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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 262 und 263
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Protokoll der 29. Sitzung

den ist, klein ist. Die Industrie ist nicht nur kleindimensioniert, was die Betrie-
be anbetrifft und was den Anteil von 15 % an der gesamtwirtschaftlichen Pro-
duktion angeht, sondern sie ist auch klein in ihrer Bedeutung für das Ausland,
für den Export, und da kommt man nach meinen Rechnungen auf eine 14 %
Exportquote. Allerdings käme das hinzu, was hier in bezug auf die innerdeut-
schen Beziehungen erwähnt wurde.

Ich höre an dieser Stelle auf. Ich will zum Schluß nochmals sagen, es gibt Erb-
lasten, Schocks und Vereinigungssünden. Es gibt aber auch Fortschritte und
Vereinigungsguthaben, die habe ich hier nicht angesprochen, die hat die Re-
gierung bereits alle genannt, aber wir sind bei weitem nicht durch. Ich bin mir
nicht sicher, ob wir die halbe Strecke des Weges schon getan haben, das Ganze
kann trotzdem auch noch einmal abkippen. Ich danke Ihnen.

Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Herzlichen Dank
Herr Dr. Ludwig für Ihren anschaulichen lebendigen Vortrag. Ich habe jetzt
vier Wortmeldungen. Ich würde einmal die Wortmeldungen gleich wieder
bündeln, weil wir relativ wenig Zeit haben. Ich lese einmal vor, wer sich ge-
meldet hat: Herr Spiller, Herr Hiller, Herr Meckel und Herr Braune. Bitte Herr
Spiller.

Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Ich würde gerne zunächst eine Anmerkung
zum Beitrag von Herrn Claßen machen, Sie müssen das aber nicht unbedingt
kommentieren. Daß Sie als Vertreter des Ministeriums auch die positiven Din-
ge betonen, ist völlig normal. Aber bei unserer Debatte von vorhin frage ich
mich, ob das Politbüro eigentlich die Wahrheit erfahren hat? Hat das Politbüro
sich mit unangenehmen Dingen überhaupt befassen wollen? Ich meinte jetzt
zunächst einmal das SED-Politbüro. Ist dies nicht eine Frage, die vielleicht ei-
ne gewisse Aktualität wieder erlangt hat, weil es auch heute Wahrnehmungs-
probleme gibt? Man redet mehr über das Gute, was es sicher auch gibt, aber
dabei klammert man sich eigentlich zu stark an die Hoffnungssignale und ver-
nachlässigt eben andere nicht minder wichtige Informationen, und eine solche
selektive Wahrnehmung führt nicht immer zu einer guten Handlungsweise.
Sehen Sie dies bitte als Vorbemerkung. Sie müssen diese nicht kommentieren,
aber mir fiel das insbesondere auf, als Sie von der Zahl der Unternehmen spra-
chen. Natürlich ist das schön, daß es eine Zahl von vielen Unternehmen gibt,
auch von Unternehmensgründungen, das ist alles gut, aber wenn man sich
dann auch die Größenordnungen anschaut, und der Frage nachgeht, weshalb
haben sich manche Unternehmen niedergelassen, kommt man zu der Antwort,
daß da zum Teil auch Verzweiflungsakte dabei sind. Es ist nicht immer das
ganz große Konzept dabei, daher ist das vielleicht auch ein bißchen mit Vor-
sicht zu genießen.

Die eigentliche Frage ist aber an Herrn Ludwig und auch an Herrn Hielscher
gerichtet. Stimmen Sie mit mir überein, daß im wesentlichen der Hauptfaktor
nach wie vor das Humankapital ist, und daß man darauf setzen muß, daß die
tüchtigen Leute auch in Ostdeutschland bleiben bzw. wieder in die neuen Bun-
desländer zurückkommen? Es ist ja nicht verkehrt, wenn sich diese Leute

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Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

zeitweilig woanders umgesehen haben, aber es wäre schon ganz gut, wenn ei-
nige von ihnen wieder nach Ostdeutschland zurückkommen, oder wenn sich
auch neue Leute in den neuen Bundesländern niederlassen.

Bei dieser Diskussion kommt man zu der Frage der Löhne. Wenn man auf län-
gere Zeit diese Schere – schlechte Produktivität oder unzureichende Produkti-
vitätsentwicklung, eigentlich zu hohe Lohnstückkosten – durch Einfrieren der
Einkommen zu lösen versucht, ist die Gefahr der Abwanderung nach wie vor
gegeben. Dabei muß man nach Produktivität pro Betrieb differenzieren, da
sich hinter den Durchschnittszahlen auch ein erhebliches Spektrum versteckt.
Also ich glaube schon, daß die Opel- und VW-Werke eine recht ordentliche
Produktivität aufweisen, so daß man um eine Differenzierung nicht herum
kommt.

Eine weitere Frage ist auch an Herrn Ludwig und an Herrn Hielscher gerichtet.
Reicht zur Förderung der Wirtschaft in Ostdeutschland die Wirtschaftsförde-
rung aus, oder muß man nicht andere Sektoren viel stärker als bisher noch mit
einbeziehen? Ich denke dabei an Universitäten und an die Wissenschaftsförde-
rung. Braucht man nicht auch mehr Leuchttürme im Bereich Wissenschaft und
Forschung? Braucht man nicht mehr weiche Standortfaktoren? Die konkrete
Entscheidung, ob sich jemand in Leipzig, Dresden oder in Schwerin niederläßt,
wird nicht nur durch die nüchterne Kalkulation eines Betriebswirtes gefällt,
sondern die Ehefrau fragt, wie sieht es denn in den neuen Bundesländern mit
Schule und Freizeit aus? Es geht also um die Frage, ob man bei der Neuorien-
tierung von Fördermaßnahmen nicht neu sortieren muß?

Gesprächsleiter Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Ich bitte um weite-
re kurze Fragen. Herr Hiller bitte.

Abg. Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Ich versuche mich ebenso kurz zu
fassen. Spaß beiseite, Herr Claßen, Sie haben das Beispiel Tschechoslowakei
angebracht und konstatierten, daß in Tschechien die Stundenlöhne von 1990
auf 1991 von 5,00 DM auf 3,80 DM gesunken sind. Ich bin immer davon aus-
gegangen, daß wir eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland
anstreben. Diese Beispiele gehen mir allmählich auf den Wecker, das will ich
Ihnen ganz deutlich sagen. Was wollen Sie damit signalisieren? Sie haben da-
von gesprochen, daß die Tarifpolitik flankiert werden soll, daß die Bundeslän-
der etwas tun sollen usw. Wenn darin das Ziel liegt, dann ist das Hauptziel der
deutschen Einheit, eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu erreichen, auf-
gegeben worden. Aus diesem Grunde kann ich nicht verstehen, daß dies in den
Darlegungen zu diesem Thema überhaupt noch angeführt wird. Ich begreife ja
und Sie haben darauf hingewiesen, Frau Staake, daß auch die Lohnkosten zu
hoch sind. Aber die Verhältnisse der Tschechoslowakei können nicht unser
Ziel sein, und dann muß man über unkonventionelle Dinge nachdenken.

Ich frage Sie, Herr Claßen und Herr Ludwig, wie wäre es denn, wenn man für
einen befristeten Zeitraum auch Lohnkosten subventionieren würde und nicht
nur Investitionszuschüsse zahlt? Auf diese Frage möchte ich eine Antwort er-