gar Unfähigkeit und den Ver-
waltungsgerichten eine Überschreitung ihrer richterlichen Befugnisse und da-
mit ja auch einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip zu attestieren.
Genau dies ist jedoch im Bereich der justitiellen Aufarbeitung der SED-Dik-
tatur im Prozeß der deutschen Einheit für das Gebiet des Verwaltungsrechts
kaum möglich. Gesetzgeber und namentlich die Verwaltungsgerichte sind
nämlich ihrer Verantwortung und den ihnen von der Verfassung und vom Ei-
nigungsvertrag gestellten Aufgaben insgesamt gerecht geworden. Eine vorläu-
fige Bilanz der justitiellen Aufarbeitung der SED-Diktatur im Jahre 7 nach der
deutschen Wiedervereinigung fällt daher für den Bereich des Verwaltungs-
rechts positiv aus. Diese Bilanz beschränkt sich jedoch auf die gewissermaßen
handwerkliche Qualität der Arbeit des Gesetzgebers und auf die Umsetzung
der legislativen Vorgaben durch die Verwaltungsgerichte. Eine rechtspoliti-
sche Bewertung ist damit nicht verbunden.

Ausgangspunkt dieses insgesamt positiven Befundes ist zunächst die Arbeit
des Gesetzgebers, die ja Grundlage, Maßstab und Grenze für die justitielle
Aufarbeitung durch die Verwaltungsgerichte darstellt. Während auf der Ebene
des Politischen seinerzeit manches kontrovers diskutiert wurde und nach wie
vor kontrovers diskutiert wird, kann aufgrund der stabileren Bewertungs-
grundlage und Beurteilungsgrundlage der zu Gesetzesrecht geronnenen Politik
konstatiert werden, daß der Gesetzgeber insgesamt gute Arbeit geleistet hat.
Greift man etwa den gewichtigen Bereich des Vermögensrechts, aber auch den
Bereich des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes heraus, so ist festzuhalten,
daß der Gesetzgeber hier klare, vollständige und, soweit dies durch ein Gesetz
möglich ist, das ja als abstrakt-generelle Regelung auf eine Vielzahl von nicht
immer klar vorhersehbaren Fällen Anwendung finden soll, eindeutige Rege-
lungen geschaffen hat, die den Gerichten praktikable und handhabbare Ent-
scheidungsvorgaben an die Hand gegeben haben. Legislative Defizite lassen
sich hier weder in inhaltlicher Hinsicht, also etwa im Hinblick auf Auslassun-
gen oder Wertungswidersprüche, noch in handwerklicher Hinsicht konstatie-
ren. Insbesondere hat der Gesetzgeber keine politischen Leerformeln in das
Gesetz aufgenommen und sich damit seiner legislativen Verantwortung nicht
entzogen, wie dies in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts ja durchaus
häufiger festzustellen ist. Hervorzuheben ist auch, daß dann, wenn sich im
Verlauf der justitiellen Aufarbeitung gelegentlich Ergebnisse gezeigt haben,
die als politisch unbefriedigend und damit als korrekturbedürftig erschienen,
der Gesetzgeber solche, allerdings nur vordergründig legislativen, im Kern
hingegen politischen Defizite schnell gelöst hat, indem er das jeweilige Gesetz
nachgebessert hat. Dies gilt etwa im Hinblick auf den Erlaß des Gesetzes über
den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer.
In diesem Zusammenhang kann auch der neu in das Verwaltungsrechtliche
Rehabilitierungsgesetz eingefügte § 1a genannt werden, der die Möglichkeit
eröffnet, die Rechtsstaatswidrigkeit von Verwaltungsentscheidungen über die