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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 38 und 39
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Protokoll der 40. Sitzung

bislang im Gesetz genannten Fälle hinaus festzustellen. Hieran wird deutlich,
daß der Gesetzgeber seiner Aufgabe, das SED-Unrecht legislativ zu bewälti-
gen, verantwortungsbewußt nachgekommen ist. Zusammenfassend kann also
im Hinblick auf den Gesetzgeber, der die Vorgaben für die justitielle Aufar-
beitung durch die Verwaltungsgerichte gesetzt hat, festgehalten werden, daß er
zur Bewältigung der Folgen der SED-Diktatur im Bereich des Verwaltungs-
rechts Gesetze geschaffen hat, die sich durch die Detailliertheit ihrer Regelun-
gen und Normen auszeichnen. Namentlich das Vermögensgesetz diente damit
der Verwirklichung von Rechtssicherheit.

Auf dieser Basis nun will ich im Hinblick auf die justitielle Aufarbeitung
durch die Verwaltungsgerichte drei Punkte besonders hervorheben:

  1. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat sich durchweg im Rahmen
    der gesetzlichen Vorgaben gehalten. Soweit die vom Gesetzgeber erlasse-
    nen Vorschriften konkret und bestimmt ausgestaltet waren, haben sich die
    Verwaltungsgerichte auf deren wortgetreue Anwendung beschränkt. Soweit
    sie hingegen auslegungs- und konkretisierungsbedürftig waren, haben die
    Gerichte anhand klar formulierter Auslegungskriterien eine konsequente
    Entscheidungspraxis entwickelt. Dies gilt etwa für die Rechtsbegriffe der
    Überführung und der Abwicklung. Damit waren die Verwaltungsgerichte
    um eine am gesetzgeberischen Willen ausgerichtete Auslegung der im Ge-
    setz enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe bemüht, sie haben sich nicht
    zum Ersatzgesetzgeber emporgeschwungen, was Irritationen zweifelsohne
    vermieden hat. Lückenfüllend sind die Verwaltungsgerichte nur ausnahms-
    weise tätig geworden, etwa im Fall einer fehlenden gesetzlichen Regelung
    der sachlichen Zuständigkeit von Behörden. Schweigt jedoch das Gesetz,
    dann ist es die legitime und notwendige Aufgabe der Verwaltungsgerichte,
    diese Lücke im Gesetz durch Auslegung des Gesetzes zu füllen.
  2. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat zur Konkretisierung ausle-
    gungsbedürftiger Tatbestände klare Konzeptionen entwickelt und diese
    konsequent angewendet. Dies hat auch auf der Ebene der Rechtsprechung
    in weitem Maße zur Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Rechts und
    damit zur Entstehung bzw. zur Vertiefung von Vertrauen in die Fähigkeit
    des Rechtsstaates geführt, durch die deutsche Wiedervereinigung entstan-
    denen Handlungsbedarf judikativ zu bewältigen. Der Vorwurf einer von
    Brüchen gekennzeichneten Rechtsprechung kann nicht erhoben werden –
    im Gegenteil: Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ist durch be-
    merkenswerte Kontinuität und Konsequenz gekennzeichnet.
  3. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat den eklatant rechtsstaats-
    widrigen Kern der Enteignungspraxis der DDR, der sogar nach deren eige-
    nem Selbstverständnis diskriminierend war, herausgeschält. Die Verwal-
    tungsgerichte haben gewissermaßen die Fälle des qualifizierten Einzelun-
    rechts, das einer Wiedergutmachung bedarf, aus der Fülle der in der DDR
    getroffenen rechtswidrigen Verwaltungsmaßnahmen herausdestilliert, was
    gerade angesichts der oft lange Zeit zurückliegenden Gegebenheiten beson-
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Justitielle Aufarbeitung
  1. ders zu würdigen ist. Damit mag zwar insgesamt der Eindruck entstehen,
    daß die Rechtsprechung bemüht war, die Anzahl der Rückabwicklungsfälle
    gering zu halten, doch entspricht dies durchaus der gesetzgeberischen In-
    tention.

Versucht man eine vorläufige Bilanz der justitiellen Aufarbeitung der SED-
Diktatur durch den Gesetzgeber und durch die Verwaltungsgerichte zu ziehen,
so kann konstatiert werden, daß es trotz unvermeidbarer Verzögerungen im
Bereich des Verwaltungsrecht insgesamt gelungen ist, einen differenzierten,
gerechten und verfassungskonformen Ausgleich divergierender Interessen
nicht nur generell-abstrakt zu verwirklichen, sondern auch individuell-konkret
umzusetzen. Dies wurde nicht zuletzt durch das den Vorgaben des Grundge-
setzes in besonderem Maße gerecht werdende gewaltengeteilte Zusammenspiel
von Legislative und Judikative ermöglicht. Es ist dem Gesetzgeber gelungen,
praktikable Lösungen zu finden, vor allem aber ist es den Verwaltungsgerich-
ten und insbesondere dem Bundesverwaltungsgericht gelungen, den gesetzli-
chen Regelungen scharfe Konturen zu vermitteln und dadurch für Rechtsklar-
heit und Berechenbarkeit des Rechts zu sorgen. Legislative und Judikative ha-
ben gewissermaßen an einem Strang gezogen, als es darum ging, eine klare
Grenzlinie zu ziehen zwischen dem nach den Maßstäben der früheren DDR
Üblichen, das ja nach Art. 19 des Einigungsvertrages Bestand haben sollte,
und konkretem individuellem Unrecht, das auch von der Rechtsordnung der
DDR nicht mehr gedeckt war. Es ist damit gelungen, den Kern sozialistischen
Unrechts aus der Vielzahl der seinerzeit in der DDR getroffenen Verwaltungs-
entscheidungen herauszudestillieren. Gesetzgeber und Verwaltungsgerichte
haben damit einen wesentlichen Beitrag zur rechtsstaatlichen Aufarbeitung so-
zialistischen Unrechts geleistet. Im Bereich des Verwaltungsrechts hat sich
nach meiner Auffassung der Rechtsstaat bei der Aufarbeitung der SED-Dik-
tatur bewährt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Gesprächsleiter Sv. Prof. Dr. Peter M. Huber: Herr Brenner, vielen Dank
für Ihren Vortrag. Wir kommen nun nach den verfassungsrechtlichen und den
verwaltungsrechtlichen Würdigungen zum Aspekt des Zivilrechts und hier
insbesondere des Arbeitsrechts, den uns Frau Schlachter vortragen wird.

Prof. Dr. Monika Schlachter: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
die Folgen der SED-Diktatur im Regelungsbereich des Arbeitsrechts lagen ei-
nerseits auf wirtschaftlichem Gebiet, politisch aber auch auf Fragen der Aus-
wechslung von Funktionseliten. Von den im Einigungsvertrag enthaltenen
Sonderbestimmungen waren somit gerade diejenigen zum Kündigungsrecht
die praktisch Bedeutsamsten, da sie diese beiden Aspekte bewältigen sollten.
Zu den prägenden Elementen des SED-Staates gehörte die bewußt personal-
intensiv gestaltete Wirtschaft. Das verfassungsmäßige Recht auf Arbeit sollte
auch dort verwirklicht werden, wo an sich nicht genügend Personalbedarf be-
stand. Dadurch wurde eine wirtschaftlich nicht konkurrenzfähige Personal-
struktur der Betriebe und öffentlichen Verwaltungen geschaffen. Nach der
Wiedervereinigung und unter dem Druck sprunghaft ansteigender Lohnkosten