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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 290 und 291
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Protokoll der 29. Sitzung

damit in Mosambique oder Angola der Krieg verlängert wurde. Ich erinnere
hier an die Stimmen: Der Sozialismus gewinnt auf der Welt überall mehr Ein-
fluß, selbst territorial. Widerspruch fand auch die Verwendung von Mitteln aus
dem Solidaritätsfonds des FDGB für die sogenannten Pfingsttreffen der Ju-
gend in den Jahren 1984 und 1989.

Meine Damen und Herren, ich habe meine Zeit etwas überzogen, ich bitte um
Nachsicht. Ich möchte jetzt auf die Frage 1.9.: Welche Renten gab es in der
DDR und wie war die Sozialversicherung, also die Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall geregelt? verzichten. Die Beantwortung der Frage ist ebenfalls
nachlesbar. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Vorsitzender Siegfried Vergin: Herr Dr. Lubk, herzlichen Dank für die Ein-
führung. Sie werden nachher Gelegenheit haben, unter der Moderation meines
Kollegen Hiller die Einzelfragen noch weiter zu diskutieren. Wir hören jetzt
zunächst noch Herrn Kube zum letzten Einführungsvortrag.

Horst Kube: Ich stehe jetzt in der Situation, von Herrn Lubk schon einiges
vorweggenommen bekommen zu haben. Ich darf hinzufügen, daß ich als Di-
rektor für Sozialwesen und Kultur eines Kombinats meine Erfahrungen darle-
ge. Das Problem, vor dem wir standen, lag in der Problematik, den Werktäti-
gen in den Betrieben etwas zu bieten, und die Entwicklung des Betriebes mit
den sozialen Funktionen zu verbinden. Ich muß darauf hinweisen, daß man da-
bei den Charakter der Arbeit nicht ganz vernachlässigen darf und möchte des-
halb kurz bemerken, daß dieser Gesellschaftstransformation die These zugrun-
de lag, daß der Sozialismus den Werktätigen zum ersten Mal nach vielen Jah-
ren der unfreien Arbeit die Möglichkeit eröffnet, für sich selbst zu arbeiten.
Die Grundlage bot das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln.
Die Arbeit war als ausbeutungsfrei zu verstehen, die planmäßig und bewußt
mit hoher Disziplin zu leisten war. Besondere Aufmerksamkeit und Wert-
schätzung erfuhr der Wesensdruck der kameradschaftlichen Zusammenarbeit
und der gegenseitigen Hilfe. Die sozialistische Gemeinschaftsarbeit war ein
gewünschter Produktivitätsfaktor. Produktivitäts- und Effektivitätssteigerun-
gen sollten durch mehrere Faktoren wie wissenschaftlich-technischer Fort-
schritt und wissenschaftliche Arbeitsorganisation erreicht werden. Aus diesen
Grundsätzen leitete sich u. a. die Aufgabe für die Betriebe und Wirtschaftsein-
heiten ab, eine umfassende soziale Funktion in Ergänzung zur produktiven
Funktion zu übernehmen. Diese Aufgabe war rechtlich festgeschrieben.

Die Betriebe bildeten damit einen in sich geschlossenen Reproduktionsprozeß.
Er war Produzent von Waren, beschäftigte Arbeitskräfte und wirkte auf die
Reproduktionsbedingungen seiner Beschäftigten ein. Die Beschäftigten waren
den überwiegenden Teil des Tages in einem System fachlicher und politischer
Einflußnahme eingebunden. Die Werktätigen fühlten sich z. B. durch vorge-
legte Konzepte zur Entwicklung des Betriebes, die zwar in Versammlungen
behandelt, jedoch keinen Widerspruch zuließen, oft stark bevormundet. Im
Bewußtsein der Werktätigen war diese Unmündigkeit nicht besonders ausge-
prägt, weil folgende Faktoren dagegen wirkten: Im Betrieb wurde nicht nur in

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Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

ökonomischen Kategorien gedacht, Mitmenschlichkeit wurde gelebt und ent-
wickelt. Jeder Werktätige hatte ein Recht auf Arbeit und einen, wenn auch
nicht immer den gewünschten, Arbeitsplatz, der infolge chronischen Arbeits-
kräftemangels in den Zusammenhängen, wie sie hier bereits dargelegt worden
sind, nicht gefährdet war. Langjährige Betriebszugehörigkeit, fachliche Quali-
fikation und Erfahrung machten den überwiegenden Teil der Werktätigen fast
unentbehrlich.

Es gab keinen Preis für die Ware Arbeitskraft, weil die Arbeitskraft keine Wa-
re darstellte. Die Arbeit bedeutete dem Einzelnen viel, konnte er doch durch
sie seine Stellung im Betrieb und in der Gesellschaft entwickeln und besaß
damit auch eine Würde.

Die soziale Sicherheit trübte den Blick für eine objektive Bewertung der Ge-
samtentwicklung der DDR, die mittel- und langfristig die Voraussetzungen für
diese sozialen Bedingungen nicht mehr erwirtschaften konnte. Damit war so-
ziale Sicherheit keine soziale Gerechtigkeit.

Ein weiterer Gesichtspunkt im Zusammenhang mit dem Charakter der Arbeit
wurde bereits erwähnt, nämlich daß der sozialistische Betrieb ein Machtin-
strument zur Durchsetzung der Interessen der Staatsmacht darstellte. Eine
Diktatur bewirkt die Deformation der Persönlichkeit und im Prozeß der Arbeit
entstehen Leistungsverluste. Ich will das ganz kurz an einem Beispiel aus un-
serem Industriekombinat VEB Elektro-Apparate-Werke Berlin-Treptow
(KEAW) darlegen.

Ende 1988 wurde der Leitung des Kombinats eine Analyse zur Leistungsent-
wicklung im Zeitraum von 1980 bis 1988 sowie Schlußfolgerungen für die
strategische Arbeit des Jahres 1995 und 2000 vorgelegt. Darin wurde u. a. eine
kritische Bewertung bei der Anwendung der Mikroelektronik, in der Automa-
tisierungstechnik des sich herausbildenden Innovationstempos vorgenommen.
Es heißt dort: „Neben positiven Beispielen, schnellere Überleitung aus der
Forschung und Entwicklung in die Produktion, wird aber besonders auf die
negative Entwicklung dieses Prozesses hingewiesen“. Wir hatten die Verant-
wortung für die elektronische Steuerung sowie für das Hochdruckgasthermo-
meter. Die Folge der negativen Ergebnisse dieser Forschungs- und Entwick-
lungsleistung waren eingetretene Verzögerungen in der Leistungsentwicklung
in Millionenhöhe, Einbrüche bei der Bedarfsdeckung und schließlich Einbußen
in der Ökonomie des Kombinats.

Erschwerte Arbeitsbedingungen bestanden durch sehr veraltete Ausrüstungen
in der Galvanik unseres Betriebes. Berechtigte Beschwerden der Arbeiter
konnten jedoch infolge fehlender Investkennziffern für derartige Ausrüstungen
nicht positiv beantwortet werden. Um das auszugleichen und die Spannungen,
die in diesem Zusammenhang vorhanden waren, abzubauen, wurden Fachdi-
rektoren und Betriebsdirektoren verpflichtet, einen direkten Kontakt zu den
Arbeitern in diesen Konfliktbereichen herzustellen und einen ständigen Bera-
tungsmechanismus aufzubauen. Über ein System gestalteter Arbeits- und Le-