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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 162 und 163
162
Protokoll der 29. Sitzung

uns die Leute, die die Embargoliste erfunden haben, natürlich keinen guten
Dienst erwiesen.

Ich möchte abschließend noch eine Bemerkung zu dem, was Herr Döring hier
gesagt hat, machen. Unser Handel mit den sozialistischen Ländern ist am
2. Juli 1990 kaputt gegangen, und jeder der Lesen und Schreiben gelernt hat,
hat das gewußt. Wenn sich heute jemand hinstellt oder hingestellt hat und ge-
sagt hat, es war nicht vorherzusehen, daß dies geschehen ist, dann muß ich sa-
gen, dieser Mensch lügt. Man kann nicht von Ländern erwarten, die überhaupt
nicht in der Lage waren Devisen zu erwirtschaften, daß die ab morgen früh in
harter Währung bezahlen können, also insofern ist das unmöglich.

Abschließende Bemerkung: Wir hatten in der DDR einen demokratischen
Zentralismus. Ich muß jedoch konstatieren: Wir hatten ihn nicht, wir hatten
einen dogmatischen Zentralismus. Dieser Dogmatismus in der Wirtschaft ist
vom Politbüro ausgegangen und hat eigentlich dazu geführt, daß das Politbüro
selbst dazu beigetragen hat, daß die Wirtschaft der DDR sich auflösen mußte,
denn auf diese Art und Weise war die Wirtschaft nicht weiterzuführen.

Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Herzlichen Dank
Herr Schmutzler. Ich glaube, es war für uns alle wichtig, die Zusammenhänge
vor allem in der Außenwirtschaft von denen zu hören, die das miterlebt haben
und von jenen, die es aus der Entfernung betrachtet haben. An ganz zentraler
Stelle war Herr Dr. Schürer mit der Planung befaßt. Wir sind ihm dankbar, daß
er sich Zeit und Gelegenheit nimmt, uns aus seiner Sicht zu informieren. Bitte
Herr Dr. Schürer.

Dr. Gerhard Schürer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Zu-
nächst einige Vorbemerkungen: Ich bin schon das zweite Mal in der Enquete-
Kommission, aber beim ersten Mal wurde ich ausschließlich zu Fragen der
Machthierarchie der SED befragt, so daß ich jetzt dankbar bin, etwas einmal
im Zusammenhang mit der Wirtschaft darlegen zu können.

Zweitens möchte ich betonen, daß ich ein Thesenpapier vorgelegt habe. Ich
verzichte jetzt auf eine Reihe Namen, Fakten, Positionen usw., um etwas Zeit
zu sparen.

Und drittens möchte ich betonen, daß ich hier nicht als Betrachter oder Experte
zu Ihnen spreche, sondern als Hochverantwortlicher dieser Zeit, der immer zu
seiner Vergangenheit gestanden hat und es auch in Zukunft tun wird. Ich kann
nicht bei jeder Gelegenheit sagen, da war ich mit verantwortlich, ich sage das
insgesamt für meine Darlegungen.

Das System der zentralen Planung und Wirtschaftslenkung der DDR ist in
Anlehnung an das sowjetische Modell noch in der sowjetischen Besatzungszeit
entstanden. Offiziere der Besatzungsmacht und später leitende Mitarbeiter der
Sowjetischen Militäradministration in Deutschland haben gemeinsam mit
deutschen Antifaschisten sowie Menschen, die aus dem Exil zurückgekehrt
waren, das System ausgearbeitet. Das System wurde an einem Halbjahrplan

163
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

erprobt. Es orientierte sich am Reproduktionsschema von Karl Marx und war
sehr stark von den Interessen des militärisch-industriellen Komplexes der
UdSSR geprägt. Wir haben damals Befehle entgegen nehmen müssen. Ich
selbst arbeitete damals seit 1947 unter Leiter von Kurt Gregor in der Landes-
regierung Sachsen in der Wirtschaftsplanung, und wir unterstanden zugleich
der Sowjetischen Militäradministration in Dresden. Durch Erteilung von „Pro-
duktionsbefehlen“ und später „staatlichen Planauflagen“ wurden die wichtig-
sten Aufgaben dieser Zeit abgesichert, wobei die materiellen Ziele sehr detail-
liert vorgegeben wurden, während die finanzielle Planung noch unterentwik-
kelt war. Durch die von sowjetischer Seite angeordnete Anwendung der Stopp-
Preise des Jahres 1944 sollte zunächst gewährleistet werden, daß für 1 Mark
möglichst viele Produkte in den Reparationsfonds flossen. Sie waren also da-
mals an niedrigen Preisen für ihre Entnahmen interessiert. Der Kurs des Ru-
bels zur Mark war damals etwa 1 Rubel/20 Mark.

Die volkswirtschaftlichen Bilanzen und Schemata der Planung und ihrer Ver-
flechtung waren der sowjetischen Methodik sehr ähnlich, aber im Unterschied
zur Sowjetunion, die im Bereich des Staatlichen Plankomitees (Gosplan) stän-
dig ca. 3.000 Positionen bilanzierte und in der Staatlichen Materialversorgung
(Gosnab) weitere 20.000 bis 30.000 Positionen, arbeiteten die Länder und
später auch die DDR in der zentralen Planung alle Jahre mit ca. 500 bis 700
Positionen in der Staatlichen Plankommission und ca. 1.000 Positionen in der
Materialversorgung. Später bilanzierten diese Materialpositionen, die für die
Produktion zuständigen Ministerien der DDR, damit der Inhalt der Bilanz vom
Produzenten und nicht vom Verteiler gestaltet wird. Auch das war noch ein
sehr hoher Grad der Zentralisierung, aber die Planung war in dieser Zeit
durchaus geeignet, die Ziele der Nachkriegsperiode zu gewährleisten, die darin
bestanden, massenhaft Menschen zur Überwindung der Kriegsfolgen zu mobi-
lisieren, die gegenüber der Bundesrepublik um das 25-fach höheren Reparatio-
nen der DDR an die UdSSR sowie die Demontagen zu gewährleisten, den
Menschen, auf der Basis strenger Rationierung das Überleben auf einer relativ
niedrigen Stufe der Versorgung zu ermöglichen, und die ökonomische Kraft in
wachsendem Maße auf den Aufbau einer eigenen Schwerindustrie – damals
entstand das Eisenhüttenkombinat Ost – zu konzentrieren. Die Ereignisse des
17. Juni 1953 zeigten dann auf dramatische Weise die Grenzen der Belastbar-
keit der Menschen in diesem System und die Notwendigkeit politischer Ver-
änderungen, die dann, wenn auch halbherzig, in Angriff genommen wurden.
Wenn man das Jahr 1950 als Index gleich 100 nimmt, stieg die Produktion bis
1955 auf 190 und bis 1960 auf 294, wurde also in 10 Jahren fast verdreifacht.

Herr Professor Schneider legte heute ein Papier vor, indem er alle von mir
verwendeten Zahlen, fiktive Zahlen, nennt. Ich kann heute keine anderen Zah-
len nennen, aber ich werde das Papier aufmerksam studieren. Ich beziehe mich
in all meinen Zahlen auf das Jahrbuch 1990, weil alle vorhergehenden Jahrbü-
cher durch die Statistik selbst kurz vor der Vereinigung insofern korrigiert
worden sind, daß die politischen Einflüsse, die dort vorher hineingekommen
waren, herausgerechnet worden.