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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 44 und 45
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Protokoll der 40. Sitzung

chung letztendlich eine sehr restriktive Verurteilungspraxis entwickelt hat, ha-
ben diese Unterschiede im Ergebnis keine gravierenden Folgen gehabt. An der
strafjustitiellen Aufarbeitung ist vielfach kritisiert worden, daß schwere Be-
einträchtigungen der persönlichen Lebenssphäre ungestraft geblieben sind,
z. B. Zersetzungsmaßnahmen, Zerstörung beruflicher Karrieren. Dieses Un-
recht wird nun einmal nicht durch strafrechtliche Tatbestände erfaßt. Der
Rechtsstaat gewährt und er sollte auch im Bereich des Strafrechts nur einen
partiellen Rechtsschutz gewähren.

Nächster Punkt: Bilanz. Die Entwicklung der Verfahrenszahlen zeigt, die straf-
rechtliche Aufarbeitung tritt derzeit in eine abschließende Phase ein. Man kann
daher eine erste Bilanz ziehen. Ich will bei dieser Bilanz unberücksichtigt las-
sen – die Diskussion wird vermutlich ja darauf kommen –, daß immer wieder,
teilweise von verschiedenen Standpunkten aus, grundsätzliche Einwände ge-
gen den Einsatz des Strafrechts erhoben werden. Für die strafrechtliche Praxis
haben sie keine Bedeutung. Man muß der Strafjustiz bescheinigen, daß es ihr
auf einem sehr langen, sehr mühseligen Weg gelungen ist, ein in sich schlüssi-
ges Konzept zu entwickeln. Es ist angelegt auf eine konsequente Bestrafung
von Menschenrechtsverletzungen und auf die Wahrung einer Verfolgungskon-
tinuität. Für Kursänderungen – also etwa durch eine Amnestie – sehe ich der-
zeit auch angesichts des fortgeschrittenen Standes der strafrechtlichen Aufar-
beitung keinen Anlaß. Und angesichts des fortgeschrittenen Standes der Ver-
fahren erscheint mir auch eine nochmalige Verlängerung von Verjährungsfri-
sten bedenklich. Die derzeit diskutierte Verlängerung der Verjährungsfrist für
Delikte mittlerer Kriminalität hat unter anderem auch ein rechtliches Beden-
ken, das ich kurz nennen will. Der Abstand zur sogenannten absoluten Verjäh-
rung, das ist dann wirklich der Schlußpunkt, der ist nur noch gering. Absolute
Verjährung tritt ein nach dem doppelten Zeitraum der gesetzlichen Verjäh-
rungsfrist und das ist nicht mehr so sehr weit weg. Angezeigt erscheint mir da-
gegen eine Rücknahme, ich brauche mich nur noch auf Herrn Klein zu bezie-
hen, des Vorbehalts gegenüber Artikel 7 Abs. 2 der Europäischen Menschen-
rechtskonvention. Ich will nur hinzufügen, das ist ein rein deklaratorischer
Akt, mehr nicht, aber politisch vielleicht nicht unwichtig.

Meine abschließenden Bemerkungen betreffen die Leistungsfähigkeit einer
strafrechtlichen Aufarbeitung. Gezeigt hat sich, daß der durch das Strafrecht
gewährleistete Menschenrechtsschutz eine Verfolgung und Aburteilung jeden-
falls der gravierenden Unrechtsformen eines überwundenen Systems ermög-
licht. Auch leistet die strafrechtliche Aufarbeitung einen Beitrag zur gesell-
schaftlichen Bewußtseinsbildung, nämlich durch gesicherte Feststellung zeit-
historisch wichtiger Unrechtssachverhalte. Und dazu abschließend ein Wort in
eigener Sache. Im Rahmen des erwähnten Projekts entsteht eine umfangreiche
Dokumentation der Strafverfahren wegen SED-Unrechts. Sie soll gerade diese
Leistung erbringen – gesellschaftliche Bewußtseinsbildung. Die Finanzierung
der Dokumentation ist noch nicht gesichert. Ich bin unverschämt genug in die-
ser Runde auch die Bitte zu äußern, sich Gedanken über finanzielle Unterstüt-
zung zu machen. Danke schön.

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Justitielle Aufarbeitung

Gesprächsleiter Sv. Prof. Dr. Peter M. Huber: Herr Marxen, auch Ihnen
vielen Dank für die dezidierte Stellungnahme und die darin enthaltenen
Handlungsvorschläge. Nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden haben wir ge-
dacht, daß wir einfach in dem Programm fortfahren. Herr Staatsminister Heit-
mann, es wäre an Ihnen, sozusagen die politischen Schlaglichter auf diese
rechtlichen Analysen zu werfen.

Staatsminister Steffen Heitmann, MdL: Meine Damen und Herren, vielen
Dank. Nach den Ausführungen von Professor Dr. Marxen wird man einiges
nur unterstreichen oder wiederholen können. Eine Reihe von Aspekten wird
bei mir auch wieder auftauchen. Gestatten Sie mir aber zu Beginn eine Remi-
niszenz. Heute vor acht Jahren fand in Leipzig die denkwürdige Demonstration
statt, bei der es nicht zum befürchteten Einsatz der Sicherheitskräfte kam,
nachdem am Tag zuvor schon in Dresden auf der Prager Straße nach Zusage
des Dialogs die „Gruppe der Zwanzig“ entstanden und eine Demonstration
nach höchst angespannter Konfrontation friedlich zu Ende gegangen war. Das
waren die Momente, in denen die Friedlichkeit der Revolution geboren wurde.
Der Friedlichkeit der Revolution, die als ein hoher Wert, wenn auch stets ge-
fährdet, durchgehalten werden konnte bis zur Entmachtung der SED-Diktatur
durch freie Wahlen. Ich erwähne das, weil die Friedlichkeit der Revolution von
1989 etwas ganz wesentliches mit unserem heutigen Thema zu tun hat. Das
Thema dieser Veranstaltung knüpft ja leider, wie heute üblich geworden, nur
an die Wiedervereinigung von 1990 an. Die Wiedervereinigung aber wäre
nicht möglich gewesen ohne die vorangegangene Revolution in der DDR. Und
die Friedlichkeit dieser Revolution ist die Ursache dafür, daß der Ahndung von
SED-Unrecht besonders im Bewußtsein derer, die die Revolution getragen ha-
ben, eine so große Bedeutung beigemessen wird. Das Unrecht der Diktatur
sollte nicht durch revolutionäre Gewaltakte, die ihrerseits ja wieder neues Un-
recht initiiert hätten, bewältigt werden, sondern man vertraute den rechtsstaat-
lichen Instrumentarien einer freiheitlichen Demokratie. Die Revolution mün-
dete in die Gleise des Rechtsstaates. Die Täter des SED-Unrechts sollten in
einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung gezogen
werden. Die Opfer des SED-Unrechts sollten in einem geordneten rechtsstaat-
lichen Verfahren rehabilitiert werden. Das ist die geistige und emotionale Aus-
gangslage, die man sich ins Bewußtsein rufen muß, wenn man das heute weit
verbreitete Gefühl des Unbefriedigtseins, ja manchmal das Gefühl der Bitter-
keit über das Ergebnis unserer Bemühungen verstehen will.

Im Sommer 1990 beschloß die letzte Volkskammer der DDR, den gesamtdeut-
schen Gesetzgeber aufzufordern, die strafrechtliche Verfolgung des SED-Un-
rechts sicherzustellen. Herr Professor Dr. Marxen hat bereits auf die Konti-
nuität hingewiesen, die unseren heutigen Bemühungen über die Wiederverei-
nigung hinaus zugrunde liegt. Mit dieser Forderung wurden – ich sagte es ge-
rade schon – hohe Erwartungen verbunden. Aufgabe des Rechtsstaats sollte es
sein, das jahrzehntelange systematische, staatlich veranlaßte und staatlich ge-
lenkte Unrecht zu erkennen und als solches sichtbar zu machen, zwischen Tä-