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Wahlperiode 13, Band II/1, Seiten 98 und 99
98
Protokoll der 40. Sitzung

auch eine kleine Geschichte dazu erzählen müssen, an so manches Gespräch
zu DDR-Zeiten, wenn DDR-Bürger zusammenstanden und sich über die eine
oder andere juristische Ungeheuerlichkeit in der DDR ärgerten, dann tauchte
immer wieder einmal der Satz auf: „Na das ist ja kein Rechtsstaat, will er ja
auch nicht sein, er legt ja Wert darauf, ein linker Staat zu sein.“ Das wollte ich
vorhin aber nicht sagen, aber Du hast mich jetzt dazu provoziert. Ich habe den
Eindruck, das habe ich vorhin nicht gesagt, nein ich habe drei andere Ge-
schichten erzählt.

Sv. Ilko-Sascha Kowalczuk: Lieber Rainer, ich glaube, ich wurde kräftig
mißverstanden. Ich habe die DDR nicht als Rechtsstaat bezeichnet. Ich habe
nur gesagt, daß sie selber Ende der achtziger Jahre den Anspruch hatte, ein so-
zialistischer Rechtsstaat zu sein. Also davon bin ich nun wirklich sehr weit
entfernt, das zu behaupten und eigentlich wissen das auch alle hier im Raum.

[Zwischenruf Sv. Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: In der Präambel zum Straf-
gesetzbuch der DDR von 1968 heißt es: „Die Deutschen Demokratischen Re-
publik ist der wahre deutsche Rechtsstaat“.]

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Ich möchte all denen, die heute zu uns ge-
kommen sind, danken. Die meisten sind nicht mehr hier, aber ich gehe davon
aus, daß auch diejenigen, die nicht mehr hier sind, weil sie abreisen mußten,
das Protokoll der heutigen Sitzung noch einmal lesen werden, spätestens dann,
wenn es in gedruckter Form vorliegt, oder sie gefragt werden, ob sie mit den
Formulierungen einverstanden sind, so daß also an die Stelle auch noch einmal
der Dank des Vorsitzenden gehört. Für uns alle an diejenigen, die uns hier
heute weitergeholfen haben. Ich erinnere mich noch an eine vergleichbare An-
hörung der ersten Enquete-Kommission zu einem ähnlichen Thema. So weit
ich mich erinnern kann, ist das heute sehr viel spannender, sehr viel wirklich-
keitsnäher gewesen, das hat mich ausgesprochen gefesselt. Ich merke an dem
Nicken, daß es offensichtlich nicht nur mir so gegangen ist, sondern ähnliche
Empfindungen andere in der Enquete-Kommission, aber auch unter den Zuhö-
rern haben. Ich möchte auch denen danken, das ist ja gar nicht selbstverständ-
lich, die am Abend eines Tages sich hier hinsetzen und scheinbar nichts ande-
res machen als zuzuhören. Sie haben dadurch großes Interesse gezeigt. Dafür
möchte ich Ihnen danken. Sollte der eine oder andere von Ihnen ein Multipli-
kator sein, dann erzählen Sie bitte das, was Sie hier heute gehört haben, weiter.

Jetzt nicht mehr kreativ, sondern wie erwartet, möchte ich die Sitzung schlie-
ßen und allen eine gute Nacht und einen guten Weg ins Bett wünschen. Herzli-
chen Dank.

Ende der Sitzung: 22.45 Uhr

Anlage: Thesenpapier Prof. Dr. Eckart Klein

  1. Die schwierige Aufgabe einer juristischen Bewältigung der Folgen der
    SED-Diktatur mußte nahezu vollständig ohne – für diesen Zweck geschaf-
    fene – verfassungsrechtliche Sondernormen geleistet werden. Zurückzu-
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Justitielle Aufarbeitung
  1. greifen war daher auf das normale Instrumentarium des demokratischen
    und sozialen Rechtsstaates.
  2. Der vom Grundgesetz konstituierte Rechtsstaat hat sich im wesentlichen
    als geeignete Basis erwiesen, um die Folgen der SED-Diktatur juristisch
    aufzuarbeiten. Zu Unrecht wird die Leistungsfähigkeit des Rechtsstaates
    in dieser Hinsicht von vielen unterschätzt.
  3. Dem Rechtsstaat kommt bei der ihm auferlegten Aufgabe, für die staatli-
    chen Bewältigungsmaßnahmen Maßstäbe bereitzustellen und Grenzen zu
    ziehen, zugute, daß die Bestimmung von Recht und Unrecht nicht mehr
    ausschließlich und abschließend in der Kompetenz des einzelnen Staates
    liegt. Wesentliche Hilfestellung leisten die von der internationalen Ge-
    meinschaft entwickelten Regeln.
  4. Revolutionäre Gerechtigkeitserwartungen kann der Rechtsstaat sicher
    nicht erfüllen. Wohl aber kann er auf relativ gefestigtem Boden Unrecht
    als solches qualifizieren und daraus angemessene bereichsspezifische
    Konsequenzen ziehen.
  5. Das Beispiel „Öffentlicher Dienst“ zeigt, daß das verfassungsrechtliche
    Instrumentarium (insbesondere die Grundrechte: Art. 12 [Berufsfreiheit],
    Art. 5 Abs. 3 [Wissenschaftsfreiheit], Art. 33 Abs. 2 [Öffentlicher Dienst]
    GG und die dazugehörigen vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kon-
    trollierten Eingriffsmöglichkeiten) ausreichend ist, um generell die not-
    wendige Balance zwischen Sicherung des Vertrauens in die Ausübung ho-
    heitlicher Tätigkeit und Wahrung der persönlichen Lebenschance herzu-
    stellen.
  6. Der Einsatz des Strafrechts gegen SED-Unrecht verstößt nicht grundsätz-
    lich gegen rechtsstaatliche Forderungen. Da ein Staat sich (d. h. seine Or-
    gane) nicht mehr beliebig von allen strafrechtlichen Konsequenzen seines
    (ihres) Tuns freistellen kann, ist das strafrechtliche Rückwirkungsverbot
    insoweit keine absolut unüberwindbare Schranke. Das Schuldprinzip
    bleibt unberührt.
  7. Die Bundesrepublik Deutschland sollte den zu Art. 7 Europäische Men-
    schenrechtskonvention (EMRK) erklärten Vorbehalt zurückziehen.
  8. Die vom Bundesverfassungsgericht häufig zur Anwendung gebrachte Ar-
    gumentationsfigur der „historischen Einmaligkeit“ bedeutet keinen Aus-
    bruch aus dem Verfassungssystem, erlaubt aber die Ausschöpfung von
    Handlungsspielräumen – in den allermeisten Fällen mit überzeugendem
    Ergebnis.
  9. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben in dem hier zur
    Diskussion stehenden Bereich überwiegend Zustimmung gefunden. Die
    zur Verfügung stehenden Verfahrenswege haben sich als ausreichend er-
    wiesen, alle verfassungsrechtlich klärungsbedürftigen Fragen dem Bun-
    desverfassungsgericht zu unterbreiten. Die teilweise nicht unerhebliche