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che Anlagegüter gewährt wurde? Soviel zu den Grundfragen des mittelfristi-
gen Förderkonzepts.
Selbstverständlich ist, daß die Bundesregierung natürlich bei ihrem Förderkurs
von den anderen Verantwortlichen entsprechend flankiert werden muß. Tarif-
parteien habe ich schon angesprochen. Die westdeutsche Wirtschaft selbst ist
natürlich auch massiv gefordert. Das betrifft die Industrie, die mehr als bisher
in Ostdeutschland Unternehmen gründen muß, Kompetenzzentren hinverla-
gern muß und Industrieproduktion ausweiten muß. Der Handel muß sich ver-
stärkt bemühen, ostdeutsche Güter in westdeutsche Regale zu bringen. Ich
verweise in diesem Zusammenhang auf das Handelsgespräch beim Kanzler,
wo sich die großen westdeutschen Handelsketten verpflichtet haben, die Bezü-
ge bis Ende 1998 zu verdoppeln, verglichen mit 1995. Das betrifft desweiteren
die Kreditwirtschaft, die weiterhin aktiv bereit sein muß, Risikokapital und
Existenzgründungen zu fördern.
Abschließend noch eine Bemerkung: Wenn alle Beteiligten, das heißt also
Bundesregierung auf der einen Seite und Tarifparteien und private Wirtschaft
auf der anderen Seite, diese Verantwortung wie in der Vergangenheit weiter
wahrnehmen, besteht genügend Anlaß zu der Hoffnung, daß die Transformati-
on der ehemaligen DDR in eine moderne Industriegesellschaft in den nächsten
Jahren erreicht wird. Vielen Dank.
Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Ich danke Herrn
Claßen für seinen umfangreichen Einführungsvortrag. Der Blick auf die Uhr
sagt mir, daß wir doch sehen sollten, daß die folgenden Kurzvorträge etwa um
10 Minuten liegen, damit wir noch diskutieren können.
Darf ich bloß zu meinem Verständnis fragen, Herr Claßen, ob ich da richtig
gehört habe. Welche Zahl haben Sie zur Arbeitslosigkeit in den neuen Bun-
desländern genannt?
Horst Claßen: 1,4 Millionen.
Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Arbeitslosigkeit in
Prozent.
Horst Claßen: 18,4 %.
Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): 18,4 % und dann
ist das ja mit ABM und allen anderen Sachen doch noch deutlich mehr. Gut.
Ich dachte, daß wir der Dame den Vorrang geben und möchte Frau Ulrike
Staake, Präsidentin der IHK Cottbus, um ihren Kurzbeitrag bitten.
Ulrike Staake: Herzlichen Dank, ich werde mich bemühen, Sie nicht erneut
mit Zahlen zu bombardieren und mich vielleicht auch in meinem Fragenkata-
log u. a. auf das Thema Leistungen von Arbeitskräften, berufliche Qualifikati-
on, Ausbildung usw. konzentrieren, aber man hat mich auch gebeten, ganz
kurz Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, obwohl ich mich ganz deutlich
frage, warum wir überhaupt in der Wirtschaft heute noch Vergangenheitsbe-
wältigung betreiben.
Mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 wurde die in jeder Hinsicht extrem
leistungsschwache ostdeutsche Wirtschaft ohne Übergangszeit bei einem
Wechselkurs von 1:1,8 zu einem einzigen großen Markt mit allem, was darin
an marktwirtschaftlichen Wettbewerb herrschte, fusioniert und damit waren
die Folgen klar: Was der ostdeutschen Wirtschaft an Anpassungszeit aus
wohlverstandenen politischen Gründen nicht gewährt werden konnte, mußte
ihr an Anpassungsgeld zugestanden werden. Wir mußten uns einfach Zeit kau-
fen. Den Wettbewerb mit der westdeutschen und der gesamten westlichen
Welt konnten weder der Kapitalstock qualitativ noch quantitativ, noch die
Produktivität, Funktionalität und Qualität der Produkte sowie das Know how
der Mitarbeiter standhalten. Dieser Umstand wurde noch deutlicher, als die
Kundenbasis im Comecon und in Ostdeutschland radikal wegbrach. Man
brauchte eigentlich kaum eine verarbeitende Industrie in Ostdeutschland, um
dessen Bevölkerung zu versorgen. Was man allerdings brauchte waren Ar-
beitsplätze und Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung und eine wett-
bewerbsfähige Wirtschaft mußte angestrebt werden. Die Konsequenz sah so
aus, daß Ostdeutschland den wirtschaftlichen Aufbau von einer Minusbasis
beginnen mußte.
Die Zeiten asiatischer Wachstumsraten sind vorbei, der Aufholprozeß hat an
Schwung verloren, die Sonderkonjunktur Ost, insbesondere im Bereich Bau-
wesen ist vorbei. Viele große Investitionen auf der Infrastrukturseite und in der
Industrie sind abgeschlossen, der Aufholprozeß hat sich verlangsamt. Die Be-
seitigung von Standortdefiziten benötigte wesentlich mehr Zeit als ursprüng-
lich gedacht. Zur Schaffung einer tragfähigen industriellen Basis muß investi-
ven Transfers in die neuen Bundesländer sicherlich auch gerade im Bereich der
Infrastruktur der Vorrang vor einer konsumptiven Verwendung gegeben wer-
den.
Die Eigenleistungsquote ist zu gering, ihr Bruttoinlandsprodukt beträgt weni-
ger als zwei Drittel der inländischen Nachfrage. Die Unternehmensbasis in den
neuen Bundesländern reicht nicht aus, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen
und zu sichern. Dies gilt sowohl für die Zahl, als auch für die Wettbewerbsfä-
higkeit der Unternehmen. Noch immer ist die arbeitsteilige Verflechtung der
kleinen und mittleren Industriebetriebe mit großen Unternehmen wenig ent-
wickelt. Die Produktion ist in erster Linie durch Einzel- und Kleinserienferti-
gung geprägt und erreicht nicht das Produktionsniveau einer stärker vernetzten
Industriegesellschaft. Es gibt kaum Systemanbieter in den neuen Bundeslän-
dern. Unternehmen, die als Zulieferer für Großunternehmen fungieren wollen,
werden zukünftig stärker in den Wertschöpfungsprozeß einbezogen werden
müssen.
Die Palette der Anforderungen reicht von der Vernetzung von EDV-Systemen
bis zur Offenlegung von Kostenkalkulationen. Dieses Netzwerk kann dazu
beitragen, daß an die Stelle kurzfristiger Geschäftskontakte langfristige Koope-