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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 62 und 63
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Protokoll der 40. Sitzung

allgemeinen Teil des internationalen Strafprozesses aufzunehmen. Nach dem
gegenwärtigen Stand sollen vor allen Dingen Straftaten wie Aggressionsver-
brechen, Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Mensch-
lichkeit aufgenommen werden. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollen
nicht nur dann geahndet werden, wenn sie im Zusammenhang mit kriegeri-
schen Auseinandersetzungen vorgekommen sind, sondern auch, wenn sie au-
ßerhalb eines internationalen Konfliktes oder eines Bürgerkrieges stattgefun-
den haben. Das, glaube ich, kann uns wirklich Hoffnung machen. Vielen
Dank.

Gesprächsleiter Sv. Prof. Dr. Peter M. Huber: Vielen Dank, Frau Senatorin
Peschel-Gutzeit. Ich darf jetzt dem Bundesminister der Justiz das Wort ertei-
len.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Ich darf mich vielleicht vorher noch ein-
mal unhöflich dazwischenschummeln. Wir danken Ihnen, liebe Frau Senatorin
und wünschen Ihnen einen raschen Rückflug. Sie müssen jetzt wirklich ganz
schnell raus, sonst wird aus dem letzten Flugzeug nichts mehr.

Senatorin Dr. Lore-Maria Peschel-Gutzeit, MdA: Und ich darf mich als Ju-
stizministerin bei Ihnen allen bedanken und zugleich entschuldigen, daß ich
wirklich davon muß, ich hätte es mir so gerne noch angehört. Ich danke Ihnen
und wünsche Ihnen einen noch ganz ergebnisreichen Abend. Vielen Dank.

Bundesminister Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, MdB: Herr Vorsitzen-
der, meine Damen und Herren, liebe Frau Peschel-Gutzeit, Sie verpassen gar
nichts, denn mein ganzer erster Teil war eigentlich das, was Sie schon vorge-
tragen haben. Man sollte sich vorher etwas besser abstimmen. Ich wollte und
kann immer noch gerne etwas zu Ihnen sagen über die Thematik der Verjäh-
rung. Meine Grundhaltung ist ähnlich skeptisch wie bei Frau Peschel-Gutzeit.
Ich habe nur eine etwas andere Abwägungsausgangssituation, um es deutlich
zu sagen. Man muß sehr klar sehen, daß bei all unseren juristischen Argumen-
ten, die ganz überwiegend contra stehen, das ist glaube ich, unstreitig, die po-
litische Dimension dieses Problems nicht außer acht gelassen werden darf.
Insbesondere die Opfer sind in einer besonders starken Forderungsposition, die
man wirklich auch nachempfinden kann, so daß diese Abwägung nicht so ein-
deutig ausfallen kann, wie sie rein rechtswissenschaftlich und insbesondere
rein verfassungspolitisch ausfallen müßte. Ich kann Ihnen hier nur sagen, so-
weit sie dies nicht ohnehin wissen, weil Sie daran beteiligt sind, daß die Ko-
alition sich des herannahenden Datums und des deshalb bestehenden Hand-
lungsbedarfs natürlich voll bewußt ist, und ich versichere Ihnen auch ganz per-
sönlich, daß die Geschichte sich jedenfalls nicht durch irgendwelche Zeitab-
läufe erledigt, sondern durch eine politische Entscheidung. Wie diese im ein-
zelnen aussehen wird, kann ich Ihnen noch nicht definitiv sagen, weil dazu
noch intensive Gespräche stattfinden. Aber wir werden dazu rechtzeitig – und
die Gespräche sind, wie gesagt, im Gange – entscheiden. Ich bitte um Ent-
schuldigung, daß das so sibyllinisch sein muß, ich bin aber gerne bereit, in die
rechtswissenschaftliche Diskussion einzusteigen oder auch in die reine rechts-

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Justitielle Aufarbeitung

politische Diskussion. Ich bin sehr angeregt worden durch das, was Frau Kol-
legin Peschel-Gutzeit zu dem Thema „allgemeiner ständiger internationaler
Strafgerichtshof“ gesagt hat, obwohl ich von mir aus in diesem Zusammen-
hang nicht darauf gekommen wäre, aber es ist eine Perspektive für die Zu-
kunft, auch da wird dann im Übrigen, Herr Heuer, ein absolutes Rückwir-
kungsverbot bestehen, so daß wir diese neue Norm eines materiellen Welt-
strafgesetzbuches natürlich erst ab Inkrafttreten anwenden können, soweit
nicht schon bisher entsprechende Vorschriften in den jeweiligen Gebieten be-
stehen. Dann wird aber nach denen und nicht nach dem neuen Weltstrafge-
setzbuch, was in der Tat sehr konstruktiv in der Vorbereitung steht, zu urteilen
sein. Ich möchte eigentlich zu diesem Komplex nur sagen, daß leider auch und
gerade, jedenfalls in meinen Augen, die Diskussion um die Verjährung des
DDR-Unrechts ein teilweise fundamentales Mißverständnis darüber offenbart,
was eine rechtsstaatliche Justiz leisten kann und leisten soll. Auch hier hat
Frau Peschel-Gutzeit schon vieles dazu gesagt. Wir werden es nicht schaffen
können, eine komplette Aufarbeitung der SED-Herrschaft durch die Strafjustiz
zu bewerkstelligen. Die Tatbestände des Strafrechts stellen nun einmal auf in-
dividuelle Schuld ab und da wird es dann um ganz präzise Nachweisprobleme
gehen. Man muß sehen, daß sich die naturrechtliche Idee der Gerechtigkeit
eben oftmals auch an Form und Verfahrensvorschriften bricht, die die staatli-
che Strafgewalt zugunsten von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit der Bürger
begrenzen. Das läßt mich dann zu meinem letzten Punkt kommen. Es bewegt
mich auch die Sorge, daß mit dem Titel der heutigen Veranstaltung „Bilanz der
justitiellen Aufarbeitung der SED-Diktatur“ unsere Diskussion sich von vorn-
herein zu sehr und auf den Umgang mit den Tätern verengt. Der Rechtsstaat
macht nicht bei der Bestrafung der Täter halt, ihm geht es eben ganz vorrangig
auch um Gerechtigkeit für die Opfer. Und die läßt sich durch eine Aburteilung
der Täter allein nun mit Sicherheit nicht herstellen, selbst wenn wir, aber das
ist wieder ein anderes Kapitel, in der moderneren Diskussion um die Straf-
zwecke auch die Genugtuung für ein Opfer durch die Bestrafung seines Peini-
gers wieder stärker in den Blick nehmen. Vielmehr ist hier der Gesetzgeber
gefordert, und insoweit ist ja auch schon einiges geleistet worden. Ich will das
nur noch aufführen, denn es hat sich der gesamtdeutsche Gesetzgeber nach der
Wiedervereinigung umgehend dieser Frage angenommen, um eine ordentliche
Bilanz vorzulegen. Der Gesetzgeber hatte dabei zu beachten, daß laut Eini-
gungsvertrag eine Generalrevision aller Entscheidungen von DDR-Behörden
und DDR-Gerichten nicht in Betracht kommt, weil dies zu einer unerträglichen
Rechtsunsicherheit geführt hätte. Lediglich elementar rechtsstaatswidrige Stra-
furteile und Verwaltungsmaßnahmen sollten nicht in der Welt bleiben. Diese
Vorgaben hat der Deutsche Bundestag noch in der ersten Legislaturperiode
nach der Vereinigung mit dem Strafrechtlichen, dem Verwaltungsrechtlichen
und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz umgesetzt. Staatliche Wieder-
gutmachung wird danach denen gewährt, die in der Zeit des DDR-Regimes in
besonderem Maße Unrecht erlitten haben, und das sind vor allem die Opfer
politisch motivierter Strafverfolgungsmaßnahmen. Vorgesehen sind neben
dem eigentlichen Rehabilitierungsakt vor allem Unterstützungs- und Aus-