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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 64 und 65
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Protokoll der 40. Sitzung

gleichsleistungen unter sozialen Gesichtspunkten. Diese Gesetze haben sich
grundsätzlich bewährt. Allerdings wurde der Umfang der vorgesehenen Lei-
stungen praktisch von Anfang an als unzureichend kritisiert – wie kann das
überraschen? Inzwischen sind hier deshalb mit dem Gesetz zur Verbesserung
rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung
in der ehemaligen DDR wichtige Verbesserungen erreicht worden. Angesichts
der knappen öffentlichen Haushalte mußte sich der Gesetzgeber dabei jedoch
vorrangig auf die Verfolgungsopfer konzentrieren, bei denen die Verfol-
gungsmaßnahmen der DDR noch heute nachwirken und deren wirtschaftliche
Situation besonders schwierig ist. Verbessert wurden u. a. die Ausgleichslei-
stungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Hier wurde der Kreis
der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert. Auf untergesetzlichem Wege
sind außerdem die Unterstützungsleistungen nach § 18 des Strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetzes für ehemalige politische Häftlinge und ihre Hinter-
bliebenen ausgebaut worden. Auch hier ist durch die Anhebung der Einkom-
mensgrenzen der Kreis der Anspruchsberechtigten erheblich erweitert worden.
Darüber hinaus muß hinsichtlich der Höhe der Unterstützungsleistungen der
bestehende Rahmen in Zukunft voll ausgeschöpft werden, was bisher nicht der
Fall war. Sicherlich können wir das von den Opfern erlittene Unrecht mit die-
ser Gesetzgebung nicht ungeschehen machen, aber wir können wenigstens
Folgen mildern. Neben der Strafjustiz, meine Damen und Herren, ist somit
auch die Rehabilitierungsgesetzgebung eine geeignete und wirksame rechts-
staatliche Reaktion auf das Unrecht der SED-Herrschaft. Auch sollte deshalb
diese Rehabilitierungsgesetzgebung in der heutigen Bilanz berücksichtigt wer-
den. Ich meine, daß sich unser Rechtsstaat unter dem Strich als durchaus fähig
erweist, mit diesem Unrecht angemessen umzugehen. Eines allerdings muß
ganz klar gesehen werden, und das soll bei mir am Schluß stehen: Weder Stra-
furteile noch Rehabilitierungsgesetzgebung können eine gesamtgesellschaftli-
che Auseinandersetzung mit der SED-Herrschaft ersetzen. Gerade den SED-
Opfern sind wir es schuldig, durch eine gründliche und umfassende Aufarbei-
tung des Gewesenen insgesamt dafür Sorge zu tragen, daß sich das ihnen an-
getane Unrecht nicht wiederholt. Mein Haus, das Bundesministerium der Ju-
stiz, hat deshalb bereits verschiedene rechtstatsächliche Untersuchungen in
Auftrag gegeben, so z. B. ein Forschungsprojekt zur Steuerung der Justiz der
DDR durch politische Einflußnahme. Darüber hinaus will auch die von mei-
nem Haus aufgebaute und z.Zt. im Bundestag präsentierte Wanderausstellung
mit dem Titel „Im Namen des Volkes?“ über die Justiz im Staat der SED in-
formieren, und auch natürlich die Enquete-Kommission des Bundestages, also
dieses Gremium hier, trägt zumal mit der heutigen Veranstaltung, zur unvor-
eingenommenen Auseinandersetzung mit der sozialistischen Rechtswirklich-
keit bei. Ich hoffe sehr, daß es uns damit Schritt für Schritt gelingt, nicht nur
zur Beschäftigung mit der deutsch-deutschen Vergangenheit, sondern auch zur
positiven Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft anzuregen. Ein Gesichts-
punkt, der ja auch bei Frau Peschel-Gutzeit und der Nachfrage von Herrn
Kollegen Häfner schon eine Rolle gespielt hat: Immer noch sind in den Köpfen
der Ost- wie der Westdeutschen Reste einer geteilten Nation vorhanden, und

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Justitielle Aufarbeitung

das kann im Grunde auch gar nicht anders sein. Das Zusammenwachsen
Deutschlands braucht nach 40 Jahren + X des Getrenntseins einfach viel Zeit,
und sie kann dann auch manche Wunden überhaupt heilen, wenn man dort von
Heilung sprechen kann und vor allen Dingen neue Gemeinsamkeiten dauer-
hafter wachsen lassen will. Es braucht eben gegenseitiges Verständnis, ein un-
befangenes Aufeinanderzugehen und vor allem offene Diskussionen, in denen
nicht pauschale Urteile, sondern differenzierte Einsichten im Vordergrund ste-
hen, jedenfalls ist das meine Auffassung; deshalb will ich es mit diesem Re-
sümee aus meiner Sicht bewenden lassen und bedanke mich herzlich.

Gesprächsleiter Sv. Prof. Dr. Peter M. Huber: Vielen Dank, Herr Minister.
Ich habe mich davon überzeugen lassen, daß es keinen Sinn macht, die Dis-
kussion thematisch zu strukturieren, aber vielleicht darf ich aus der Sicht der
Berichterstattergruppe zwei oder drei Punkte nennen, auf die, wenn darauf
zumindest ansatzweise Antworten gefunden würde, die Arbeit der Kommissi-
on im weiteren Fortgang dieser Legislaturperiode aufbauen könnte. Das eine
ist die Diskrepanz zwischen der objektiven Feststellung, die wir von unseren
Sachverständigen und auch von Frau Peschel-Gutzeit unisono gehört haben,
daß die rechtsstaatlichen Instrumentarien funktioniert haben, daß aber die
Wahrnehmung bei den Betroffenen, bei den Opfern, nicht nur denjenigen der
Bodenreform, auch bei den Zersetzungsopfern, mit diesem ordnungsgemäßen
Funktionieren nicht korrespondiert und daß hier Diskrepanzen herrschen. Gibt
es, zumindest hatte ich den Eindruck bei den Referaten von Herrn Heitmann
und Frau Peschel-Gutzeit, einen Lernprozeß bei den Opfern, der hier eine An-
näherung ermöglicht? Das zweite, was uns vielleicht auch interessieren sollte,
ist die Frage, ob der Gesetzgeber beim Umgang mit der DDR-Vergangenheit
spezifische Regelungen gefunden hat. Die von Herrn Brenner angesprochenen
Gesetze, das Vermögensgesetz etwa, sind ja Sonderregelungen. Wenn man
Frau Schlachters Vortrag nimmt, so haben zwar am Anfang die Sonderrege-
lungen des Einigungsvertrages gestanden, am Schluß griff man jedoch auf die
allgemeinen Maßstäbe zurück, und die allgemeinen Maßstäbe standen auch bei
Herrn Marxen und bei Herrn Klein im Mittelpunkt. Die Frage ist also, bewährt
sich der Rechtsstaat vielleicht am besten dadurch, daß er seine allgemeinen
Regelungen zur Anwendung bringt?

Eine weitere Frage, vor allem an die politisch Verantwortlichen und an die
Parlamentarier: Herr Klein hat in seiner Expertise und auch in seinem Referat
von der historischen Einmaligkeit gesprochen und diese aus der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts herausdestilliert. Das Ergebnis ist im
Grunde, daß der Gesetzgeber im Rahmen des Transformationsprozesses einen
größeren politischen Handlungsspielraum hatte, als er ihn im Alltagsgeschäft,
wenn ich es so nennen darf, besitzt. Ist das transformationsbedingt oder zeich-
net sich hier eine Wende ab? Auch der Föderalismus ist kritisch zur Sprache
gekommen. Als letztes die Handlungsempfehlungen, die auch Herr Häfner
schon angesprochen hat. Sämtliche Sachverständige plädieren auch in den
schriftlichen Unterlagen für eine Aufhebung des Vorbehalts Art. 7 Abs. 2 der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Haben wir das Problem mit dem